Wo Tüftler Technik und Design entdecken

Modernste Infrastruktur im Technologie-zentrum: Thomas Tschudi bedient das neue 5-Achs-CNC-Bearbeitungszentrum. Bild: Patrik Ettlin

Fortschritt.  Ein schönes Kapitel Zukunft der Schreiner- und Designerwelt wird in Maienfeld GR geschrieben. Ein umfassender und moderner Maschinenpark fordert im Technologiezentrum zum Ausprobieren und Tüfteln heraus. Und: Scheitern ist hier erlaubt und Teil der Entwicklung.

Hoch über dem Dorf Maienfeld in der Bündner Herrschaft betreibt die IBW Höhere Fachschule Südostschweiz nicht nur das Bildungszentrum Wald, sondern auch eine hochmoderne Werkstätte, wo «an der Zukunft gearbeitet wird». So formuliert das Thomas Tschudi, Leiter des Technologiezentrums, mit einem verschmitzten Lachen. Soeben testet er ausgiebig die neuste Anschaffung im CNC-Bereich, die «Accord 50 FX» der SCM-Group. «Wir setzen hier auf die neuesten Technologien», erklärt Tschudi und lässt ein weiteres Teststück bearbeiten.

Goldschmied baut Holzstuhl

Grosse Optimierungen seien bei diesen neusten Maschinen speziell in der Bedienung per Touchscreen, bei der Software und mit dem Fernzugriff via Mobile auf den Maschinenzustand auszumachen. «Zudem bringt diese 5-Achs-CNC eine Selbstkalibrier-Vorrichtung mit, welche die Frässpindel nach einem Maschinencrash automatisch nachjustiert.» Weiter verfüge die Maschine neu über 50 Zentimeter Durchlasshöhe, was bei der Holzbauer-Weiterbildung zusätzliche Möglichkeiten biete, präzisiert Thomas Tschudi und präsentiert auch gleich eine weitere Neuanschaffung im Technologiezentrum.

Vor wenigen Wochen ist der Maschinenpark durch eine Kreissäge «Kappa 550 PCS» aus der Format-4-Produktepalette von Felder/HM-Spoerri AG optimiert worden. Die Maschine verfügt über zahlreiche Zusatzfunktionen und ist schweizweit die erste Format-4-Kreissäge, die mit dem Preventive Contact System ausgeliefert wurde. Dieses Sicherheitssystem erkennt menschliches Gewebe in der Gefahrenzone, lässt das Sägeblatt innert wenigen Millisekunden unter den Tisch versenken und verhindert so schwere Arbeitsunfälle.

Ein Blick zur Roboterbearbeitungszelle und zum CNC-Fräscenter Diana macht schnell klar, was Tschudi damit meint, wenn er von der «Arbeit an der Zukunft» redet. Hier bespricht nämlich Goldschmied Florian Zumstein gerade mit dem Technologiezentrum-Mitarbeiter Silvano Fontana seinen selber entworfenen Stuhl. Zumstein absolviert die Weiterbildung zum Produktedesigner HF. «Mit der Sitzgelegenheit als Aufgabenstellung war ich ziemlich gefordert. Schliesslich sind Objekte in diesen Grössendimensionen für mich als Goldschmied ungewohnt.»

Fehler sind Teil der Entwicklung

Zumstein wählte für die Umsetzung seines Stuhls den Werkstoff Holz, womit für ihn das Technologiezentrum ein zusätzlicher Glücksfall ist. Hier arbeitet er nun an der Umsetzung des Prototyps. Je drei viereckige Rahmen aus Multiplexplatten sollen die beiden Seitenelemente bilden. Sitzfläche und Lehne sind in Stoff geplant. «Die CAD-Technologie war mir bekannt. Meine entworfenen Holzteile aber mit der CNC umzusetzen, bedeutet für mich Neuland», berichtet Florian Zumstein.

Soeben hat ein harmloser Maschinencrash dazu geführt, dass ein Einzelteil gebrochen ist und dadurch unbrauchbar wird. Zumstein und Fontana schauen genau hin und gehen der Ursache auf den Grund. «Ich bin froh, dass ich auf die Unterstützung des Technologiezentrums und dessen Mitarbeitenden zählen kann», betont Zumstein und schaut sich die Bruchstelle genau an.

