Wohnen an der langen Leine


Das Bild der Gemütlichkeit war auch bei Moooi in Mailand geprägt von gerundeten Formen, Natürlichkeit und einer Prise Bling-Bling. Bild: Christian Härtel
Das Bild der Gemütlichkeit war auch bei Moooi in Mailand geprägt von gerundeten Formen, Natürlichkeit und einer Prise Bling-Bling. Bild: Christian Härtel
Messebericht. Der 63. Salone del Mobile in Mailand widerspiegelte vom 8. bis 13. April die Vielfalt der Stile für das zeitgenössische Wohnen. Die Aussteller in den Hallen der Lichtmesse Euroluce sorgten dabei für den Glanz, den die Möbel derzeit eher selten versprühen.
An die runden Formen im Grossen wie im Kleinen hat man sich längst gewöhnt. Kaum ein Tisch hat mehr Ecken und Kanten. Aber freilich gibt es das auch noch. Es kommt etwas auf die anvisierte Zielgruppe an. In den Hallen mit den Luxusmarken finden sich auch kantige Interiors.
Unter dem Strich allerdings scheint alles gerundet. Denn je mehr scharfe Schwerter auf der Welt geführt werden, desto schmeichelnder muss das eigene Zuhause sein als Ort der Entspannung und der Sicherheit. Die natürlichen Farbtöne passen d
azu perfekt. Harmonie herrscht und auch Zeichen von Unschuld, denn ein Sofa ist heute im Durchschnitt cremeweiss oder so ähnlich. Wer das Leben trotz widriger Umstände geniessen kann, mischt etwas Opulenz dazu.
Die endlos scheinenden Warteschlangen vor dem Showroom und dem Messestand des italienischen Profis in Sache Opulenz, Etro, können als untrügliches Zeichen dafür gelten, dass sich zu der eher farblosen Möbelausstattung eine ordentliche Portion Luxus dank entsprechender Akzente setzen lässt. Schwere, reich verzierte Stoffe sorgen für Glanz in der Hütte.
Was weiter auffiel beim Rundgang durch die Messehallen: Naturbelassenes Holz setzen die Hersteller sparsam ein. Eine tragende Rolle spielte Holz vor allem bei den Präsentationen der japanischen Möbelhersteller und natürlich bei solchen, deren DNA auf Massivholz gründet. Etwa beim italienischen Produzenten Riva 1920 oder dem österreichischen Möbelhersteller Team 7. Viele der Produzenten, die in den letzten Jahren noch Holz zeigten, haben ihre Präsentationen geändert. Etwa bei Porro oder Porada war weniger Holz zu sehen. Wenn doch, dann spielten Nussbaum, Eiche und Esche eine gewisse Rolle. Die in den letzten Jahren oft zu sehenden repräsentativen Holztische, waren in diesem Jahr kaum zu finden. An die Stelle von ausdrucksstarkem Massivholz tritt derzeit öfter das gleichmässige, eher unscheinbare, oft auch farbig gestaltete Konzeptholz. Akzente werden mit aufwendigen Lichtinstallationen, Textilien oder Accessoires gesetzt.
Seit Jahren wächst der Zuspruch und damit der Andrang der Designinteressierten in den Showrooms im Mailänder Stadtteil Brera. Der Event Salone findet nicht nur in den Messehallen statt, sondern läuft im Rahmen der Milano Design Week auch in den zahlreichen Showrooms in Brera im Herzen der Stadt. In den letzten Jahren hat so mancher Aussteller der Messe den Rücken gekehrt und ist stattdessen in einen Showroom eingezogen. Das spürte man auch in den Messehallen. So manche Ecke blieb frei, und während die zweite Ebene der Hallen früher stets belegt war, ist die obere Etage der Hallen inzwischen am Salone komplett geschlossen.
Zwar war der Salone wieder sehr voll, aber noch mehr Menschen sind regelmässig vor den Showrooms. Jedoch sind nicht für alle Produzenten die auftauchenden Menschenmassen zielführend. Der japanische Möbelhersteller Nagano etwa ist auch deshalb vom Showroom in die Messehalle umgezogen. «Es waren so viele Besucher, dass man gar keine Gespräche führen konnte. Wir wollen ja auch den fachlichen und geschäftlichen Austausch haben. Das war aber über weite Strecken in Brera nicht möglich», sagt Takahiro Nagano, CEO des Unternehmens mit Hauptsitz auf Kyushu in Japan. Auch das niederländische Unternehmen Moooi ist nach vielen Jahren zurück an der Messe.
