Vom Dichten, Kleben und Schäumen

Kleber, Dichtstoffe und Zubehör in einer Schreinerei. Fachleute empfehlen, das Sortiment möglichst klein zu halten. Bild: Michel Bless (Gyso AG)

Dichtstoffe.  Was Pfahlbauer einst mit Lehm und Gras taten, lösen Schreiner heute mit allerhand Kunststoffen: das Abdichten von Löchern und Spalten, etwa bei der Montage von Fenstern oder Türen. Die zentrale Frage dabei ist: Was kommt wo mit Vorteil zum Einsatz?

Als Dichtstoffe werden generell Werkstoffe zum Abdichten von Fugen, Spalten und Löchern an Bauwerken und Bauteilen bezeichnet. Im Gegensatz zu einer Dichtung aus dauerelastischem Material, wie sie beispielsweise an einer Tür oder einem Fenster eingesetzt wird, wird von einem Dichtstoff gefordert, dass er an den Fugenflanken haftet, um seine Funktion zu erfüllen. Daher werden Dichtstoffe generell auch den Klebstoffen zugeordnet.

Das Abdichten von Löchern und Spalten ist eine Tätigkeit, welche der Mensch schon seit langer Zeit kennt und praktiziert. Schon die Pfahlbauer dichteten ihre Hütten gegen Wind und Wetter, um den Komfort zu erhöhen. Im Grundsatz hat sich daran bis heute nichts geändert, nur die Technik ist vorangeschritten. Wurden in der Urzeit Gras und Lehm benutzt, kamen in der Antike Bienenwachs, Pech und Baumharz zum Einsatz. Später kam der klassische Fensterkitt auf Leinölbasis dazu, welcher heute nach wie vor verwendet wird, beispielsweise bei einfach verglasten Fenstern oder für Verglasungen bei antiken Möbeln.

Mangel beschleunigt Entwicklung

In den 1930er-Jahren entstand während des Zweiten Weltkriegs plötzlich ein Mangel an Naturprodukten wie beispielsweise Kautschuk. So wurde versucht, diese Materialien mit Kunststoffen zu ersetzen, welche Erdöl oder Erdgas als Ausgangstoffe nutzen. Dies war die Geburtsstunde der Petrochemie und damit auch der Polymerchemie. Diese Technologie hat in einer stürmischen Entwicklung eine grosse Zahl an modernen Dichtstoffen hervorgebracht. «Seit rund 30 Jahren ist ein Trend weg von lösemittelhaltigen Produkten zu beobachten», sagt Bernhard Wicki, Geschäftsführer bei der Wisabax AG in Luzern. Diese Entwicklung ist primär auf die Lenkungsabgabe auf flüchtige organische Verbindungen (VOC) zurückzuführen. Zunächst wurden lösemittelhaltige Produkte durch solche auf Polyurethanbasis ersetzt. «Polyurethan-Kleber weisen besonders im Holzbau bei konstruktiven Anwendungen sehr gute Eigenschaften auf, sind aber aus toxischer Sicht nicht unumstritten. Für die Verarbeitung sind zahlreiche Sicherheitsvorschriften zu beachten, wie beispielsweise Handschuhe. Für die Wisabax AG geht der Trend bereits seit Längerem in Richtung Hybrid-Produkte, sogenannte silanterminierte Polymere, die meist sogar keine Warnsymbole aufweisen», ergänzt Wicki. Bisher waren diese Produkte fast immer elastisch, aber die neuste Generation Hybrid-Klebstoffe kann auch hart eingestellt werden. Mit Festigkeitswerten von bis zu 14 N/mm2 ist die Klebverbindung stärker als die meisten Hölzer. Erste Produkte weisen sogar eine D4-Witterungsbeständigkeit aus, was diese Klebstoffe auch im Aussenbereich bei Holz bestens einsetzbar macht.

Gesundheitlich unbedenklich

Die Entwicklung in diesem Bereich schreitet jedoch rasant voran und ermöglicht neue, vor Kurzem noch undenkbare Produkte wie harte Klebstoffe mit bester Witterungs- und Alterungsbeständigkeit oder lösemittelfreie Primer mit 100 % Feststoffgehalt. «Auch bei den Produkten auf Polyurethanbasis schreitet die Entwicklung rasch voran und bringt Produkte hervor, welche sehr leistungsfähig und gleichzeitig gesundheitlich unbedenklich sind», sagt Konrad Arnold, technischer Verkaufsberater bei der Sika Schweiz AG. So sind aktuelle Produkte auf Polyurethanbasis, welche beispielsweise Sika im Angebot hat, auf eine gesundheitlich unbedenkliche Anwendung optimiert worden. Die Zukunft bringt also in vielen Bereichen neue Lösungen, welche das Anwendungsgebiet erweitern und gleichzeitig risikoarm werden.

