Holzschutz ohne Gift?


Zwischen den Eisenist das Holz teilweise zehn Millimeter abgewittert. Das alte Holz der Kirchentür an der Mosel hält, auch mit besonderer Patina. Bild: Christian Härtel
Zwischen den Eisenist das Holz teilweise zehn Millimeter abgewittert. Das alte Holz der Kirchentür an der Mosel hält, auch mit besonderer Patina. Bild: Christian Härtel
Biozidfreie Beschichtung. Lange galt «Viel hilft viel», doch inzwischen weiss man es besser. Um Holz zu schützen, braucht es keine Biozide, sondern Schutz vor Durchfeuchtung. Genau da liegt der Hund begraben: Keine Beschichtung schützt dauerhaft, ob mit oder ohne Gift.
Beim Holzschutz geht es um nichts weniger als um einen Paradigmenwechsel. Holz vor dem Dahingehen zu schützen, war lange Zeit ohne den Auftrag von Gift kaum vorstellbar. Das hat zu grossflächigem Einsatz von Bioziden in Lasuren, Lacken und Grundierungen geführt, und zwar auch dort, wo es gar nicht nötig gewesen wäre. Das scheint sich zu ändern.
Biozidreduzierte Imprägnierungen oder solche, die ganz auf toxische Zusätze verzichten, sind nicht mehr exotisch, sondern erprobt – und siehe da, sie haben sich bewährt. «Wir haben viele Kunden, die biozidfrei arbeiten. Wir kennen in der Schweiz auch keine Vorgaben, dass man mit Bioziden arbeiten muss», erklärt Victor Souto, Geschäftsführer der Remmers AG in Baar ZG. Nicht ohne Stolz hält er ein aktuelles Prüfzeugnis des Entwicklungs- und Prüflabors Holztechnologie in Dresden (D) hoch: Nach zwölf Monaten der Freibewitterung einer biozidfreien Oberflächenbeschichtung sind weder Veränderungen durch Pilze und Algen, noch Risse, Abplatzungen oder Blasen entstanden. Der Test läuft weiter. Die Wissenschaftler schauen bei dem Beschichtungssystem von Remmers mit Imprägnierung, Grundierung, Zwischenbeschichtung und Decklack aus der Serie Induline genau hin.
Das Thema steckt noch in den Kinderschuhen. Bislang haben nur wenige Hersteller von Lacken und Farben biozidfreie Produkte im Portfolio. Bei der Bosshard-Farben AG im Rümlang ZH befindet man sich in der Testphase mit biozidfreien Formulierungen. Die Wege unterscheiden sich, doch das Ziel, das Holz vor Feuchtigkeit zu schützen, ist aber immer gleich.
Damit das Holz trocken bleibt, ist die Unversehrtheit der Oberfläche wichtig. Das gilt für jede Beschichtung, denn nur so kann sie ihre Wirksamkeit ausspielen. Eine fehlerhafte Beschichtung, etwa durch eine mechanische Beschädigung, führt zu einer Feuchteaufnahme des Holzes. Bakterien und Pilzen stehen dann Tür und Tor offen. Dabei ist es unerheblich, ob Biozide zum Einsatz kommen oder nicht. Nur eine intakte Beschichtung bietet Schutz, sofern sie prinzipiell geeignet ist.
«Der Schutz durch eine Beschichtung ist immer ein temporärer Schutz.»
Victor Souto, Geschäftsführer Remmers AG, Baar ZG
Inzwischen hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass es sich bei der Oberflächenbehandlung von Holz generell um nicht filmbildende Präparate handeln sollte. Bindemittel sollen sich auf der Oberfläche nicht zu einer diffusionshemmenden Schicht ausbilden. Denn sonst kann einmal eingedrungene Feuchtigkeit, etwa durch einen kleinen Schaden oder eine fehlerhafte Stelle, nicht entweichen und führt unweigerlich zur Fäulnis des Holzes darunter, weil es feucht bleibt. Es geht also noch mehr um Diffusionsoffenheit denn um Filmbildung, auch wenn die Parameter meist in Zusammenhang zueinander stehen. Auf der anderen Seite sprechen Oberflächenexperten wie Souto erst von Beschichtungen für masshaltige Bauteile, wenn die Schichtstärke mindestens 60 Mikrometer (µm) aufweist. Eine solche Schichtstärke kann durchaus als Film, sprich als fühlbare Schicht gleich einer dünnen Folie gesehen werden.
