Oberflächen mit Eindruck

Bedrucktes Papier ist die Grundlage für die Dekoroberflächen der Holzwerkstoffe. Ein mögliches Verfahren ist der Digitaldruck. Bild: Schattdecor SE

Dekore.  Selbst Fachleute müssen mittlerweile oft zweimal hinschauen, um zu erkennen, ob es sich um ein Holzdekor oder um echtes Holz handelt. Aber wie kommen die täuschend echten Oberflächen zustande? Die Schreinerzeitung hat bei den Herstellern nachgefragt.

Für Schreinerinnen und Schreiner ist es keine Frage: Nichts geht über echtes Holz. Wenn nicht massiv, dann zumindest furniert. Wer mit der Hand über eine perfekt geschliffene oder gehobelte Holzoberfläche streicht, kann sich ein seliges Lächeln schwerlich verkneifen. Wenn es um die Preise geht, kann dieses Lächeln dann aber schnell verschwinden. Massivholz und Furnier sind teuer, und selbst der leidenschaftliche Holzliebhaber sieht sich zuweilen gezwungen, auf ein Holzdekor auszuweichen. Optische Abstriche müssen dabei kaum mehr gemacht werden, denn die Dekore sind auf den ersten Blick kaum mehr von natürlichen Oberflächen zu unterscheiden.

Exotik ohne schlechtes Gewissen

Auch aus ökologischer Sicht kann ein Holzdekor Sinn machen, wenn beispielsweise die Optik einer exotischen oder seltenen Holzart gefragt ist. So können die natür- lichen Ressourcen geschont werden, und man kommt trotzdem in den Genuss des edlen Erscheinungsbildes von Wenge oder Palisander. Und auch der grösste Massivholz-Fan muss zugeben, dass je nach Anwendungsbereich das natürliche Material nicht die beste Wahl ist. Denn beschichtete und belegte Holzwerkstoffe sowie Vollkernmaterialien sind in der Regel robuster und benötigen weniger Pflegeaufwand.

Holz aus dem Drucker

Damit ein Holzdekor nicht gleich auf den ersten Blick als solches entlarvt werden kann, muss im Herstellungsprozess einiges zusammenpassen. Dieser Prozess beginnt aber nicht etwa bei den Holzwerkstoffherstellern, wie man vielleicht denken mag.

«Für die Optik der Holzdekore sorgen bedruckte Dekorpapiere», sagt Stefan Göldner, Head of Communication bei der Pfleiderer Deutschland GmbH. «Diese beziehen wir als Rollenwaren von spezialisierten Dekordruck-Unternehmen und verarbeiten sie dann weiter.» Auch andere Holzwerkstoffhersteller wie Egger oder die Swiss Krono AG kaufen Dekorpapiere ein. Eine Herstellerin dieser Papiere ist die Schatt- decor SE, mit Sitz in Thansau, Deutschland. Hier werden Dekore von Holz, Stein oder anderen Materialien designt, entwickelt und gedruckt. Mit einem Scanner werden hochauflösende, digitale Druckvorlagen der natürlichen Oberflächen erstellt. Diese Vorlagen dienen als Grundlage für die Dekorentwicklung.

Schicht um Schicht

Beim anschliessenden Druck der Dekore kommen zwei Verfahren zum Einsatz: der Rotationstiefdruck und der Digitaldruck. «Ein Grossteil der Dekorpapiere wird nach wie vor mit dem Rotationstiefdruckverfahren gedruckt», sagt Andreas Lehnig, Marketingverantwortlicher bei Schattdecor. Bei diesem Verfahren tragen gravierte Druckzylinder vorgemischte Farben auf das Papier auf. Im Durchlaufverfahren werden mehrere Farbschichten aufgebaut, um das gewünschte Dekor zu erhalten. Bei komplexen Mustern kommen bis zu vier Druckzylinder zum Einsatz. «Ein Vorteil des Rotationstiefdrucks ist die hohe Effizienz», sagt Lehnig. «Es lassen sich rund 350 bis 400 Meter Papier pro Minute bedrucken.» Grosse Mengen können somit wirtschaftlich produziert werden. Allerdings ist der Entwicklungsaufwand für ein einzelnes Dekor höher, da die Druckzylinder mit den entsprechenden Gravierungen hergestellt werden müssen. Zudem wiederholt sich das Muster entsprechend dem Durchmesser der Druckzylinder. Mit dem Rotationstiefdruckverfahren sind deswegen keine fortlaufenden Dekore möglich.

Einen kühlen (Druck-)Kopf bewahren

Beim Digitaldruck ist die Dekorentwicklung vergleichsweise einfach, da dieser im Prinzip wie ein Tintenstrahldrucker funktioniert. Der Drucker mischt die Farben und bringt diese mit den Druckköpfen auf Papier. Mittlerweile lassen sich auch die gängigen Plattenformate per Digitaldruck bedrucken, was bis vor einigen Jahren nicht möglich war. Die Vorschubgeschwindigkeit ist dabei aber deutlich tiefer als beim Rotationstiefdruck. Die Druckanlage «Palis 2250» bei Schattdecor schafft 162 Meter pro Minute. Dabei bringen 80 wassergekühlte Druckköpfe bis zu 25,5 Milliarden Farbtröpfchen pro Sekunde auf das Papier. «Da wir beim Digitaldruck nicht durch Zylindermasse limitiert sind, können wir auch Grossformate mit einer Drucklänge von bis zu 5 Metern ohne Wiederholung des Dekors drucken», sagt Lehnig.

