Altes wird nicht einfach weggeworfen

Florian Geier fräst in einem alten Türrahmen die Zinken raus. Bild: Nicole D'Orazio

Florian Geier und Claudio Bischof arbeiten oft auf Baustellen denkmalgeschützter Gebäude. Die beiden Lernenden aus dem Kanton St. Gallen finden es toll, altes Holz auszubessern und wieder einzusetzen.

«Altes Holz hat Charme. Das mag ich», sagt Florian Geier. Er bearbeitet gerade alte Türfutter und nimmt sie auseinander. Diese gehören zu einem denkmalgeschützten Haus in Trogen AR, das saniert wird. Die Camen Handwerk AG aus Untereggen SG, bei welcher der Lernende im dritten Jahr angestellt ist, darf bei diesem Auftrag historische Böden sanieren und ergänzen, Türen versetzen und flicken sowie neue Tafelparkette legen. Der 24-Jährige mag solche Aufgaben. «Bei den Türfuttern müssen wir entscheiden, welche wir zerlegen und bei welchen wir ansetzen können. Wir müssen schauen, ob die Substanz noch gut ist. Denn aus drei machen wir zwei, weil die neuen Türfutter breiter werden sollen.» Das Besondere an diesen Exemplaren sei, dass sie innen aus Fichte bestehen und mit Nussbaum aufgedoppelt seien, um Material zu sparen. «Heute würde man furnieren. Früher war eben das Material teuer und die Stunden der Mitarbeitenden billig, mittlerweile ist es umgekehrt.»

Platten dürfen einen Flick haben

Das Erneuern und Ergänzen der Tafelparkettplatten kann ebenfalls herausfordernd sein. «Auch hier ist die Materialwahl entscheidend. Da muss man ins Altholzlager und nach einem passenden Stück suchen», beschreibt Florian Geier. Die Böden werden abgeschliffen und neu behandelt. Das Ziel sei, dass man danach nicht sieht, welche Platten neu und welche original seien. «Sie dürfen natürlich auch mal einen Flick haben.» Geiger arbeitet in einem sogenannten Zellwegerhaus, so werden die grossen Palastbauten rund um den Dorfplatz in Trogen genannt, welche die reiche Textilhandelsfamilie Zellweger im 18. und 19. Jahrhundert bauen liess.

Der St. Galler mag diese Arbeit. «Neben ganz normalen Innenausbau- und Möbelaufträgen haben wir parallel eigentlich immer einen, der sich um ein denkmal- oder heimatgeschütztes Objekt dreht. Das finde ich spannend.» Sein Lehrbetrieb hat sich in diesem Bereich einen Namen gemacht und arbeitet oft mit der Denkmalpflege zusammen. So durfte der Lernende auch bei der Sanierung des Wasserschlosses im thurgauischen Hagenwil mit anpacken. Dort wurden das Restaurant, der Wehrgang und der Innenhof komplett erneuert. «Ich durfte zum Beispiel Balken flicken», erzählt er. «Das ist interessant, weil ja die Statik erfüllt sein muss. Und bei den Wänden weiss man nie, was zum Vorschein kommt.» Es passiere immer wieder, dass das Material faul oder von einem Pilz oder Käfer befallen sei. «Bei alten Böden muss man sowieso immer vorsichtig sein. Je nach Gebäude sind sie nicht mehr sicher, könnten nachgeben und man stürzt.»

Die Freude am Alten wurde Florian Geier sozusagen vererbt. Sein Vater ist als Restaurator tätig. Schon als Bub hat er sich für die Arbeit mit Altholz und allgemein alten Gegenständen und Objekten begeistern können. «Selber möchte ich aber nicht Restaurator werden. Dafür Schreiner, der sich immer wieder mit denkmalpflegerischen Aufgaben beschäftigt», sagt er. «Das Alte fasziniert mich. Es ist doch spannend, wie man mit viel Arbeit einem alten, kaputten Gebäude wieder zu neuem Glanz verhelfen kann.» Dabei gebe es immer viel zu entdecken und Probleme zu meistern. «Der Brandschutz ist zum Beispiel ein grosses Thema.» Nicht vorstellen kann er sich hingegen, mit Spanplatten zu arbeiten oder immer die gleiche Maschine zu bedienen. Das wäre ihm zu langweilig.