Es steckt also etwas Reibungspotenzial in den Begrifflichkeiten und ihrer Anwendung. Beschichtung ja, Filmbildung nein –das geht nicht unbedingt zusammen. Es scheint so, als ob sich die Fachleute nicht ganz einig sind. Zumal auch von «schwach filmbildend» gesprochen wird. Auch Begriffe wie «offenporig» und «diffusionsoffen» tauchen oft auf, kaum jemand weiss aber genau, was dahinter steckt. Manche Begriffe sind genau definiert, andere werden von den Akteuren unterschiedlich interpretiert.
«Um Holz farblich zu verändern und es vor Vergrauen zu schützen, können biozidfreie Mittel verwendet werden.»
Bundesamt für umwelt (Bafu)
Einen Pflock haben die Autorinnen und Autoren der deutschen Holzschutznorm DIN 68800-1 eingeschlagen, indem sie formuliert haben: «Bei nicht ausreichender Instandhaltung kann sich die Schutzfunktion von Beschichtungen umkehren.» Das beschreibt nichts anderes als die reichliche Erfahrung, dass ein Schutz nur so gut ist wie seine Pflege.
Eine Oberflächenbehandlung wird von vielen aus ästhetischen Beweggründen heraus gewünscht. Die gute Nachricht dabei lautet: Dem kann grundsätzlich entsprochen werden, ohne giftige Biozide auf das Holz aufzutragen und so das Risiko einzugehen, dass diese in die Umwelt gelangen.
Für das Erreichen eines Schutzes von Holz im Bauwesen muss man die Feuchtigkeit vom Holz fernhalten. Dazu stattet man Beschichtungen mit sogenannten hydrophoben Eigenschaften aus. Fette und Öle vertragen sich bekanntlich nicht mit Wasser. Wo Öl ist, kann kein Wasser hin. Nach diesem Prinzip funktioniert die Schutzfunktion von Leinöl und inzwischen auch moderne Beschichtungssysteme. Eine geölte Fläche ist wasserabweisend, aber sie geht relativ schnell dahin, wenn sie immer wieder mit Wasser in Berührung kommt. Der Schutz der geölten Oberfläche ist nicht dauerhaft genug. «Die Verwendung von Öl ist deshalb bei masshaltigen Bauteilen wie dem Fenster keine empfehlenswerte Variante», sagt Souto. Aber bei den grundsätzlichen Eigenschaften von Öl setzen die Hersteller von Lack, Lasuren und Co. inzwischen durchaus an.
Der Schlüssel für den Holzschutz liegt bei den auf Dauer wasserabweisenden Eigenschaften. Schon deshalb macht der Einsatz der Biozide oft keinen Sinn. Sie schützen das Holz nicht vor Durchfeuchtung; oft werden sie sogar ausgewaschen, etwa beim Einsatz auf Terrassendielen. Sie sollen lediglich vor den Folgen der wiederkehrenden Durchfeuchtung schützen – ein Wettstreit, den Anwender letztlich immer verlieren. Viele Produzenten von Holzfenstern verzichten längst auf den Einsatz von Bioziden und setzen allein auf die Hydrophobierung der Hölzer.
«Trockenes Holz ist ein Baustoff für die Ewigkeit.»
André Schaller, Entwicklung und Produktion, Bosshard-Farben AG, Rümlang ZH
Eine solche Beschichtung muss erneuert werden, genauso wie jede andere auch. Um in einem konkreten Fall einen ausreichenden Schutz gewährleisten zu können, teilt die Fachwelt den Holzeinsatz im Bauwesen in verschiedene Gebrauchsklassen ein. Von Klasse eins, wie Holz im Innenraum ohne Schutzbedarf, bis zur Klasse vier, in der Holz mit Wasser- oder Erdkontakt steht, reicht dabei die Spannweite. Das ist hilfreich, weil neben dem chemischen Holzschutz auch andere Aspekte wie der konstruktive oder natürliche Holzschutz dabei eine Rolle spielen.
Holz, das im Aussenbereich eingesetzt und mit Holzschutzmitteln lasiert wird, weist oft ein Schadbild auf, dem man sich bei Bosshard-Farben in Rümlang ZH angenommen hat: den Wespenfrass. Die Tierchen schaben gerne Zellulosefasern von Holzoberflächen für den Nestbau ab. Dabei stört sie oft auch keine Lasur, solange sie das Material Holz als solches erkennen. «Beschichtungen, die sehr geringe Trockenschichten ergeben, können von Wespen als Baumaterial betrachtet werden. Auch schichtbildende Systeme werden mit fortgeschrittenem Verwitterungszustand angegriffen», hält die Bosshard-Farben AG in einer technischen Information schriftlich fest. Dazu hat man auch eigene Versuche gemacht und die Frassschäden dokumentiert. Das Ergebnis: «Ein Frass kann durch konsequente Pflege und Unterhalt hinausgezögert werden.» Und: Der Wespenfrass lässt sich auch an wirkstoffhaltigen, sprich biozidhaltigen Beschichtungen beobachten. Völlig unerforscht sind die Folgen, wenn Wespen die Gifte über das Holz aufnehmen, auch auf den Menschen und seine allergische Reaktionen, wenn ein Stich durch eine Wespe erfolgt.
