Nach der Devise: Folieren geht über Studieren

Für einmal kann sich der Gehörschutz eine Pause gönnen. Laute Maschinen braucht es beim Zuschnitt der Möbelfolie nicht. Bild: Sven Bürki

Sven Bürki macht den Test.   Wenn es um die Materialwahl geht, schlägt das Schreinerherz von Fachredaktor Sven Bürki stark für Massivholz. MDF- oder Spanplatten sind in seiner privaten Werkstatt kaum zu finden. Wenn es doch einmal ein Plattenwerkstoff sein soll, ist Sperrholz die erste Wahl. So auch beim letzten Projekt des Möbelschreiner-Weltmeisters von 2017. Für das Finish der Oberfläche hat er sich an ein für den Schreiner unübliches Material herangewagt – eine selbstklebende Möbelfolie.

Für gewöhnlich bin ich ja von meinen Projekten sowohl während des Schaffensprozesses als auch nach dem Abschluss restlos überzeugt. Denn in der Regel investiere ich viel Herzblut sowie mein ganzes handwerkliches Können in die Möbel, die ich selbst plane und realisiere. Fehlender Eifer will ich mir bei der kürzlich fertiggestellten Schreibtisch-Schubladenkorpus-Kombination auch keinesfalls absprechen, und so manches Detail an dem Möbel hat meine handwerklichen Fähigkeiten durchaus gefordert.

Eigentlich Grund genug, mich so richtig über das abgeschlossene Projekt zu freuen – wäre da nicht eine leise Stimme, die mir einredet, mich für meine Materialwahl erklären zu müssen. Zum einen vor den Lesern dieser Zeilen, aber wohl hauptsächlich auch vor mir selbst. Denn mein Schreinerstolz lässt es meist schon nicht zu, beschichtete oder belegte Holzwerkstoffe zu verwenden, wenn ich ein Möbel für mich selbst anfertige. Zumindest eine furnierte Oberfläche muss es sein. Dass ich die verwendeten Sperrholzplatten bei diesem Projekt aber weder furniert noch belegt, sondern mit einer selbstklebenden Möbelfolie versehen habe, entbehrt deshalb nicht einer gewissen Ironie. Aber von Anfang an.

Sperrholzplatte sucht Oberfläche

Vor einiger Zeit konnte ich bei Ricardo für wenig Geld einen grossen Posten bakelisierter Sperrholzplattenabschnitte erstehen. Somit ist das Material zurzeit und bis auf Weiteres die erste Wahl bei meinen Projekten.

Nun gibt es zwar einige Designer, die die schwarze, glatte Phenolharzbeschichtung dieser Platten als Gestaltungselement nutzen, mir gefällt dies aber in den wenigsten Fällen. Zudem schwebte mir für mein Büromöbel dann doch ein etwas hellerer Farbton vor, als das Schwarz der Sperrholzplatten. Da meine private Werkstatt weder über eine Furnierpresse noch über einen Spritzraum verfügt, habe ich nach Alternativen zum Belegen, Furnieren und Lackieren gesucht. Natürlich hätte ich dahingehend auch bei einer Schreinerei anfragen können, aber ich wollte auch für kommende Projekte eine Inhouse-Lösung für meine Werkstatt finden. Und wer jetzt denkt, dass sich HPL oder Linoleum auch mit Kontaktkleber anbringen lässt, hat selbstredend recht. Aber gibt es wirklich Schreiner, die gerne mit Kontaktkleber arbeiten? Ich für meinen Teil bin nie so richtig warm geworden damit.

Billige Plastikfolien

Und dann gibt es eben noch diese Möbelfolien. Plastikfolien, die der Schreiner in jedem Fall auf den ersten Blick als solche entlarvt − dachte ich. Aus gegebenen Gründen habe ich mich dann doch mal damit auseinandergesetzt und fand, dass zumindest ein Versuch die Mühe mal wert wäre.

Unter dem Suchbegriff «Möbelfolien» finden sich im Netz viele Produkte. Einen hochwertigen Eindruck machen dafür eher wenige. Und auch in den Baumärkten stolpert man hie und da über solche Folien. Diese fallen aber definitiv unter die Sparte «Heimwerker» und konnten mir meine Skepsis gegenüber dem Material kaum nehmen. Schliesslich bin ich irgendwann auf einen Anbieter gestossen, der zu seinen Folien sowohl eine sinnvolle Fülle an Informationen liefert, als auch mehrere Fotos zu den verschiedenen Dekoren, sodass sich nebst der Optik auch die Haptik der Oberflächen erahnen lässt.

