Auf dieser Baustelle haben die Lernenden das Sagen

Sie sind für den Küchenbau und die Montage zuständig: Reto Gerber, Barbara Wyss und Luca Zaugg (v. l.). Bild: Nicole D'Orazio

In Langnau im Emmental ist ein Einfamilien-haus entstanden, an dem ausschliesslich Lernende gearbeitet haben. Zwei Schreinereien haben ihre jungen Leute dabei einsetzen dürfen.

Die Küche hat Gestalt angenommen. Noch ein Tag ist zur Montage eingeplant. Reto Gerber, Barbara Wyss und Luca Zaugg sind Mitte Juli mit dem Ergebnis zufrieden. Das besondere an der Küche: Die Lernenden von Röthlisberger, der Schreinermanufaktur in Schüpbach BE, haben sie fast im Alleingang geplant, produziert und montiert. Denn der Bauherr, ein pensionierter Lehrer, wollte, dass sein Haus in Langnau im Emmental BE nur von Auszubildenden erstellt wird. Das wird so umgesetzt. Rund 50 Lernende aus verschiedenen Berufen arbeiten seit Ende letzten Jahres am Projekt. Auch zwei Schreinereibetriebe aus der Region beteiligen sich. Ende Oktober soll das Gebäude bezugsbereit sein.

Planung im CAD-Programm

«Ich war vor allem für die Planung der Küche zuständig», erzählt Luca Zaugg aus Burgdorf BE. «Das war sehr spannend, denn diese Arbeit mit dem CAD-Programm übernimmt normalerweise ein dafür ausgebildeter Planer. Dieser hat mich unterstützt, weil das Programm kompliziert ist.» In der Produktion und auf der Baustelle waren dann hauptsächlich Barbara Wyss und Reto Gerber im Einsatz. «In der Produktion lief alles gut. Bei der Montage sind wir allerdings auf zwei, drei Probleme gestossen», sagt der 19-jährige Reto Gerber aus Röthenbach BE. «Die Wände waren nicht gerade, und bei den Plättli stimmten die Fugen nicht ganz.» – «Wir mussten schon einige Dinge anpassen», fügt Barbara Wyss aus Biembach BE hinzu und lacht. Aber es habe geklappt. Das Besondere sei, dass auf dieser Baustelle alles in ihrer Kompetenz liegt, sagt Gerber. «Wir müssen selber entscheiden und die Verantwortung übernehmen. Es kommt niemand, um unsere Arbeit zu kontrollieren.» Manchmal hat ihn das schon etwas nervös gemacht. Das mache das Projekt jedoch spannend und speziell.

Eingebaut haben die drei Lernenden beim Gehäuse der Küche 16-Millimeter-Spanplatten, bei den Fronten haben sie 19er in Wasabi-Grün verwendet und der Stein ist Negro Malaga, 20 Millimeter, poliert. «Der Bauherr ist fast täglich auf der Baustelle, bringt Znüni mit und hat sich sehr für unsere Arbeit interessiert. Er hat auch mal mitgeholfen», sagt Gerber. Für den Ablauf sei es super gewesen, dass er anwesend war, so konnte man Fragen schnell klären. «Es war toll, dass wir hier von A bis Z wirklich alles selber machen durften. So etwas kommt eher selten vor», schwärmt Luca Zaugg.

Spass am Schreinerberuf

Die Lernenden haben nun das vierte Ausbildungsjahr angefangen. «Die ersten drei sind schnell vorbeigegangen», findet der 18-jährige Zaugg. Ihm gefällt die Arbeit als Schreiner und er will nach dem Abschluss nächsten Sommer im Beruf weiterarbeiten. Eine Weiterbildung könnte er sich später gut vorstellen. Auch Reto Gerber mag die Arbeit. «Ich kann gar nicht sagen, was ich am liebsten mache. Toll ist es natürlich, wenn ich einen Auftrag selber ausführen und montieren darf.» Für Barbara Wyss ist es die zweite Ausbildung. Zuvor hat die 27-Jährige Restaurationsfachfrau gelernt und auch einige Jahre im Service gearbeitet. «Schreinerin hat mich schon länger gereizt, und dann habe ich mich entschieden, die Lehre doch noch zu machen. Das kann ich verkürzt», erklärt sie. «Es ist recht streng. Aber ich finde es schön, kreativ zu sein und meine Ideen zu verwirklichen.» Was sie in Zukunft machen möchte, lässt sie noch offen.