Bei Bosshard-Farben will man mit den neuen biozidfreien Beschichtungen auch das Phänomen des Wespenfrasses in den Griff bekommen. «Die Versuche mit den hydrophobierenden Lasuren zeigen, dass Wespen das Holz dann nicht mehr annehmen», erklärt Schaller.
Neben biozidfreien Hydrophobierungen geht es Lackproduzenten wie Remmers generell um mehr Nachhaltigkeit. «Wenn man etwa mit einer Lasur aus natürlichen Rohstoffen ohne Biozide beschichtet, hat man ein ziemlich ökologisches Fenster», zeigt sich Souto überzeugt.
Allerdings löse dies alles noch nicht das Problem mit dem Titanoxid. Dabei handelt es sich um ein weisses Farbpigment, das in mannigfaltigen verschiedenen Anwendungen verwendet wird. Unter anderem auch in weissen Lasuren und Lacken. Es dient als Farbstoff, Lichtschutzfilter und Weisspigment. Titandioxid wird aufgrund seiner potenziellen gesundheitlichen Risiken, insbesondere der Genotoxizität und der Bildung von Nanopartikeln, in der Fachwelt kritisch diskutiert. «Bislang hat man hier allerdings wenig Möglichkeiten, Titanoxid zu ersetzen», erklärt Souto.
Vor fast 25 Jahren erschien ein Fachbuch mit dem Titel «Holzschutz ohne Gift?», das in Fachkreisen nicht gerade ein Bestseller wurde. Damals wurden Überlegungen, auf giftige Inhaltsstoffe in Holzschutzpräparaten zu verzichten, von den meisten als Spinnerei angesehen. Heute kann man die Frage einfach beantworten: Ja, Holzschutz ohne Gift ist möglich.
www.remmers-ag.chwww.bosshard-farben.ch
Bei der Hydrophobierung behandelt man Holz oder andere Werkstoffe, um sie wasserabweisend zu machen und die kapillare Wasseraufnahme zu reduzieren, indem die adhäsiven Kräfte zwischen Porenwandung und Wasser verringert wird. Wenn Holz kein Wasser aufnehmen kann und die Holzfeuchte so relativ stabil bleibt, finden Schadorganismen, vor allem Pilze, keinen Nährboden im Holz. Die Fähigkeit des Holzes, Wasserdampf nach aussen abzugeben, bleibt trotz Hydrophobierung bestehen.
Holzschutzmittel gehören zu den Biozidprodukten. Sie sollen das Holz chemisch schützen, indem sie einen oder mehrere biozide Wirkstoffe enthalten, mit denen Organismen abgeschreckt, unschädlich gemacht oder abgetötet werden. Sie sind potenziell gefährlich für Mensch, Tier und Umwelt. Biozidfreie Präparate sind mit den Begriffen «biozidfrei» oder «schadstoffarm» gekennzeichnet.
Veröffentlichung: 08. Mai 2025 / Ausgabe 19/2025
Sven Bürki macht den Test. Wenn es um die Materialwahl geht, schlägt das Schreinerherz von Fachredaktor Sven Bürki stark für Massivholz. MDF- oder Spanplatten sind in seiner privaten Werkstatt kaum zu finden. Wenn es doch einmal ein Plattenwerkstoff sein soll, ist Sperrholz die erste Wahl. So auch beim letzten Projekt des Möbelschreiner-Weltmeisters von 2017. Für das Finish der Oberfläche hat er sich an ein für den Schreiner unübliches Material herangewagt – eine selbstklebende Möbelfolie.
mehrMöbelfolien. Der Begriff «Möbelfolie» wird zuweilen für unterschiedliche Produkte verwendet. Und auch wenn der finale Einsatzort meist die Fläche eines Möbels ist, gibt es doch wesentliche Unterschiede in der Herstellung und Verarbeitung.
mehrPaidPost. Beim traditionsreichen Unternehmen Gross Fenster + Türen GmbH in Salzweg bei Passau (D) hat Range + Heine aus Winnenden (D) kürzlich die horizontale Flutanlage für die Grund- und Zwischenbeschichtung von Holzteilen modernisiert und erweitert.
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