Zudem können auf einer Papierrolle pro-blemlos mehrere verschiedene Dekore gedruckt werden. Auch individuelle Wünsche in kleinen Mengen lassen sich mit dem Digitaldruck wirtschaftlich umsetzen. So designt und druckt die Swiss Krono AG in ihrem deutschen Schwesterwerk inzwischen auch immer mehr Dekorpapiere selbst. «Die Individualisierung und Produktion ab Losgrösse eins steht dabei im Fokus», wie das Unternehmen schreibt.

Harzige Angelegenheit

Zur Verwendung auf Holzwerkstoffen müssen die Dekorpapiere zunächst imprägniert werden. Dazu erhalten sie im Tauchverfahren eine Melaminharzbeschichtung, was nach dem Verpressen eine robuste Oberfläche ergibt. «Kunden von uns, die nicht die Möglichkeit dazu haben oder sich Arbeitsschritte sparen wollen, können bei uns die bedruckten Papiere fertig imprägniert oder auch als lackierte Finishfolie beziehen», sagt Lehnig. Bei Pfleiderer und Swiss Krono werden die Papiere allerdings in den eigenen Werken imprägniert. Der Schweizer Holzwerkstoffhersteller mischt die Melaminharze nach eigenem Rezept am Standort in Menznau LU. In sogenannten Harzreaktoren werden die einzelnen Komponenten zusammengeführt und gekocht. Nach dem Melaminharzbad werden die Dekorpapiere in einem Schwebetrockner bei etwa 160° getrocknet. Das Material wird dabei in einem kontinuierlichen Luftstrom durch das Gerät transportiert. Die heisse Luft entzieht dem Papier die Feuchtigkeit und führt diese aus dem Trockner ab. Anschliessend können die Papierbögen zugeschnitten werden und sind bereit für die weitere Verarbeitung.

Unter Druck

Im nächsten Schritt können die Dekorpapiere mit verschiedenen Holzwerkstoffen verpresst werden. Eine beschichtete Spanplatte setzt sich beispielsweise aus der Trägerplatte, je einem Dekorpapier auf der Vorder- und Rückseite und einem oder mehreren Overlays zusammen. Das Overlay, ebenfalls ein mit Harz getränktes Papier, schützt das Dekor vor Kratzern. Die Platten werden bei rund 160° und unter rund 350 bar verpresst. Auch für HPL-Produkte sieht der Herstellungsprozess im Prinzip gleich aus. Statt der Trägerplatten werden allerdings viele Schichten Kernpapier mit dem Dekorpapier verpresst. Bei Bodenbelägen ist das Overlay zusätzlich mit Korund durchsetzt. Das harte Mineral, welches auch bei Schleifmitteln zum Einsatz kommt, sorgt für einen höheren Schutz der Oberfläche.

Einprägend

Der Dekordruck alleine reicht allerdings nicht aus, um eine natürliche Holzoberfläche authentisch nachzubilden. Ein wichtiges Detail ist auch die Struktur der Oberfläche. Die Holzwerkstoffe werden deshalb unter Verwendung eines Strukturgebers verpresst. Dieser Strukturgeber, ein Pressblech mit entsprechender Gravierung, sorgt für den 3D-Effekt des Dekors. «Für ein Holzdekor braucht es unbedingt ein Pressblech mit einer typischen Struktur», erklärt Stefan Göldner. «Würde man zum Beispiel ein Eichendekor mit der Struktur von Buchenholz verpressen, erkennt man auf den ersten Blick, dass etwas nicht stimmt.»

Gehypte Synchronität

Für ein hochwertiges Holzdekor ist demnach das Zusammenspiel von Dekorpapier und Strukturgeber entscheidend. In Bezug dazu sind in den letzten Jahren immer wieder die Begriffe «Synchronpore» und «Synchronstruktur» aufgetaucht. Damit wird die optimale Abgleichung von Dekor und Struktur bezeichnet. Dabei werden die Vertiefungen exakt an den Stellen der sicht- baren Holzporen oder entlang von Rissen geprägt. Mithilfe eines Lasers und von Markierungen auf dem Papier werden Dekor und Pressblech positioniert. Mit diesem Verfahren kommt man einer echten Holzoberfläche am nächsten. Ein grosser Nachteil der Synchronporen ist jedoch, dass ein Dekor auf jeweils eine Struktur begrenzt ist. Innerhalb dieser Struktur kann das Dekor nur farblich variiert werden. Für 100 verschiedene Dekore bräuchte es demnach auch 100 Sätze an Strukturgebern.

«Eine Anschaffung sollte gut überlegt sein, da sich ein Satz Pressbleche, mit je einem Blech für Vorder-, Rückseite und einem als Ersatz, preislich im höheren fünfstelligen Bereich bewegt», sagt Göldner. Deshalb und weil der Trend letztlich vermehrt zu schlichten Dekoren und matten Farben ging, habe der anfängliche Hype um die Synchronporen wieder etwas abgenommen. Auch wenn sich die Herstellungsverfahren laufend weiterentwickeln, zeigt sich Göldner überzeugt, dass Fachleute den Unterschied zwischen Dekor und Echtholz weiterhin erkennen können. Wenn nicht auf den ersten Blick, dann zumindest auf den zweiten.

www.swisskrono.comwww.pfleiderer.comwww.schattdecor.com

Sven Bürki

Veröffentlichung: 08. Februar 2024 / Ausgabe 6/2024

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