Schreck lass nach

Die auf den Bildern sichtbare Haptik der Folien war es dann auch, die mich bewogen hat, einige Muster zu bestellen. Denn die strukturierte Oberfläche einiger Dekore erinnerte mich stark an die gängige Struktur beschichteter Spanplatten und weniger an eine billige Plastikoberfläche. Die bestellten Muster hatten eine Grösse von 200 × 300 mm, was ich für das Einschätzen der Farbtöne angenehm bemessen fand. Und beim ersten praktischen Versuch erwies sich die Grösse auch als ausreichend, um ein Gespür für das Aufbringen der Folie zu bekommen. Dieses ist dann auch so einfach wie schnell erklärt − Trennpapier abziehen, Folie aufbringen und fertig. Nun, zumindest bei einem Muster dieser Grösse ist es so einfach. Bei grösseren Flächen ist etwas Übung nicht verkehrt, um die Folie blasenfrei anbringen zu können. Aber dazu später mehr. Das erste Muster aus folierter Sperrholzplatte hat mir ehrlich gesagt erschreckend gut gefallen. Die Oberfläche war optisch und haptisch nahezu identisch mit der einer beschichteten Spanplatte und machte einen robusten Eindruck, wobei die Kratzresistenz wohl nicht so hoch sein wird wie bei einer Melaminharzoberfläche. Aber dennoch hat mich das Muster überzeugt, das Folieren bei meinem Büromöbel zu wagen.

Der Teufel liegt im Detail ...

... und in den Farbtönen. Denn dazu muss gesagt werden, dass diese am Computerbildschirm doch etwas anders wirken als in echt. Die Farbauswahl anhand von physischen Mustern ist demnach sinnvoll. Mich haben die Farbtöne «Balm Rosé» und «Balm Lilac» für die Innenflächen schliesslich am meisten überzeugt. Diese harmonieren gut mit dem Nussbaumholz, welches ich für die Massivholzdetails am Möbel vorgesehen habe. Apropos Details: Diese sind bei den Kanten so gewählt, wie sie im Prinzip auch bei einem furnierten Möbel ausgeführt sind. Sprich, ich habe die Sperrholzplatten vorgängig mit Furnierkanten versehen und die Folie danach angebracht.

Die Möbelfolie ist zwar so flexibel, dass sie sich auch um die Kante herumziehen lässt. Nach einem Testversuch habe ich diese Option aber verworfen, da mir die sichtbare Nussbaumkante besser gefiel. Auch bei den auf Gehrung verleimten Korpuskanten ist unter der Folie ein Zierstreifen Nussbaumholz eingelassen, sodass sich der Kontrast der hellen Folie zum dunklen Holz mit der Fase über das ganze Möbel zieht.

Kratzer? Folie drüber

Meinen Arbeitsablauf habe ich so geplant, dass ich die sichtbaren Innenflächen vor dem Verleimen der Korpusteile foliere, um das nachträgliche Anbringen der Folie in den Innenecken zu vermeiden. Die äusseren Flächen waren noch vor dem Verputzen und Ölen der Furnierkanten als drittletzter Arbeitsschritt eingeplant.

Der Umstand, dass die Möbelfolie erst gegen Ende des Fertigungsprozesses angebracht wird, vereinfacht das Handling der Werkstücke ungemein, da es bis dahin kein Dekor gibt, das es zu schützen gilt. Kleine bis mittlere Kratzer in der Beschichtung der Sperrholzplatten sind kein Problem, denn diese zeichnen sich unter der Folie nicht ab. So können Bearbeitungen oder Positionen der Beschläge auf dem Werkstück angerissen werden − ohne vorgängiges Abkleben. Und Plattenstösse oder Dellen können vor dem Folieren einfach gespachtelt und grob geschliffen werden.

Kein Staub aufwirbeln

Vor dem Anbringen der Folie hatte ich etwas Sorge, dass die Werkstattumgebung dafür zu staubig ist und sich am Ende jedes Staubkorn abzeichnen wird. Dies ging jedoch erstaunlich gut. Natürlich habe ich auf möglichst wenig Staub in der Luft und eine kurze Zeit zwischen dem Abziehen des Trennpapiers und dem Aufbringen der Folie geachtet. Sucht man sich für die Arbeit mit der Möbelfolie also eine staubarme Ecke, ist die Verarbeitung auch durchaus im Bankraum einer Schreinerei möglich.

