Von der Werkbank zur Wissenschaft

Veränderung gehört zu seinem Leben: David Labhart (35) in seinem Büro an der Universität Zürich. Bild: PD

David Labhart ist ein Freund der Veränderung: Nur so ist sein Werdegang vom Schreiner zum Erziehungswissenschaftler zu erklären. Stets mit Elan dabei, hat es ihn doch immer wieder zu neuen Stationen hingezogen: zum Beispiel ins Engadin, wo er nach der Schreinerlehre zehn Monate verbrachte und sich intensiv mit Arvenmöbeln befasste.

Was David Labhart allerdings störte, war der mangelnde Respekt für selbstständige Handwerker, die geringe Bereitschaft, gutes Geld für gute Möbel zu bezahlen. Gleichzeitig kam ihm der Wintersport in die Quere: Im Winter arbeitete er – im Engadin ist diese Kombina- tion nicht unüblich – als Schneesportlehrer. Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen gefiel ihm gut: «Ich musste mich entscheiden, ob ich weiterhin als Schreiner arbeiten wollte oder ob ich etwas anderes ausprobieren sollte.» Dabei will er nicht falsch verstanden werden: «Ich habe gerne als Schreiner gearbeitet, habe meine Lehrzeit mit viel Schwung absolviert», erinnert sich der 35-Jährige. «Ich habe sogar extra das Gymi abgebrochen, um Schreiner zu werden.» Die Lehre hat er dann auch als Kantonsbester abgeschlossen. Und doch musste er weiter: Weil er während der Lehre die Berufsmittelschule besucht hatte, stand ihm der Weg an die Pädagogische Hochschule in Zürich offen. Die Folge: Studium und drei Jahre arbeiten als Unterstufenlehrer. Bis er herausfand, dass ihn die Grundlagen und die Hintergründe des Lehrerberufes mehr interessierten als das Unterrichten selbst.

Heute arbeitet David Labhart, mittlerweile Vater zweier Töchter, als wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Sonderpädagogik, Bildung und Integration an der Universität Zürich sowie in der Lehrerbildung am Institut Unterstrass.

Dabei faszinieren ihn vor allem die gesellschaftlichen, gesellschaftspolitischen und zwischenmenschlichen Zusammenhänge innerhalb des Bildungssystems. Seine Doktorarbeit dreht sich denn auch um Aufgaben und Handlungsweisen von interdisziplinären Teams in der integrativen Schule. Neue Ideen braucht das Schulwesen, davon ist Labhart überzeugt. «Im neoliberal geprägten Bildungssystem wird nicht die Grundlogik des Schulwesens hinterfragt, sondern man macht oberflächliche Korrekturen», sagt er. «Dabei wäre es nötig, einiges infrage zu stellen: Wem nützen die bestehenden Hierarchien an den Schulen? Warum tun sich die Gesellschaft, Eltern und Politiker so schwer damit, die gängige Vorstellung einer erfolgreichen Bildung zu relativieren?» Auch hier: Veränderung als Dauerthema – auch wenn Veränderungen im Bildungswesen einiges zäher in der Umsetzung sind als persönliche Wünsche und Ideen. An der Universität kommen ihm seine verschlungenen Wege zugute, sagt David Labhart. «Ich verfüge über Erfahrungen aus anderen Arbeitsbereichen, die meine Kolleginnen und Kollegen an der Uni so nicht haben.»

Zurück zum Schreinerberuf: Woran merkt der Erziehungswissenschaftler David Labhart in seinem Alltag, dass er einmal Schreiner war? «Uniforme und langweilige Möbel ärgern mich», sagt er und blickt mit einem Lächeln auf die Möbel in seinem Büro. «Und schlechte Leimfugen.» Zudem wäre er in der Ausführung einer Schreinerarbeit wahrscheinlich immer noch fit, schätzt er sich ein. «In die Planung müsste ich mich allerdings schon wieder einarbeiten, da ist natürlich einiges verloren gegangen.»

Immerhin kommt er hin und wieder zum Üben: In seiner Wohnung in Winterthur steht das eine oder andere Möbelstück aus eigener Produktion.

«Ich habe sogar extra das Gymi abgebrochen, um eine Schreinerlehre zu absolvieren.»

AR

Veröffentlichung: 14. September 2017 / Ausgabe 37/2017

Artikel zum Thema

10. November 2025

Ein Sanitär mit viel Herz fürs Holz

Leute. Im «Werkraum» von Bernhard Berchtold in der Frauenfelder Altstadt duftet es typisch nach Holz. «Viele, die zum ersten Mal in die Werkstatt kommen, bemerken den Geruch», sagt der Inhaber und diplomierte Sanitärtechniker mit eigenem Planungsbüro.

mehr
03. November 2025

«In jedem von uns steckt ein Dörfler»

Leute. Gossliwil gibt es wirklich. «Ich bin wohl der einzige Gossliwiler, dem ihr in eurem Leben je begegnen werdet», sagt Valerian Mollet. «Und wenn ihr doch einmal jemanden anderen aus Gossliwil treffen solltet, dann ist das einer meiner Brüder.» Das Publikum im Casinotheater Winterthur lacht.

mehr

weitere Artikel zum Thema:

Leute