Von der Lehre bis zur Rente

Der in wenigen Tagen pensionierte Schreiner, Albert Portmann (65), hat Zeit seines Lebens beim selben Arbeitgeber verbracht. Bild: Caroline Schneider

Leute. Arbeitnehmende wie Albert Portmann gelten in der heutigen Zeit als Rarität. Der Schreiner ist seinem Arbeitgeber fünfzig Jahre lang treu geblieben – von der Lehre bis zur Pensionierung, welche Ende Jahr ansteht.

«Die Chemie mit dem Chef und im Team stimmte einfach. Hier akzeptiert man einander, so wie man ist», sagt der bald Pensionierte. In seinen fünfzig Arbeitsjahren hatte er lediglich einen Chefwechsel erlebt. Die Hirschi Schreinerei in Adligenswil LU ist ein Familienbetrieb. Die Väter geben den Betrieb den Söhnen weiter, die das Erbe der Tradition gemäss weiterführten. «Wir haben alle ein soziales Gen vererbt erhalten», sagt Inhaber Urs Hirschi, der das Zepter demnächst seinem Sohn übergibt. «Wenn es den Mitarbeitenden gut geht und sie sich wohlfühlen, dann geht es auch dem Geschäft gut.» Die geleistete Arbeit werde in diesem Betrieb wertgeschätzt und Bedürfnisse ernst genommen, erklärt Albert Portmann. «Manche Mitarbeitende, die hier ihre Lehre gemacht haben, sind später zurückgekommen.» Für Portmann sind es die Zeichen der Wertschätzung, die den Unternehmensspirit ausmachen. Zum 80-Jahr-Jubiläum hat die Schreinerei ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beispielsweise an den Weihnachtsmarkt nach München eingeladen. Auch an sein eigenes 40-Jahr-Jubiläum erinnert sich Portmann gerne. «Ich erhielt einen Reisegutschein. Damit machte ich mit meiner Frau eine Reise nach Maderia.» Die Werkstatt habe den Mitarbeitenden auch für private Zwecke zur Verfügung gestanden.

«Mir ist es nie langweilig geworden. Deshalb packte mich auch nie die Lust auf etwas anderes», sagt der Adligenswiler, der es schätzte, mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren zu können. Die Aufgaben seien vielfältig gewesen. Zudem habe sich seit seiner Ausbildung zum Schreiner viel in der Branche verändert. Vom Aufkommen neuer Technologien und Maschinen bis zu einer immer grösseren Palette an Materialien, mit denen die Schreiner zu tun haben. Im gleichen Zuge sind auch die Sicherheitsvorschriften strenger geworden. «Als Arbeitnehmer musst du stets offen sein und bereit zu lernen.» Portmann hat sich nie für Büroarbeiten interessiert. «Ich wollte immer in der Werkstatt bleiben und mit meinen Händen arbeiten.» In den letzten Jahren hat er sich auf alle Variationen von Fenstern spezialisiert: von Rundbogen-, Schrägfenstern bis zu Fenstern mit Sprossen. Mit seiner Pensionierung hat sich der 65-Jährige noch nicht befasst. «Alles zu gegebener Zeit.» Seine Freizeitbeschäftigungen sind zahlreich. Reparieren und Tüfteln faszinieren ihn seit jeher. «Unsere Gesellschaft hinterlässt Berge von Elektroschrott.» Um dem entgegenzuwirken, flickt er alte Computer oder Ventilatoren oder bringt tot geglaubte Maschinen wieder zum Leben. «Mich fasziniert das Innenleben der Geräte. Dabei kann ich immer wieder etwas Neues dazulernen.» Der leidenschaftliche Handwerker kann sich vorstellen, nach der Pensionierung in einem Repair-Café zu arbeiten, wo Personen ihre defekten Gegenstände vorbeibringen und er diese mit ihnen gemeinsam repariert. Aber auch das Weitwandern hat er für sich entdeckt. Im letzten Sommer umwanderte er zusammen mit seiner Frau den Kanton Luzern.

Weitere Weitwanderrouten möchte er nach seiner Pensionierung planen. Als Grossvater halten ihn zudem seine neun und vier Monate alten Grosskinder auf Trab. «Ich freue mich auf die kommende Freiheit.» Langweilig wird es ihm bestimmt nicht.

«Mir ist es nie langweilig geworden. Deshalb hat mich auch nie die Lust auf etwas anderes gepackt. Ich wollte immer mit meinen Händen arbeiten.»

Caroline Schneider

Veröffentlichung: 19. Dezember 2022 / Ausgabe 50/2022

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