Vor der nächsten Stufe

Liegt die Scheibe im Klebstoffbett, wird ihre Lage kontrolliert und ausgerichtet. Das ist noch Handarbeit. Bild: Christian Härtel

Kleben.  Viele Gründe sprechen für das Verkleben von Flügelrahmen und Scheibe. Als man das Verfahren entwickelte, war das nicht so klar. Die Wenger Fenster AG war von Anfang an dabei, und noch heute wird auf der Pilotanlage produziert. Ein Werkstattbesuch im Berner Oberland.

In der Produktionshalle ist es eng. Die Maschinen zur Bearbeitung der Rahmenhölzer stehen in einer Linie, der verbleibende Platz ist mit den Arbeitsplätzen belegt. Ausladende Fensterrahmen machen sich breit. «Die Elemente werden immer grösser, manchmal sind sie so gross, dass wir sie kaum noch drehen können», sagt Bernhard Bieri, Leiter Technik bei der Wenger Fenster AG in Wimmis BE.

Eigentlich wollte Bieri nie etwas mit Fenstern zu tun haben. Dann kam alles ganz anders, und er war von Anfang an mit dabei vor rund 20 Jahren, als sich im Rahmen eines Innosuisse-Projektes mehrere Akteure zusammenfanden, um das Verkleben der Gläser mit dem Flügelrahmen zu erkunden. Unter anderem waren die Berner Fachhochschule in Biel mit im Boot, der Beschlaghersteller Siegenia und die Klebstoffexperten von Sika. Am Ende wurde geklebt, auch wenn vieles noch nicht ganz gut war. «Wir hatten früher öfter mal einen Glasbruch, weil der E-Modul des Klebstoffes bei sinkender Temperatur steigt», erklärt Bieri. Heute habe man das im Griff, der Klebstoff wurde etwas modifiziert, sprich verbessert. Ausgehärtet fühlt er sich fest an, wenn man mit dem Fingernagel ritzt, aber nicht so hart, dass man nicht eine Kerbe hineinbringen würde.

Dauerhafter Verbund

Für das Verkleben von Scheibe und Flügelrahmen kommt ein 2K-Acryl-Kleber zum Einsatz. Etwa ein Drittel der bei Wenger produzierten Holzfenster werden geklebt. Mittelfristig soll der Anteil steigen, doch dafür müsste erst eine neue oder eine weitere Fertigungsanlage installiert werden. Bis heute nutzt das Unternehmen zum Kleben die Anlage von damals, die mit einem Experten zusammen als Prototyp gebaut wurde. Die Maschine funktioniere auch gut. Aber: Inzwischen gibt es Anlagenbauer, die das Prozedere optimiert haben und deshalb rationeller arbeiten. Das Verkleben von Glas und Flügel ist inzwischen ein verbreitetes und funktionierendes Verfahren. Die Herausforderungen, die es dabei gibt, habe man weitestgehend im Griff. Auch sei man heute etwas schneller. Der Klebstoff härte schneller aus. In der Produktion macht es natürlich einen Unterschied, ob ein Klebstoff in 10 oder 15 Minuten aushärtet, bevor der Flügel die Fertigungseinheit verlässt. Neue Produktionsanlagen sind entsprechend zusammen optimiert und schneller.

Die Scheiben müssen dazu passen

Gemeinsam ist den Verfahren, dass der Glasverbund zum Kleben des Fensters passen muss. Der primäre Verbund der Isolierglasscheibe aus Butyl muss perfekt ausgeführt sein. Die Primärversiegelung ist die innere Dichtungsebene zwischen den Scheiben. Sie dient als Wasserdampf- und Gasdiffusionssperre. Das dafür eingesetzte Butyl dichtet den Scheibenzwischenraum ab und schützt die Isolierglaseinheit einerseits vor Eindringen von Luftfeuchtigkeit und andererseits vor Entweichen des eingefüllten Gasgemisches.

Die Sekundärversiegelung der Scheiben muss sich mit dem Klebstoff vertragen, der dann zum Verkleben mit dem Flügel eingesetzt wird. Es darf nicht zu chemischen Reaktionen kommen, damit die Primärversiegelung auf Dauer geschützt ist. Eingesetzt werden dafür Polysulfid, Polyurethan, Silikon oder auch Hotmelt. Bei Wenger kommt Silikon zum Einsatz. «Der Rahmenverbund des Glases muss auf Dauer UV-beständig sein», sagt Bieri.

Da der Glasaustausch bei verklebten Konstruktionen natürlich viel aufwendiger ist als bei nicht geklebten Varianten, kommt der Qualität des Glasverbundes und der Verträglichkeit eine besondere Bedeutung zu, um lange Gebrauchszeiten gewährleisten zu können.

Unternehmen hat profitiert

Die Wenger Fenster AG hat in 20 Jahren viel in das Erkunden der Klebetechnik von Fenstern investiert. Und dabei ein grosses Know-how aufgebaut. So hat sich die Fensterkonstruktion durch das Klebeverfahren entwickelt. Die Scheibe steht über den Flügelrahmen hinaus, was eine Art Integral- bauweise ermöglicht. Im Ergebnis verringert sich die Ansichtsfläche des Rahmenanteils, womit der Lichteinfall entsprechend steigt. Diese Effekte und generellen Vorteile des Klebens von Glas im Flügelrahmen sind durchaus spürbar.

Beim Integralfenster verschwindet die Holzkonstruktion hinter der äusseren Aluminiumschale. Bei Wenger geht man mit der Konstruktion der sichtbaren Glaskante noch einen Schritt weiter und kann so eine noch höhere Lichtausbeute erreichen. Ohne das Verkleben hätte es auch nie die besondere Dachfensterkonstruktion von Wenger gegeben, die heute ein wichtiges Standbein des Unternehmens ist. Durch die Klebetechnik und die Auseinandersetzung damit ist es gelungen, Dachfenster so zu konstruieren, dass diese mit der äusseren Scheibe flächenbündig mit Solarmodulen ausgestattet werden können.

Deutlich mehr Vor- als Nachteile

Trotz hoher und zunehmender Glasgewichte, auch durch die grossen Formate, kann der Flügel bei geklebten Fensterkonstruktionen filigran ausgeführt werden, da die Scheibe den Rahmen durch die Klebeverbindung trägt. Diese Banalität bringt so manche Vorteile mit sich, wie den verbesserten Schallschutz, die Sicherung des Glases gegen Aufhebeln und damit eine einbruchhemmende Funktion. Winddichtigkeit und Wärmedämmung sind besser, während das Risiko von Tauwasserbildung im Glasfalz sinkt. Die Argumente sind bekannt, weshalb Bieri auch intensiv über die Schaffung neuer Kapazitäten nachdenkt, um künftig noch mehr Fenster im Klebeverbund fertigen zu können.

www.wenger-fenster.ch

Christian Härtel

Veröffentlichung: 26. Oktober 2023 / Ausgabe 43/2023

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