Vom Fotoprojekt zum Lebensprojekt

Florian Spring (27) ist offiziell in den «Yak-Tribe», einen Stamm im Norden Papua-Neuguineas, aufgenommen worden. Bild: PD

Wenn Florian Spring nach Papua-Neuguinea reist und mit dem Einbaum auf dem Fluss Sepik auf das 1000-Seelen-Dorf Kandinge zusteuert, dann unternimmt er keine Abenteuerreise, dann kehrt er nach Hause zurück. Hier, im Norden des Inselstaates, fernab der Zivilisation, hat «Walndu» – der «grosse weisse Mann» – eine zweite Familie gefunden. Was mit einem Fotoprojekt angefangen hat, ist für den Berner zum Lebensprojekt geworden. Er hat einen Vater und Brüder gefunden und ist zum festen Bestandteil der aus sieben Familienclans bestehenden Dorfgemeinschaft geworden. Die englischbasierte Kreolsprache Tok Pisin spricht er mittlerweile fliessend, und er passt sich mühelos der Lebensweise seiner Familie an. «Wenn sie schlafen, schlafe ich, wenn sie reden, rede ich, wenn sie arbeiten, arbeite ich und wenn sie jagen, jage ich.» Am Anfang habe er sich schon ein wenig eingewöhnen müssen, gibt er zu. «Da hat es Überwindung gekostet, mich in einem See zu waschen, in dem es Piranhas und Krokodile gibt.» Mit den Krokodilen spricht er ein zentrales Thema an. Diese sind nicht nur das Hauptnahrungsmittel «seines» Stammes, dem «Yak-Tribe», sondern werden von diesem auch als «König des Sepiks» und als spirituelles Schöpfungswesen verehrt. In einem alle drei bis vier Jahre stattfindenden Initiationsritus wird deshalb die Haut der Männer eingeschnitten, sodass ein krokodilähnliches Narbenmuster entsteht. Durch die Schnitte soll das schwache Blut der Mutter ausfliessen und die Kraft des Krokodils auf die Männer übergehen. Sie werden damit zu Kriegern und zu heiratsfähigen Männern.

«Dank meiner Ausbildung zum Schreiner konnte ich den Leuten auf Augenhöhe begegnen und einen Einblick in ihr Leben gewinnen.»

Mit einer Fotoreportage zu diesem Initiationsritus gewinnt Spring den Förderpreis «Globetrotter World Photo 2017» und wagt den Schritt in die Selbstständigkeit als Fotograf. Doch angefangen hat alles ganz anders: Nach der Ausbildung zum Schreiner bei der Röthlisberger AG im bernischen Gümligen zieht es den damals 20-Jährigen in die Ferne. Fast ein Jahr verbringt er in Kanada, wo er unter anderem im Blockhüttenbau arbeitet. Es folgen Aufenthalte in asiatischen Ländern wie Sri Lanka, Indien und Nepal. Mit diversen Reparaturarbeiten verdient er sich Kost und Logis. «Dank meiner Ausbildung zum Schreiner konnte ich den Leuten auf Augenhöhe begegnen und einen Einblick in ihr Leben gewinnen.» Er packt an, wo er gebraucht wird, erstellt Stelzenbauten, deckt Dächer, repariert Türen oder Fenster und ist sich für keine Arbeit zu schade. Fasziniert von der Schönheit seiner Reiseziele und von der Ausstrahlung der Menschen beginnt Spring, seine Eindrücke mit der Kamera festzuhalten, und das Fotografieren wird zur Leidenschaft. «Bis zu diesem Zeitpunkt bestand mein ganzes Wissen zur Fotografie aus einem zweitägigen Partyguide-Fotokurs, den ich zu meinem 16. Geburtstag von meiner Schwester geschenkt bekommen habe», erinnert er sich lachend. Seither ist viel Zeit vergangen, doch die Freude an der Fotografie und die Faszination für die Menschen aus den verschiedensten Kulturen ist geblieben. Geblieben ist auch die Verbundenheit mit dem Handwerk. «Am liebsten würde ich KMU mit echtem Herzblut porträtieren und ihre Leidenschaft in meinen Bildern widerspiegeln», sagt er.

Von den Menschen, denen er auf seinen Reisen begegnet ist, hat er gelernt, die einfachen Dinge des Lebens wertzuschätzen. «Es war mir wichtig, nicht nur zu profitieren, sondern auch etwas zurückzugeben.» Doch bevor er sich auf seine nächste Reise begibt, ist er nun erst einmal zu seinen Wurzeln zurückgekehrt.

mh

Veröffentlichung: 24. Mai 2018 / Ausgabe 21/2018

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