Die Teile sind wie Lego

Rolf Frischknecht Bild: Christian Härtel

Rolf Frischknecht ist Bauingenieur und prägt die Entwicklung der Ökobilanzierung als Buchautor und mit seinem Unternehmen Treeze in Uster ZH. An der ETH Zürich unterrichtet er Ökobilanzierung.

Schreinerzeitung: Was ist eine Öko- bilanz, was zeigt sie, und wo liegen die Grenzen?

Rolf Frischknecht: Eine Ökobilanz zeigt von der Rohstoffgewinnung über die Verarbeitung hin zum fertigen Produkt bis zur Entsorgung alle Aspekte des Energie- und Rohstoffeinsatzes und der damit einhergehenden Umweltbelastung auf. Beim Holz etwa die Pflege des Waldes, der Stromverbrauch in der Sägerei, der Einsatz von Hilfsmitteln in der Schreinerei und die Entsorgung eines Möbels. Dabei geht es nicht nur um CO2, sondern um viele weitere Schadstoffemissionen und Ressourcenverbräuche.
Es gibt in den Bilanzen zwei wichtige Kenngrössen. Neben den Umweltbelastungspunkten, kurz UBP, sind dies die Treibhausgas-Emissionen. Beide sind wichtig. Derzeit liegt der Fokus auf CO2, aber man sollte die Umweltbelastung insgesamt im Auge behalten.
Nicht erfasst werden soziale Aspekte und lokale ökologische Gegebenheiten.
Am Ende stehen grosse Ergebnistabellen, die nach verschiedenen Kriterien sortiert, gewichtet und interpretiert werden.
 

Das im Holz während des Baumwachstums gebundene CO2 fliesst dann also auch in die Bilanz ein?

Grundlage für Ökobilanzen sind Normen und gesetzliche Vorgaben. Eine davon ist die Umwelt-Produktdeklaration von Baumaterialien und Bauprodukten. Das im Holz gebundene CO2 wird zunächst eingebucht und am Schluss bei der Entsorgung wieder ausgebucht. Am Ende ist die Bilanz daraus Null.
Das ist ein etwas heikles Thema, weil einige in der Holzbranche das natürlich gerne anders hätten, ohne die Berücksichtigung der CO2-Emission am Lebensende. Ein paar Jahrzehnte Speicherung in einem Gebäude sind für das Klima aber einfach ein zu kurzer Zeitraum, weshalb das CO2, welches bei der Entsorgung einer Küche nach 30 Jahren emittiert wird, entsprechend verbucht werden muss.
 

Wer sich Ökobilanzen ansieht und die Regeln nicht im Detail kennt, kann auch zum Ergebnis kommen: Das kann doch nicht sein, das kann nicht stimmen!

In der KBOB-Empfehlung ist die Bezugsgrösse in der Regel ein Kilogramm des Materials. Diese Ergebnisse kann man nicht miteinander vergleichen. Erst die Umweltbelastung von Bauteilen mit derselben Funktion, wie etwa Stützen mit identischer Höhe und identischer Traglast, lässt sich vergleichen. Beim Beton liegt der UBP-Wert scheinbar recht tief.
Klar: Ein Kilo Beton besteht vor allem aus Kies und Sand, deren Gewinnung und Transport wenig CO2 verursacht. Beide Rohstoffe müssen nicht erhitzt und nicht aufwendig bearbeitet werden. Dazu kommen dann rund 12 Massenprozent an CO2-intensivem Zement. Aber wie viele Kilogramm braucht man davon in der praktischen Anwendung? Eine Flachdecke mit Bodenbelag, Unterlagsboden und Trittschalldämmung aus Stahlbeton mit 5 × 5 Metern Spannweite hat ein Eigengewicht von knapp 18 Tonnen. Davon sind 14,4 Tonnen Beton. Eine Brettstapeldecke derselben Dimension wiegt 7,4 Tonnen, wobei 2,1 Tonnen auf das Holz entfallen.
Erst die Ökobilanz des Bauteils oder des Bauwerks ist aussagekräftig. Man darf also nicht die kg-Angaben miteinander vergleichen, sondern nur Bauelemente mit der gleichen Funktion. Noch besser, man schaut das ganze Gebäude an und vergleicht Projektvarianten.
 

Dann sollte man die Ergebnisse der Ökobilanzen der KBOB-Empfehlung am besten gar nicht wirklich ansehen?

Nein. Die Umweltbelastungspunkte pro kg Material, wie sie in der KBOB-Empfehlung ausgewiesen sind, sind wie Legosteine. Man muss daraus eine reale Situation erbauen, dann werden sie aussagekräftig und vergleichbar. Als einzelner Baustein ist es einfach ein Informationsträger.
 

Wie kann ich mich als Schreiner dann orientieren?

Die Herkunft des Holzes und der Holzwerkstoffe ist sicher ein entscheidender Punkt. Diese sollten aus regionaler Erzeugung stammen, aus der Schweiz oder von mir aus auch aus dem grenznahen Ausland, wie etwa Vorarlberg. Aber sicher nicht aus Übersee oder aus sibirischen Wäldern. Daneben spielt die Lebensdauer eine wichtige Rolle. Dazu gehört die Frage, wie oft ein Möbel ab- und wieder aufgebaut werden kann.In puncto Lebensdauer können Massivholzmöbel punkten, auch wenn die Umweltkennwerte von Massivholzplatten gegenüber denjenigen der Spanplatte nur unwesentlich tiefer sind.
 

Dann ist der «gesunde Menschenverstand» doch das Mass der Dinge?

Das ist jetzt sehr global formuliert. Man muss unterscheiden zwischen gesundem Menschenverstand und Vorurteilen. Das Ergebnis der Ökobilanz widerspricht manchmal der persönlichen Einschätzung, und dann sollte man darüber nachdenken. Dann zu sagen, die Ökobilanz ist falsch – das ist zu einfach. Ökobilanzen sind ein geeignetes Instrument, um den Umweltfussabdruck von Produkten wie beispielsweise Fenstern wie auch von Betrieben abzuschätzen und dank geeigneter Massnahmen kontinuierlich zu senken.

www.treeze.ch

Christian härtel

Veröffentlichung: 16. Februar 2023 / Ausgabe 7/2023

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