Barrieren im Nanobereich

Das Gebäude verschmilzt mit seiner Glasfassade fast mit dem Himmel. Bild: Andreas Brinkmann

Beschichtungen.  Floatglas besticht durch hohe Transparenz. Das allein genügt aber nicht immer. Für den Einsatz bei Gebäudehüllen werden die Glaselemente mit gezielt positionierten hauchdünnen Beschichtungen in ihrer Funktion aufgerüstet.

«Heute erwarten uns strahlender Sonnenschein bei wolkenlosem Himmel und eine maximale Temperatur von 34 °C im Schatten», war diesen Sommer mehrmals im Radio zu hören. Dann gibt es schon einige Personen, die sich in den Schatten grosser Bäume zurückziehen oder das Innere eines kühlen Gebäudes aufsuchen. Was gerade bei Neubauten als selbstverständlich angesehen wird, basiert zu einem massgeblichen Teil auf hauchdünnen Beschichtungen.

Grosse Kuben aus Glas

Gemäss aktuellen Trends beim Bauen werden Innenräume visuell mit der Aussenwelt verbunden, und es wird auf grosse raumhohe Fensterflächen mit minimalen Unterbrechungen durch Fensterrahmen gesetzt. Ganze Gebäudehüllen bestehen aus flächenbündig angeordnetem Glas. Das lässt die riesigen Kuben etwas leichter erscheinen, wenn sich der Himmel sowie die Umgebung darin spiegeln. Solche Bauten verzichten auch auf eine Beschattungslösung wie Aussenjalousien.

Die unterschiedliche Durchlässigkeit von Glas für die kurz- und langwellige Strahlung der Sonne ist ein Grund für die sommerliche Überhitzung. Eingestrahlte Sonnenenergie wird im Raum in langwellige Wärmestrahlung umgewandelt und kann dann nicht mehr durch das Glas hinaus – ein Effekt, der in Treibhäusern sehr willkommen ist. Transmissionswärmeverluste im Winter führen dazu, dass raumseitige Glasflächen abkühlen und der Aufenthalt in ihrer Nähe unbehaglich wird.

Beschichtungsmethoden

Die Firmen Glas Trösch AG in Bützberg BE und Vetrotech Saint-Gobain International AG in Kreuzlingen TG verfügen beide über grosse Erfahrung beim Beschichten von Glas und geben Einblick in die grundlegenden Möglichkeiten. Bezüglich des Sonnenlichtes sowie der Kälte geht es um die Wellenlänge von Strahlung und darum, wie diese und andere Durchlässigkeiten beeinflusst werden.

Glasbeschichtungen werden schon seit den 70er-Jahren gemacht. Es gibt zwei Beschichtungsverfahren. Einerseits das pyrolytische, das direkt bei der Floatglasherstellung Zinnoxydschichten aufbringt, eine hohe mechanische Beständigkeit (Hardcoating) aufweist und korrosionsfrei ist.

Beim Magnetron-Sputter-Verfahren auf der anderen Seite werden verschiedene übereinanderliegende Metall- oder Metalloxydschichten im Nanobereich auf das fertige Floatglas aufgebracht. Durch die Dicken der einzelnen Schichten lassen sich technische Daten wie Farbe, g-Wert, Transmission und Winkelabhängigkeit festlegen. Dieses Softcoating-Verfahren ist deutlich effizienter und hat sich mehrheitlich durchgesetzt. Weil die Schichten weniger widerstandsfähig sind und meist keine Korrosionsbeständigkeit aufweisen, liegen sie in der Regel auf der Seite der Scheibenzwischenräume.

Wärme, die entsteht oder flieht

Wie bereits erwähnt, hat Floatglas die Eigenschaft, Sonnenenergie sowie Wärmestrahlung in einem bestimmten Wellenbereich durchzulassen. Mit einer gezielten Veränderung dieser Eigenschaften kann das Floatglas zu Wärmedämmglas, Sonnenschutzglas oder einer Kombination davon werden. Eine hohe Lichttransmission, ein hoher Farbwiedergabeindex sowie Farbneutralität sind ebenfalls erreichbar. Bei alledem ist neben der Art der Beschichtung auch deren Position im Isolierglaselement äusserst wichtig, weil ja die Wirkung auf den Scheibenzwischenraum mitberücksichtigt werden muss. Für Verarbeiter ist dann vor allem Folgendes wichtig: Wird ein Element falsch herum in den Fensterrahmen eingesetzt, ist die Wirkung durchaus problematisch, wenn die Schichtreihenfolge massgebend die Wirkung bestimmt.

Gefährliche Faszination der Spiegelung

Besonders elementar bei Sonnenschutzverglasungen sind die Reflexion (und somit das zurückgeworfene Licht), wie viel die Transmission durchlässt und was absorbiert wird. Spiegelungen haben zudem Auswirkungen auf die Erkennbarkeit durch Vögel und können sogar die Hitze der reflektierten Strahlen an einem anderen Ort, fern vom Gebäude, bündeln. Das hat schon zu geschmolzenen Velosätteln geführt. Moderne Wärmeschutzverglasungen haben dagegen eine Aussenreflexion, die meist unter 15 Prozent liegt und in der Schweiz für den Vogelschutz entscheidend ist.

