Vom Handwerk zum Netzwerk

Geraldine Schneider (46) ist Netzwerkerin mit handwerklichem Know-how. Bild: Manuela Ziegler

Leute. Ein vollflächig verglastes Schaufenster bestimmt das Erdgeschoss des Stadt-Labors in der Zürcherstrasse in Frauenfeld. Es ist eine Ausstellungsfläche und lenkt den neugierigen Blick der Passanten automatisch ins Innere. «Zwischen 12 und 20 Buchungen für die Räume verzeichne ich in der Woche, etwa 700 jährlich», sagt Geraldine Schneider, gelernte Schreinerin und Sozialarbeiterin.

Sie ist Spezialistin für Quartierarbeit im Thurgauer Hauptort, hat das Stadt-Labor seit 2021 mitaufgebaut und verantwortet heute den Betrieb. «Quartier Digital», heisst die Veranstaltung am Dienstagmorgen, an der Ehrenamtliche die Fragen der Bevölkerung zu Digitalgeräten beantworten. Das Stadt-Labor ist ausserdem Raum für weitere Angebote wie Krabbelgruppe, Suchtberatung und Gründer-Support. «Daneben können Vereine, Gruppen, Künstler und Freischaffende unsere drei Räume buchen», sagt Schneider. «Das Labor ist ein Paradebeispiel für sozialräumliche Stadtentwicklung, wie sie sonst nur in grösseren Städten wie Zürich, Bern und Basel zu finden sind», sagt sie. Möglich wurde das Projekt durch eine Zwischennutzung der Liegenschaft. «Du musst nur einen Raum zur Verfügung stellen, dann passiert schon etwas», sagt Schneider, gibt aber zu, dass es schon Aufbauarbeit brauchte. Anfangs habe sie sich auf die Strasse gestellt und über das Angebot informiert, nach den Bedürfnissen der Leute gefragt und war auf öffentlichen Anlässen präsent. Letztlich sei es für sie Beziehungsarbeit, meint die 46-Jährige.

«Du musst eigentlich nur den Raum zur Verfügung stellen, dann passiert schon etwas.»

Schon bald nach der Schreinerlehre findet sie den Weg ins Kulturzentrum «Alte Kaserne» in Winterthur, ihrer Geburtsstadt. Als Leiterin des technischen Dienstes darf sie spannende Bauprojekte realisieren, wie etwa szenografische Installationen für ein Elektronikfestival bauen. «Die Arbeiten waren immer eine Kombination von Organisieren und Bauen, mein Handwerk hat mich immer begleitet.» Doch sie erkennt auch: «Körperlich steh ich die Anstrengungen nicht bis 65 durch.» 29-jährig entscheidet sie sich für ein Vollzeitstudium an der Fachhochschule für Soziale Arbeit in Zürich, weil sie auch gut mit Menschen umgehen kann. Über zwei studienbegleitende Praktika «rutscht» sie in die dortige Gemeinwesenarbeit, organisiert mit Quartiervereinen Feste, schiebt Nachtschichten in der «Alten Kaserne» und finanziert so ihr Studium. Tennisspielen und andere Sportarten sind ihr Ausgleich. Andre Agassi, den langhaarigen Tennisstar ihrer Schulzeit, findet sie immer noch cool. Cool ist auch, dass sie nach dem Studium direkt als stellvertretende Leiterin in einem Stadtzürcher Gemeinschaftszentrum einsteigen kann und wieder eine richtige Werkstatt zur Verfügung hat. «Gemeinsam mit Quartierbewohnern haben wir Paletten-Möbel und Rampen für Trotti und Skateboard gebaut, und wir gaben viele Möbelbaukurse.» Ihre Augen leuchten, wenn sie davon erzählt. Auch an den Frauenfelder Kulturtagen engagiert sie sich begeistert beim Bau einer mobilen Werkstatt für Kunst-Aktionen. Wie es nach dem Sommer 2025 mit dem Stadt-Labor weitergeht, ist ungewiss, denn die Zwischennutzung läuft aus.

Schneider ist inzwischen jedoch auch für die Quartiervereine der Stadt zuständig. «Ich sehe mich schon in der Aufbau- und Unterstützungsarbeit im Verbund mit anderen», sagt sie. Seit Kurzem arbeitet sie Teilzeit wieder in der Genossenschaft «Arba Holz» in Winterthur in der Administration mit. «Wenn Not an der Frau ist, schleife ich auch Treppen ab oder säge Platten zu, hauptsächlich bin ich aber im Büro.»

Manuela Ziegler

Veröffentlichung: 03. Februar 2025 / Ausgabe 5/2025

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