Kreditkarte und Furnierhobel

Auf resimdo.ch, wo ich die Folie bestellt habe, finden sich diverse Anleitungsvideos sowie Hilfsmittel zur Verarbeitung der Produkte. Ich habe aber nur mit Werkzeug aus meinem Fundus gearbeitet, denn die Arbeit mit einer Klebefolie ist nun wirklich kein Hexenwerk − zumindest, was das Folieren gerader Flächen angeht. Statt eines speziellen Rakels habe ich einfach eine Karte aus den hintersten Winkeln meines Portemonnaies genommen, um die Folie aufzubringen. Die Unterseite der Folie ist zwar mit Luftkanälen versehen, die das nachträgliche Ausstreichen von Luftblasen möglich machen sollen. Dies hat bei mir aber nur bedingt geklappt, insbesondere wenn Blasen in der Mitte der Fläche liegen. Ansonsten gelingen mit etwas Übung auch grössere Werkstücke ohne eine dritte oder vierte helfende Hand. Die Überstände habe ich je nach Situation entweder mit dem Cuttermesser, einem Stechbeitel oder dem frisch geschärften Furnierhobel (Kantenbeschneider für Furniere) abgeschnitten. Die Fase entstand mit dem Fasefräser oder alternativ auch mit einer Schleifleiste. Bei der Arbeit mit der Handoberfräse hat sich gezeigt, dass ein abrasives Staubkorn unter dem Oberfräsentisch die Möbelfolie zerkratzen kann. Diese Gefahr besteht bei beschichteten Werkstoffen aber letztendlich auch. Ein Klebeband auf dem Werkstück oder der Unterseite der Maschine kann hier Abhilfe schaffen.

Unter dem strengen Schreinerblick

Inzwischen ist das Möbel fertig und an seinem angestammten Standort montiert. Ich wage zu behaupten, dass auch ein Schreiner nicht auf die Idee kommt, die Oberfläche mit einer Möbelfolie in Verbindung zu bringen − sowohl auf den ersten als auch auf den zweiten Blick. Deswegen muss ich sagen, dass von der anfänglichen Skepsis dem Material gegenüber nicht mehr viel übrig ist, vorausgesetzt, es handelt sich um ein entsprechend hochwertiges Produkt.

Besonders bei einem Detail an meinem Möbel hat sich die Folie als praktisch erwiesen. So habe ich bei allen Fronten ausklappbare Griffe aus Massivholz eingelassen. Hier konnte ich die Tasche vorgängig fräsen und den Griff perfekt einpassen. Nach dem Aufbringen der Folie habe ich die Öffnung mit dem Cuttermesser vorsichtig wieder herausgeschnitten. Bei einer beschichteten oder belegten Platte wäre das Detail handwerklich um ein Vielfaches schwieriger umzusetzen gewesen, und bei einer Melaminharzoberfläche bestünde zudem die Gefahr von Rissen in den Ecken der Tasche.

Der Klebefolie auf den Leim gegangen

Möbelfolien werden Massivholz als meinen liebsten Werkstoff keinesfalls ablösen. Aber ich muss gestehen, dass ich bei diesem Projekt durchaus Gefallen gefunden habe an der Arbeit mit dem Material. Für meine jetzige Werkstatteinrichtung bietet sich die einfache Verarbeitung geradezu an, und solange in meinem Lager ein Stapel der bakelisierten Sperrholzplatten liegt, habe ich wohl nicht das letzte Mal mit einer Möbelfolie gearbeitet.

Verwendete Möbelfolie

 

Anbieter

Resimdo GmbH

Masse

1220 mm Rollenbreite

Länge frei wählbar in 100-mm-Schritten

Stärke

210 µm ≅ 0,21 mm

Einsatzgebiet

Innen, für Nassräume geeignet

Material

PVC (frei von Schwermetallen,
Weichmachern und Formaldehyd)

Eigenschaften

• Selbstklebend

• Wiederablösbar

• Verformbar

• Hitzebeständig bis 110 °C

• Antibakterielle Oberfläche

Farbe

Balm Rosé

Farbauswahl

• 13 weitere Farben in der Dekorfamilie «Balm»

• Insgesamt rund 290 verschiedene Dekore in 8 Dekorfamilien

Mindestbestellmenge

0,2 Laufmeter

Preis/m2 inkl. MwSt.

CHF 20.41

Website

www.resimdo.ch

Sven Bürki

Veröffentlichung: 08. Mai 2025 / Ausgabe 19/2025

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