Präzise kontrollierte Beschichtungsnebel

Mit geringem Druck und optimiertem Sprühstrahl bietet die Sata-Pistole eine hohe Material-Übertragung. Bild: Sata

Spritzverfahren.  Wenn Lacktröpfchen mit hoher Geschwindigkeit durch den Raum rasen, brauchen sie einen guten Luftleitstrahl, um sicher am Ziel zu landen. Heutige Spritzverfahren müssen hohe Anforderungen erfüllen und Spitzenqualitäten ermöglichen.

Heute ist kaum noch vorstellbar, dass früher auch im industriellen Möbelbau viel Zeit und Handarbeit für die Lackierung aufgewendet werden mussten. Lange wurden Lacke auch noch in Schweizer Möbelfabriken mit Pinsel und Mattierungsballen aufgetragen. Ein grosser Vorteil lag darin, dass es kaum Verluste gab und fast der ganze Lack aufgebracht werden konnte. Nachteilig war die enorm lange Zeit, die eine perfekte Oberfläche benötigte. Beim Mattieren wurde mit einem Stoffballen und kreisenden Polierbewegungen mehrfach Lack auf die Holzoberfläche aufgetragen. So benötigten beispielsweise zwei Oberflächenspezialisten für das Mattieren eines Schlafzimmers, bestehend aus einem Doppelbett, zwei Nachttischen, einer Wäschekommode sowie einem Schrank, rund eine Arbeitswoche – wie aus den Firmenunterlagen einer Schweizer Möbelfabrik hervorgeht.

Spritzen ist nicht gleich spritzen

Mit der Verbreitung von Spritzgeräten mit Zerstäubungsdüsen kam endlich Tempo in den Oberflächenbereich der Produktionen. Lackspritzpistolen kennt heute jede Person, die in der Schweiz eine Schreinerlehre gemacht hat. Welche Geräte welche Eigenschaften haben und welche Möglichkeiten sie erlauben, dürfte jedoch nicht so allgemein bekannt sein. Unterschieden werden heute vor allem drei Spritzverfahren, wobei, je nach Gerätehersteller, auch Zwischenstufen vorkommen. Es gibt das Hochdruck-, das Niederdruck- und das Höchstdruck-Verfahren. Und alle kämpfen mit dem gleichen Phänomen: Wenn die Lacksprühtröpfchen auf die Werkstückfläche auftreffen, prallen einige wieder ab. Das und alles, was erst gar nicht beim Spritzen auf dem Ziel auftrifft, gilt als Overspray, der dann in der Raumluft ist.

Der Verlust ist theoretisch limitiert

Diese flüchtigen organischen Verbindungen sind in der VOC-Richtlinie 2010/75/EU reglementiert (VOC = Volatile Organic Compounds). Darin wird von den Spritzgeräteherstellern eine mögliche Übertragungs- rate von mindestens 65 % gefordert. Das bedeutet, dass von 100 g gespritztem Lack 65 g auf der Zielfläche bleiben müssen.

Ausser Konkurrenz als Pulverbeschichtung ist die Spritzmethode mit elektrostatischer Unterstützung bekannt, wobei sich geladene Lackpulverteilchen mit verschiedenen Spritzgeräten spritzen lassen und dann von speziell geerdeten Werkstückflächen angezogen werden – das wären dann 100 %.

Basisfunktion einer Spritzpistole

Bei Fliessbecherpistolen im Hochdruckbereich sieht man Grundlegendes, was bei allen Spritzgeräten vorkommt. Sie haben den Materialbecher über dem Pistolengriff. Der Lack fliesst daraus mittels Schwerkraft in die Pistole, wird dort von Pressluft erfasst und durch ein Düsenloch gepresst. Die Innenform des Sprühkopfes um dieses runde Düsenloch herum ergibt, dass der Lack in der Form eines sehr gebündelten Sprühkegels austritt. Der Düsendurchmesser muss entsprechend der Lackviskosität gewählt werden. Mit der Distanz der konischen Spitze einer Dosiernadel zum Düsenloch wird die Lackmenge, die dort durchkommen kann, eingestellt. Über zwei zusätzliche Kanäle strömt zudem Luft durch zwei Luftdüsen, die wie Hörner, gegenüber voneinander, neben dem Düsenloch liegen. Die ausströmende Luft formt den Sprühkegel des Lackes. Je nach Einstellung wirkt diese Luft mehr oder weniger stark auf den Sprühkegel ein. So kann dieser vom Rundstrahl zu einem ellipsenförmigen Flachstrahl verformt werden. Damit wird die Auftragsmenge beim Bewegen der Spritzpistole in die erforderlichen Richtungen besser kontrollierbar. An der Pistole wird also mit einer Einstellschraube die Luftmenge für die Form des Sprühstrahls eingestellt und mit einer weiteren Schraube die Dosiernadel verstellt und somit die austretende Lackmenge bestimmt.