Zweitlehre über Umwege

Der 24-Jährige hat vor ein paar Jahren bereits den Schreinerpraktiker abgeschlossen. «Danach habe ich längere Zeit temporär gearbeitet und die Rekrutenschule absolviert», erzählt er. Dann sei er als Mitarbeiter zur Camen Handwerk AG gekommen und durfte sowohl Schreiner- wie auch Zimmermann-Aufgaben übernehmen. Im Betrieb gefällt es ihm sehr gut. Es sei eine tolle Truppe, und er gehe sehr gern zu Arbeit, was für ihn wichtig sei. «In Absprache mit meinen Chefs habe ich mich nach zweieinhalb Jahren dann dazu entschieden, den EFZ-Abschluss noch anzuhängen und habe im zweiten Lehrjahr begonnen.» Den Entschluss bereut Florian Geier nicht, auch wenn er sich wieder umstellen musste. Es laufe gut, und in der Schule habe er keine Probleme. Dass er etwas älter ist als seine Schulkameraden, stört den St. Galler nicht. «Ich bin nicht der Einzige über 20.»

Teile abschneiden und ansetzen

Claudio Bischof ist der zweite Auszubildende im Betrieb und hat das vierte Lehrjahr in Angriff genommen. Er ist gerade auf der Baustelle im Einsatz und arbeitet an den Zierverkleidungen der Türen. «Diese sind nicht mehr so schön, abgenutzt oder kaputt. Ich muss nun schauen, wo und wie ich fehlende Teile ansetzen kann», erklärt er. Das Profil muss er mit dem Hobel und Stechbeitel bearbeiten und wieder anpassen. Dann wird die Verkleidung geschraubt, abgeschliffen und teilweise bemalt. Je nach Holzart. «Nussbaum belassen wir zum Beispiel Original.»

Diese Arbeit findet der 18-Jährige spannend. Sie sei wie Tetris spielen. «Man kann nicht einfach ein neues Teil nehmen, sondern muss schauen, welches Stück man wie weiter verwenden kann.» Langweilig wird ihm dabei nicht. Jede Tür ist anders, hat irgendwo einen Hick oder ist verzogen. «Ich finde es einen sehr coolen Auftrag», schwärmt Claudio Bischof. Allgemein ist er mit seiner Ausbildung und dem Lehrbetrieb sehr zufrieden. «Es gefällt mir sogar immer besser. Ich sehe in alle Bereiche hinein. Vom Möbelherstellen bis zum Flicken eines alten Balkens, kommt im Alltag so ziemlich alles vor. Das ist toll.» Auch die Werkstatt sei gut ausgerüstet, ein vertikales CNC-Bearbeitungscenter wurde kürzlich angeschafft. «Ich durfte zusammen mit dem Maschinisten auch schon Aufträge durchlaufen lassen. Das war toll.»

Zeit vergeht fast zu schnell

Die Zeit der Ausbildung vergehe schnell, sagt Claudio Bischof. «Fast zu schnell.» Froh ist er allerdings, dass er die Teilprüfung hinter sich hat. «Ich habe jeweils samstags viel geübt. Ich war dann an der Prüfung nervös, aber es ist gut gelaufen.» Der individuellen praktischen Arbeit, der IPA, schaut er ruhiger entgegen. «Ich beschäftige mich schon sehr damit. Aber ich habe mich noch nicht entschieden, ob ich ein Möbel für mich oder meine Familie herstellen oder einen Kundenauftrag ausführen werde.»

Für seine Vertiefungsarbeit in der Allgemeinbildung hat der Lernende mit Kollegen im Sommer eine Velotour von seinem Wohnort Goldach SG nach Genf gemacht. «Wir waren fünf Tage unterwegs», erzählt er. «Wir haben eine Strecke mit eher wenigen Höhenmetern ausgewählt und sind nicht voll über die Berge. Ich war das erste Mal mit dem Rennvelo unterwegs. Sonst bin ich eher der Biker.»

Die kleine Gruppe ist über Zürich und Biel BE nach Genf gefahren. «Glücklicherweise hatten wir gutes Wetter erwischt. Pro Tag haben wir rund 80 bis 90 Kilometer zurückgelegt. Das ist gut gegangen», berichtet Bischof. Nun sei er daran, das Erlebte niederzuschreiben und eine Präsentation vorzubereiten. «Dann habe ich wieder eine grössere Aufgabe für den Abschluss hinter mir.»

www.camen-handwerk.ch

Nicole D'Orazio

Veröffentlichung: 03. November 2021 / Ausgabe 45/2021

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