Beim Rundgang durch die Messehallen fiel auch auf, dass Hersteller von Spielen und solchen, die sich auch als Möbel nutzen lassen, derzeit einen Lauf haben. Waren es früher meist zwei bis drei Anbieter von Billard-, Tischfussball-, Tischtennistischen und anderen Vergnügen, sind es inzwischen einige mehr. Die gehen auch dazu über, die Spiel- und Sportgeräte so zu gestalten, dass etwa nach dem Tischtennismatch das Netz abgenommen und der Tisch für die Sitzung vorbereitet werden kann. Esche-furnierte Varianten, schwarz gebeizt, von District Eight oder ein wetterfester Tisch in Rostrot bei RS Barcelona zeugen von den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten.
Zusammen mit dem Salone del Mobile gibt es im Wechsel entweder die Eurocucina für Küchen oder aber die Euroluce wie in diesem Jahr. Die erstrahlte mit ordentlich Glanz. Gleich vier der insgesamt 16 Messehallen waren mit Ausstellern, die Licht als Schwerpunkt haben, belegt.
Mit aufwendigen Präsentationen hatten die Lichthersteller den Besuchern den roten Teppich ausgerollt. Neben vielen ganz besonderen Leuchteninstallationen waren auch handfeste Neuerungen und Entwicklungen zu finden. Etwa vom Schweizer Unternehmen Neko, das heute vor allem im Objektgeschäft in über 120 Ländern tätig ist. Ein mit Leuchten und Anschlüssen dank magnetischer Verbindung frei bestückbares Schienensystem fiel dabei besonders auf, weil es äusserst schlank daherkommt und auch als eigenständiges Element etwa für eine Brücke in der Küche oder im Office einsetzbar ist. Allerdings sei noch nicht klar, ob das Unternehmen mit diesem oder anderen Produkten im freien Verkauf aktiv werden möchte, erklärte der für Deutschland zuständige Verantwortliche Andreas Rabe im Rahmen der Messe.
Auch wenigstens zwei Anbieter von Schaltern und Anschlussbuchsen für die Steuerung der baulichen Elektroinstallation waren vor Ort. Beide aus Paris und beide mit formschönen Schaltern und Steckdosenabdeckungen mit verschiedenen Oberflächen und Designs.
Der nächste Salone findet vom 21. bis 26. April 2026 statt, dann wieder mit den Extra-Hallen der Küchenmesse Eurocucina.
Zum dritten Mal zeigten Präsenz Schweiz und die Kulturstiftung Pro Helvetia mit dem House of Switzerland verschiedene Arbeiten von Designschaffenden aus der Schweiz. In diesem Jahr stand das Thema der Kollaboration als Basis im Designprozess im Fokus. Die Ausstellung im Casa degli Artisti, das sich mitten im Trendquartier der namhaften Showrooms in Brera befindet, präsentierte sich gewohnt vielseitig. Etwa eine Arbeitshose von und für Frauen gestaltet oder eine Teppichkollektion von Swisswool, die aus der Wolle von Walliser Schwarznasenschafen gefertigt ist. Auch das Ergebnis einer Kooperation zwischen der Hochschule Kunst und Design (Ecal) in Lausanne und japanischen Partnern war vor Ort. Die Studierenden sollten Holzstühle für den Schweizer Pavillon an der Weltausstellung in Osaka entwerfen. Ein Entwurf wurde für die Produktion in Partnerschaft mit dem japanischen Möbelhersteller KNS ausgewählt. Man darf gespannt sein, ob der Stuhl seinen Weg nach Osaka in den Schweizer Pavillon finden wird. Leider sitzt man nicht bequem wegen der Rückenpartie auf dem sonst gefälligen Entwurf.
Veröffentlichung: 17. April 2025 / Ausgabe 16/2025
Fachmesse. Als wichtiger Impulsgeber öffnete vergangene Woche die Ligna ihre Türen und brachte aktuelle Themen wie Digitalisierung, Automatisierung und Nachhaltigkeit ins Zentrum. Neben Präsentationen der Aussteller bot die Jubiläumsmesse auch Sonderschauen und Foren.
mehrFachmesse. Vom 20. bis 23. Mai war die Interzum in Köln erneut Treffpunkt der internationalen Möbelzuliefer- und Interior-Design-Branche. Mehr als 1600 Aussteller aus über 55 Ländern präsentierten auf der Weltleitmesse ihre Neuheiten und zukunftsweisende Lösungen.
mehrPaidPost. Die «Windays» der Berner Fachhochschule Architektur, Holz und Bau präsentieren bereits zum zehnten Mal die neuesten Entwicklungen und Trends in Sachen Fenster und Fassaden.
mehr