Werden Sonnenschutzgläser in Kombination mit hochreissfesten Zwischenschichten zu Verbundsicherheitsglas (VSG) weiterverarbeitet, verhindert dies eine UV-Transmission nach DIN EN 410. Das Beispiel zeigt, dass bei einem Glaselement mit der gezielten Kombination verschiedenster Möglichkeiten wunschgemässe Funktionen übertragen werden können.

Blicke aus dem Verborgenen

Für dekorative Zwecke oder als Sichtschutz können Glasscheiben auch durchlässig verspiegelt werden. Solche «Spionspiegel» sind mit Lichtdurchlässigkeiten zwischen 1 und 40 Prozent erhältlich. Auch wenn ein riesiger Fassadenspiegel ein Gebäude optisch schon beinahe auflöst, ist eine solche Anwendung doch äusserst anspruchsvoll. Jede Verzerrung im Glas und jede Ungenauigkeit in der Ausrichtung der Scheiben stören das Bild und somit auch die ganze Wirkung.

Die Bezeichnung Spionspiegel zeigt schon an, wozu diese Beschichtungsart vor allem verwendet wird: zu Beobachtungszwecken, beispielsweise in Sicherheitsbereichen, Supermärkten oder Vernehmungsräumen bei der Polizei. Man kann damit auch gezielt Aus- und Einblicke steuern oder dahinter Bildschirme oder Displays positionieren, die abgeschaltet nicht mehr sichtbar sind. Die Reflexion der dem Beobachter zugewandten Seite ist immer geringer als nach aussen, und dieser ist so lange unsichtbar, wie es auf seiner Seite deutlich dunkler ist als gegenüber. Ein eingeschalteter Bildschirm hinter einem solchen Spiegel ist somit sichtbar.

Mit Unsichtbarem sichtbar machen

Bei Schaufenstern sowie bei Vitrinen verhindert die natürliche Reflexion des Glases einen ungestörten Blick auf das Ausstellungstück. Mit einer sogenannten interferenzoptischen Beschichtung auf den reflektierenden Flächen entsteht reflexfreies Glas. Die Transparenz des Glases bewirkt, dass beide Flächen einer Scheibe reflektieren. Wird jede Scheibe – auch des Isolierglaselements – beidseitig beschichtet, erscheint sie dann fast unsichtbar. Beispielsweise ist der Übergang von einem Wintergarten nach draussen nur noch über die Rahmenelemente erkennbar. Durchgänge müssen daher als solche deutlich markiert werden.

Die Beschichtung ist zwar hart und recht widerstandsfähig, liegt aber auch ungeschützt auf der Elementaussenseite. Daher sind spezielle Verarbeitungsrichtlinien und Reinigungshinweise zu beachten. Es sollen beispielsweise nur wässrige, schwach alkalische Glasreiniger verwendet werden und keine Mikrofasertücher.

Radarreflexionsdämpfung

Reflexe können auch ganz unerwartete Wirkungen zeigen: Strukturlose, senkrechte, grosse Glasfassaden von hohen Gebäuden im Flughafenbereich können unter Umständen Radarsignale stören. Neigen sich diese Flächen 3 bis 4° in Richtung Boden, existiert das Problem nicht. Spezielle Beschichtungen, die auf verschiedenen Positionen des Isolierglaselementes liegen, können einen Interferenzeffekt erzeugen und somit dämpfend wirken.

Technisches zwischen den Scheiben

Die belgische Firma Halio Europa hat sich mit sensorgesteuerten elektrochromen Gläsern einen Namen gemacht. Diese Glaselemente verändern automatisch ihre Tönung und erreichen – abhängig vom Aufbau – Ug-Werte von bis zu 0,5 W/(m2 K).

Abgesehen von wirklichen Beschichtungen, die auf die jeweilige Glasfläche aufgebracht werden, gibt es ja noch weitere Möglichkeiten. Neuere Bestimmungen über die Verwendung von Sicherheitsgläsern begünstigen diese sogar noch: Verbundsicherheitsgläser (VSG) bestehen aus mindestens zwei Scheiben und einer verbindenden Folie dazwischen, die unter Vakuum zu einer Einheit zusammengepresst werden. Im Bereich dieser Folie können noch Zusatzfunktionen mit eingebracht werden.

Die Aussicht am späten Abend

Wer abends aus einem beleuchteten Raum durch ein Fenster nach draussen blickt, sieht erst einmal sein eigenes Spiegelbild. Auch dagegen gibt es eine passende Beschichtung. Wenn diese aufgebracht ist, sieht man aber vielleicht gar nicht so viel weiter, weil sich auf der kalten Aussenscheibe des stark wärmedämmenden Glaselementes Kondenswasser gebildet hat – ein Preis der immer besser wirkenden Wärmedämmung. Durch Abstrahlung an den Nachthimmel kann diese Scheibe kälter werden als die Umgebung. Aber sogar dagegen gibt es eine wirksame Beschichtungsmöglichkeit.

www.glastroesch.chwww.vetrotech.comwww.halioglass.eu

Andreas Brinkmann

Veröffentlichung: 03. September 2020 / Ausgabe 36/2020

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