Am Prototyp getüftelt

Florian Zumstein und seine Klassenkameraden haben den Auftrag erhalten, eine Sitzgelegenheit zu entwerfen und anschliessend zu produzieren. Nach der Ideenpräsentation und -besprechung folgten erste Versuche im Technologiezentrum. Die Produktion des Prototyps fordert auch die Fachleute vor Ort. «Wir haben hier im Technologiezentrum verschiedene Möglichkeiten, diese Arbeiten auszuführen. Materialwahl, Fräsarbeiten und die Verbindungsart der Einzelteile haben massive Auswirkungen auf die Statik des Sitzobjekts», schildert Thomas Tschudi die Herausforderungen. «Zusammen mit den Studenten tüfteln wir an der idealen Lösung.» Tschudi, seine Mitarbeitenden und die verschiedenen Fachleute in den Weiterbildungen versuchen, mit allen möglichen Materialien die Grenzen auszuloten und dabei die technischen Hilfsmittel aller Art optimal einzusetzen. So war das Technologiezentrum der IBW in Maienfeld auch massgeblich an der nicht ganz einfachen 3D-Umsetzung der Holzfigur von Johanna Spyri im Rahmen einer Marketingaktion für Schweizer Holz im Jahr 2017 beteiligt.

Weitere Beweisstücke von modernster 3D-Umsetzungstechnik sind im Technologiezentrum überall zu finden. Hier eine Autofelge, eine Musikbox oder eine grosse Schachfigur, da ein Kopfpräparat eines Bisons und dort – wie es sich fürs Bündnerland gehört – ein Steinbock; alle Elemente aus Holz. Für die Planung dieser Produkte steht eine Vielzahl von CAD- und CAM-Programmen zur Auswahl. Reichen diese Tools nicht aus, wird eines der drei 3D-Scan-Systeme zur Hilfe gezogen. Die ersten Formmodelle werden in der eigenen Modellwerkstatt manuell gefertigt. Sind die Geometrien zu komplex, werden die Prototypen mit einer der drei verschiedenen 3D-Druck-Technologien FDM, SLS oder SLA entworfen und mit modernster CNC-Technologie gefräst.

Neue Technologien werden geschult

«Weiterentwicklungen von Techniken, Maschinen und Materialien möchten wir möglichst rasch in den Unterricht integrieren», erklärt Thomas Tschudi. So setzte er auch die Ende 2019 neu vorgestellte CNC-gesteuerte Oberfräse so schnell wie möglich ein und schult seither die angehenden Fertigungsspezialisten mit den «Origin»-Geräten von Shaper Tools GmbH. Auch heute noch bietet die IBW solche Weiterbildungskurse für Interessierte an.

Trotz des modernen Maschinenparks: Auch Thomas Tschudi hat noch Pläne und Wünsche. «Mit einem Wasserstrahlschneider für unsere Roboterbearbeitungszelle würden zusätzliche Möglichkeiten geschaffen. Damit könnten zusätzliche Materialien optimal geschnitten werden.»

www.ibw.ch/technologiezentrum

IBW Höhere Fachschule Südostschweiz

Für Schreiner, Designer, Holzbauer und mehr

Das Angebot der IBW Höhere Fachschule Südostschweiz im Fachbereich Schreinerei, Produktdesign, Innenarchitektur und Holzbau ist vielfältig. Die Weiterbildungen werden seit vielen Jahren angeboten. Die Kaderausbildungen können stufenweise abgeschlossen werden. Vom Verbandszertifikat bis hin zum HF-Abschluss, zum diplomierten Techniker oder zur Technikerin HF Holztechnik Vertiefung Schreinerei wird in der IBW eine fortlaufende Ausbildung gewährleistet. Die Weiterbildungen auf einen Blick:

  • Diplomierte/r Techniker/in HF Holztechnik, Schreinerei
  • Projektleiter/in Schreinerei mit Eidgenössischem Fachausweis
  • Fertigungsspezialist/in VSSM
  • Berufsbildner/in VSSM
  • Fachkurse Schreinerei

Auch in den Bereichen Bau, Energie und Holzbau ist das passende Angebot vorhanden. Letztlich hat sich die IBW auch mit der Schule für Gestaltung immer weiterentwickelt. Heute werden dort unter anderem berufsbegleitende HF-Lehrgänge zu den Themen Innenarchitektur und Produktdesign angeboten, die auch für Schreiner sehr interessant sind. Studierende an der IBW profitieren in den verschiedenen Lehrgängen vom Know-how und der Infrastruktur des Technologiezentrums in Maienfeld.

www.ibw.ch/angebot/holz-bau-energie

PATRIK ETTLIN, PET

Veröffentlichung: 17. Februar 2022 / Ausgabe 7/2022

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