Zwei Leben in einem

Erst Schreiner, dann Mönch – und heute glücklicher Familienvater: Beno Kehl (48) mit Töchterchen Mira.

Das letzte Interview mit der SchreinerZeitung ist jetzt fünfeinhalb Jahre her. Damals hiess der Mann Bruder Beno, gehörte dem Franziskanischen Orden an und trug eine braune Kutte. Heute heisst er ganz bürgerlich Beno Kehl, trägt einen Pulli und hält ein Kind im Arm. Töchterchen Mira ist vier Monate alt und schaut mit grossen wachen Augen in die Welt. Sohn Jonas (2), erklimmt gerade den Stuhl in der gemütlichen Familienwohnung in Eschlikon TG. Beno Kehl strahlt: «Jetzt lueg die beide Chind aa», ruft er und lacht, «es wär ja schad, gäb’s die nöd.» Dass er Vater geworden ist, grenzt für den Ostschweizer noch immer an ein Wunder: «Es ist ein brutal schönes Geschenk», sagt er in seiner direkten Art und streicht der kleinen Mira zärtlich über das Köpfchen. «Beno ist ein toller Vater», sagt seine Frau Seraina, «er beherrscht das Multitasking besser als manche Frau.» Vor viereinhalb Jahren hat sich das Leben des Franziskanermönchs um 180 Grad gedreht. Bruder Beno weilte in Kanada und rang um eine Entscheidung: Im Kloster bleiben? Oder auf sein Herz hören, das bereit war für einen Neubeginn? Denn Beno war verliebt. Als er in den Rocky Mountains zur Tintenfassquelle wanderte und vor diesem tiefblauen Wasser stand, fasste er einen Entschluss: Wenn bis Aschermittwoch kein Zeichen komme, werde er auf sein Herz hören und aus dem Orden austreten. «Ich stand an der Quelle, dem Symbol für etwas Neues, und spürte, dass dieses Neue auch für mich beginnen könnte.» Es kam kein Zeichen. Weder von aussen noch von innen. So hängte er seine Mönchskutte an den Nagel und sass am nächsten Tag im Flugzeug nach Hause.

Seraina ermutigte ihn, seinen Entscheid offen zu kommunizieren: «Unsere Geschichte ist schön, wir stehen dazu. Und wenn wir dank der Medien unsere Hilfsprojekte publik machen können, umso besser.» Genau das hat Beno Kehl getan, in Absprache mit dem Orden. Die Reaktionen reichten von Begeisterung bis zu Schmähbriefen. Sein Berufsleben sieht heute noch fast so aus wie damals: Er hat die Leitung der im Orden initiierten Vereine und Projekte übernommen, arbeitet nach wie vor auf der Gasse mit Randständigen und erzählt vom Imkern mit Menschen, die auf der Schattenseite des Lebens stehen. Sein Staudammprojekt in Afrika ist auf der Zielgeraden, ausserdem hat er die Einzelfirma «Kahnu» gegründet, bietet dort Seminare, Vorträge, Feuerläufe, Hochzeiten und Beerdigungen an. «Ich bin in erster Linie für jene Leute da, die sich in der Kirche nicht oder nicht mehr heimisch fühlen», sagt er. Selber habe er die Kirche «immer geliebt», allein, er sei dort nicht mehr erwünscht, auch nicht als ehrenamtlicher Mitarbeiter. «Das hat mich der Bischof explizit wissen lassen.» Doch der 48-Jährige hegt keinen Groll; er sieht sich als Glückspilz: «Ich habe zwei Leben in einem. Die Zeit im Orden war erfüllend und reich, aber ausgeschöpft. Und jetzt darf ich eine Familie haben – das ist unbezahlbar. Natürlich sehen das die Kirche und der Orden nicht so, doch entscheidender für mich ist, wie Gott das sieht.» Während der 20 Jahre im Orden hat er Theologie studiert und die Ausbildung zum Sozialtherapeuten absolviert, nach dem Austritt erwarb er den Master in Sozialmanagement. «Aber wenn mich jemand nach meinen Beruf fragt, sage ich immer noch: ‹Ich bin Schreiner›».

«Ich stand an der Quelle, dem Symbol für etwas Neues, und spürte, dass dieses Neue auch für mich beginnen könnte.»

hid

Veröffentlichung: 06. November 2014 / Ausgabe 44/2014

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