Der Zweck definiert das Produkt

Um bei der heutigen Vielfalt an Produk- ten die richtige Wahl zu treffen, geht der Schreiner am besten vom Anwendungszweck aus und stellt sich wichtige Fragen wie:

  • Ist die Anwendung im Innen- oder Aussenbereich?
  • Muss die Fuge anstrichverträglich sein?
  • Welche Materialien haben Kontakt mit dem Dichtstoff (Verträglichkeit)?
  • Wie wird die Fuge oder das Bauteil später beansprucht?
  • Welche Ansprüche an das Aussehen hat die Kundschaft?
  • Wie einfach lässt sich das Material verarbeiten?

Meist lässt sich das passende Produkt auf diese Weise rasch ermitteln. Zusätzliche Sicherheit und Informationen bieten die technischen Datenblätter zu den Produkten. In Spezialfällen und wenn das Wissen fehlt, lohnt es sich, den Lieferanten um Rat zu fragen. In der Regel kann dieser eine passende Empfehlung abgeben und professionell beraten. Viele Schreiner definieren mittels Produktversuchen und aufgrund der eigenen Erfahrung Standards, welches Produkt wo und wie anzuwenden ist. Das erworbene Wissen lässt sich mittels Schulungen und Merkblättern an die Mitarbeitenden weitergeben. So kann die Qualität verbessert und die Anzahl Fehler auf ein Minimum beschränkt werden.

Die Qual der Wahl einfach gemacht

«Die Anzahl an Produkten und Anwendungsbereichen kann rasch verwirren», sagt Michel Bless, Teamleiter Marketing bei der Firma Gyso AG in Kloten ZH. «Dazu kommt, dass es den einen universellen Dicht- oder Klebstoff nicht gibt, der für alle Anwendungen exakt geeignet ist. Das Produkt muss genau auf den Anwendungsbereich abgestimmt sein.» Viele verschiedene Produkte je nach Einsatzzweck zu kennen, ist also ein Muss. Für den Schreiner kann es also rasch schwierig werden, die richtige Wahl zu treffen und dabei das eigene Sortiment klein zu halten. Insbesondere auch, weil laufend neue Produkte dazukommen, die bessere Eigenschaften haben und eventuell sogar günstiger sind. Wenn das Wissen fehlt oder die Auswahl zu gross ist, ist die Zusammenarbeit mit einem spezialisierten Händler oder Hersteller sinnvoll. «Aus meiner Sicht macht es Sinn, sich auf das Sortiment eines Anbieters zu konzentrieren», sagt Michael Holliger, Verkaufsleiter bei der Firma Permapack in Rorschach SG. Auf diese Weise kommt ein passendes System mit abgestimmten Eigenschaften zur Anwendung, und das eigene Sortiment kann auf ein Minimum reduziert werden. «Dies schont auch den Geldbeutel», sagt Holliger.

Beratung ist das A und O

Die Mehrheit der Anbieter setzt auf den persönlichen Verkauf und die Beratung bei der Kundschaft vor Ort. Techniker unterstützen den Kunden bei der Produktwahl und Anwendungsfragen, sei es via Telefon oder mittels Schulungen vor Ort am Objekt. «Wir unterstützen die Produktwahl zusätzlich durch vorgängige Untersuchungen, bei denen auch Prüfungen im hauseigenen Labor durchgeführt werden können. Die Prüfberichte geben dem Anwender zusätzliche Sicherheit bei der Systemwahl», erklärt Michael Holliger. «Um das Sortiment an Dichtstoffen zu verkleinern oder das passende Produkt zu finden, ist die individuelle Kundenberatung aus meiner Sicht zentral», ergänzt Konrad Arnold. Nur auf diese Weise können die geforderten Anwendungsgebiete in der Schreinerei definiert werden, was eine sichere Produktwahl ermöglicht. «Zu beachten ist, dass universell anwendbare Produkte oft im etwas höheren Preissegment zu finden sind», sagt Arnold. Sika unterstützt Kunden individuell mit einem Expertenteam in allen Phasen eines Projekts: von der Planung und Konstruktion bis zu spezifischen Prüfungen von Oberflächen, Materialien und Haltbarkeit. Dazu Arnold weiter: «Daraus resultieren Lösungen nach Mass, welche auch die Anwenderschulung umfassen.»

Die Verarbeitung von hochwertigen Produkten, verbunden mit einer passenden Beratung, lohnt sich also für den professionellen Verarbeiter in jedem Fall. Generell empfiehlt sich der regelmässige Kontakt mit dem Zulieferer, um auf dem neusten Stand zu bleiben. Denn nur wer sich regelmässig Zeit nimmt für das Lesen von Newslettern oder für einen Besuch des Aussendienstmitarbeiters, erfährt auch die Neuigkeiten und kann entsprechend profitieren.

www.gyso.chwww.wisabax.chwww.permapack.chwww.sika.ch

Roland Wildi

Veröffentlichung: 04. April 2024 / Ausgabe 14/2024

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