Lack, der aufsteigen muss

Eine Saugbecherpistole hat den Materialbecher mit dem Lack unter der Spritzpistole. Vom Sprühkopf bis knapp über den Becherboden gibt es ein Steigrohr. Durch die Druckluft von oben in den Becher wird der Lack über das Steigrohr in den Sprühkopf gedrückt.

Die beiden Systeme gelten als Hochdruck-Verfahren und benötigen laut den Angaben des Spritzgeräteherstellers J. Wagner AG, mit Sitz in Altstätten SG, einen Zerstäuberluftdruck von 3 bis 8 bar. Beim Spritzpistolenhersteller Sata, dessen Produkte durch die Jasa AG in Spreitenbach AG vertrieben werden, liegt der Maximaldruck sogar bei 10 bar. Bei Lackierarbeiten vom Schreiner wird der Kompressordruck mit diesen Pistolen meistens bei rund 4 bar liegen.

Eine Niederdruck-Spritzpistole

Was weniger schnell und in einem möglichst steilen Winkel auftrifft, hat bessere Landechancen. Sata hat zu diesem Zweck den Sprühstrahl ihrer Lackierpistolen optimiert und bietet eine Fliessbecherpistole an, die als RP-Pistole (RP = Reduced Pressure) mit 1,8 bar Luftdüseninnendruck arbeitet und eine Übertragungsrate von mehr als 65 % hat. Noch höher kommt die der HVLP-Pistole (HVLP = High Volume Low Pressure), die bei gleichen 2 bar Kompressordruck mit gerade einmal 0,7 bar Luftdüseninnendruck arbeitet. Dieses Gerät gehört schon zum Niederdruck-Verfahren, welches laut der Firma Wagner mit einem Zerstäuberluftdruck von 0,2 bis maximal 0,7 bar arbeitet.

Niederdruck-Gerät für unterwegs

Wagner hat seine Technologie für Niederdruckgeräte weiterentwickelt und bietet XVLP-Geräte an (XVLP = Extra Volume Low Pressure). Diese zeichnen sich durch ihr hohes Luftvolumen bei geringem Druck aus. Ein Turbogebläse erzeugt über einen Luftschlauch Druck im Farbbehälter der Spritzpistole. Hierdurch wird der Lack über das Steigrohr zur Düse gefördert und mit der restlichen Luft zerstäubt, sodass der Druck beim Verlassen der Luftdüse erheblich reduziert wird. Daraus ergibt sich einerseits eine feine Zerstäubung auch für hohe Ansprüche an eine Lackierung, andererseits werden durch den geringen Druck der Farbnebelrückprall und ein Abströmen der Materialpartikel erheblich reduziert.

Ein Höchstdruck-Verfahren

Statt mit wenig Druck und Luft Lack aufzutragen, befasst sich das Höchstdruck-Verfahren damit, den reinen Lack ohne Luft durch eine Spritzpistole und deren spezielle Düse zu pressen. Bei dieser Airless-Zerstäubung (luftlos) wird das Material mittels einer elektrisch oder pneumatisch betriebenen Pumpe über einen Druckschlauch zur Pistole befördert und zerstäubt. Um dennoch einen geeigneten Flachstrahl für die Beschichtungsarbeit zu erhalten, ist die Düse linsenförmig. Nach Angaben der Firma Wagner wird dabei mit einem Druck von 200 bis 250 bar gearbeitet. Es soll aber möglich sein, den Materialdruck bis zu 530 bar zu regeln.

Der Luftmantel leitet den Spritzstrahl

Abprallende Lacktröpfchen können beim Airless-Spritzen das Resultat beeinträchtigen, weshalb beim AirCcoat-Verfahren (auch AirMix) der Airless-Spritzstrahl mit einem separaten Luftmantel (AirCoat) umhüllt wird. Der niedrige Luftverbrauch und der weiche Spritzstrahl ermöglichen ein optimales Spritzbild und einen präzisen Lackauftrag bei vermindertem Lacknebel.

Wer jetzt noch ganzjährig sein Beschichtungsmaterial mit der optimalen Verarbeitungstemperatur auftragen möchte, kann den Materialschlauch durch einen Heizschlauch ersetzen. Das Tempspray-System von Wagner setzt darauf, dass die Viskosität des Lackes auch über dessen Temperatur geregelt werden kann und somit weniger Verdünner notwendig ist.

AirCoat-Geräte müssen bezüglich ihrer Flexibilität bei Auftragsmengen und Farbwechsel nicht hinter Becherpistolen anstehen. Die Uwe Marx Oberflächentechnik GmbH aus dem deutschen Norderstedt bietet mit dem M1 Premium ein Spritzgerät an, welches über verschiedene Adapter eine Vielzahl von Bechersystemen – sogar mit Schnellwechselkupplungen – erlaubt.

www.wagner-group.comwww.jasa-ag.chwww.marx-spritzgeraete.de

Andreas Brinkmann

Veröffentlichung: 08. Februar 2024 / Ausgabe 6/2024

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