Im Lehrbetrieb gefällt es den dreien sehr gut. Bisher seien sie zehn Lernende gewesen. Sie seien eine tolle Truppe. Anfang August haben bei Röthlisberger in Schüpbach gleich neun Jugendliche ihre Ausbildung begonnen. «Wir wollen in den Nachwuchs investieren», begründet Ausbildner Noel Kipfer die hohe Zahl an Lernenden.

Kühni mit vielen Lernenden dabei

Auch die Kühni AG aus Ramsei BE ist am «Lernendenhaus» beteiligt. Neben den Schreinern haben Zimmerleute und Bodenleger ihren Teil geleistet. Ein lernender Zeichner Fachrichtung Architektur im vierten Jahr hatte zudem die Bauleitung inne. «Von Kühni stammt sehr viel am Gebäude. Unsere Lernenden haben die Fassadenelemente erstellt, die Terrasse gebaut, die Böden gemacht und die Schreinerarbeiten ausser der Küche übernommen», zählt Mischa Wälti auf, Ausbildner der Schreiner bei Kühni.

Von den Schreinerlernenden aus dem Betrieb sind insgesamt drei zum Einsatz gekommen. Einer von ihnen ist Fabian Aeschbacher, der gerade den Berufsabschluss gemacht hat. «Wir durften Türen, Fenster, die Treppe und die Vollkernverkleidung im Bad machen», sagt der 26-Jährige aus Krauchthal BE. Die Treppe habe er in der Werkstatt hergestellt und sie dann auf der Baustelle verschraubt. «Einige Türen habe ich schon montiert, der Rest folgt, wenn alle anderen fertig sind.»

Rollentausch mit dem Monteur

Aeschbacher ist nie alleine vor Ort gewesen. Ein Monteur hat ihn jeweils begleitet. «Wir haben aber die Rollen getauscht. Ich hatte den Lead und er spielte mein Stift. Ich machte Vorschläge und habe diese mit ihm besprochen. Das letzte Wort lag aber bei mir. Das fand ich toll. Und es ist gut gelaufen.» Dass der Besitzer oft auf dem Bau anzutreffen war, findet Aeschbacher gut. «Dieser ist immer sehr interessiert und freut sich über jeden Baufortschritt. Und es macht es viel einfacher, wenn man mit ihm schnell etwas klären muss.» Er sei schon zuvor öfter auf Montage gewesen, erzählt er. Doch dieses Projekt sei auch für ihn etwas Besonderes, und er sei stolz, ein Teil davon zu sein.

Grosse Probleme auf der Baustelle gab es nicht. «Verzögerungen kommen halt vor. Und bei den Platten im Bad mussten wir zweimal etwas ändern. Das ist aber normal», blickt Ausbildner Mischa Wälti zurück. Mit der Arbeit seiner Lernenden ist er zufrieden.

Mit der Verantwortung auf dem Bau kommt Aeschbacher gut klar. «Das muss ich ja auch, jetzt, wo ich mit der Ausbildung fertig bin», sagt er und lacht. Er bleibt weiterhin im Betrieb. «Ich bin sehr froh, dass ich mich für diesen Weg entschieden habe.» Denn nach der Ausbildung zum Schreinerpraktiker hat der 26-Jährige zuerst temporär gearbeitet und die Rekrutenschule absolviert.

Ganze vier Jahre absolviert

«Ich wollte den EFZ-Abschluss aber doch noch haben und bewarb mich spontan bei Kühni», blickt der Emmentaler zurück. Und er konnte gleich anfangen. Er hat allerdings nicht im zweiten Lehrjahr begonnen, sondern im ersten. «Das war eine bewusste Entscheidung, weil ich so mehr Zeit für das Schulische und für die Vorbereitung auf die Teilprüfung hatte. Ich habe das nicht bereut.» Fabian Aeschbacher ist nun aber froh, dass er fertig ist. Er will nun Erfahrungen sammeln. «Später würde ich gerne eine Weiterbildung machen. Aber zuerst einmal nur arbeiten.»

handwerkhatzukunft.wixsite.com/handwerkhatzukunftwww.schreinermanufaktur.chwww.kuehni.ch

nicole d'orazio

Veröffentlichung: 02. September 2021 / Ausgabe 36/2021

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