Böses Erwachen nach dem Dämmen

Bild: Corak AG

Pilzwachstum.  Die Innenwärmedämmung kann eine Lösung sein, um Schimmelpilz vorzubeugen. Doch Planung und Montage solcher Systeme sind sehr anspruchsvoll, weil viele bauphysikalische Aspekte beachtet werden müssen. Ein wichtiger Punkt ist dabei die Dampfdiffusion.

In Ingenieurbüros haben die Anfragen wegen Schimmelpilzen in Innenräumen stark zugenommen. Dieser Trend hat unterschiedliche Ursachen. Einerseits reagieren die Hausbewohner sensibler auf die Schimmelproblematik und melden sich auch schon bei kleinerem Vorkommen. Anderseits verbessern sich durch die Gebäudehüllen, die aus energetischen Gründen immer dichter gebaut sind, die Bedingungen für Schimmelpilzwachstum.

Die verschärfte Schimmelpilzproblematik hat verschiedene Institutionen und Baufachleute auf den Plan gerufen. So hat das Bundesamt für Gesundheit in Zusammenarbeit mit dem Mieterverband, dem Hauseigentümerverband und dem Schweizerischen Verband der Immobilienwirtschaft eine Broschüre herausgegeben, die zeigt, wie mit Schimmel in Innenräumen umzugehen ist. Als Fazit gilt, dass Schimmel immer unerwünscht ist und entfernt werden sollte, sei es bei kleinen Flächen durch die Bewohner oder bei grösseren Flächen durch ein Fachunternehmen.

Um zu verstehen, wie sich Schimmelbefall in Räumen entwickeln kann, muss man die Biologie von Pilzen kennen. Sie verbreiten sich über grössere Distanzen mittels sogenannter Sporen, einer Art Samen. Diese sind wenige Mikrometer gross und werden von den Pilzen in die Luft abgegeben.

Feucht-warmes Klima fördert Pilze

Die Menge der Sporen, die in der Luft enthalten ist, schwankt im Jahresverlauf. So können an einem feuchten, warmen Sommertag mehrere tausend Sporen in einem Kubikmeter Luft nachgewiesen werden. An einem kalten Wintertag hingegen sind vielleicht nicht einmal 100 Sporen pro m3 Luft vorhanden. Wichtig ist zu wissen, dass Schimmelpilzsporen immer in der Luft vorkommen, bei geeigneten Wachstumsbedingungen auskeimen und zu einem Schimmelpilzbefall führen können.

Günstige Wachstumsbedingungen für die Schimmelpilze und damit für die Sporenproduktion bestehen dann, wenn drei Bedingungen erfüllt sind:

  • eine genügend hohe Oberflächen- oder Luftfeuchtigkeit;
  • Wärme;
  • ein ausreichendes Nahrungsangebot.

Zudem können sich weitere Kriterien wie zum Beispiel der pH-Wert eines Materials auf das Schimmelpilzwachstum auswirken. Dies wird von Baustoffherstellern berücksichtigt, es werden möglichst schimmelresistente Baustoffe entwickelt.

Fast alle Oberflächen in einem Gebäude bieten ein ausreichendes Nahrungsangebot, auch solche, von denen man es nicht erwarten würde, wie beispielsweise Kunststoffe. Falls eine Oberfläche aus einem Stoff besteht, der nicht als Nahrung für Schimmelpilze taugt, dann reicht meist der Staub, der daran anhaftet, als Nährstoffquelle. Die Temperatur bestimmt die Wachstumsgeschwindigkeit der Schimmelpilze. Viele wachsen gut bei Raumtemperatur. Sie können sich aber auch bei niedrigeren Temperaturen breitmachen. Als Beispiel sei an das verschimmelte Joghurt erinnert, das im Kühlschrank bei vier Grad Celcius aufbewahrt wird. Es dauert einfach relativ lange, bis genug Schimmelpilz gewachsen ist, sodass er auf dem Joghurt sichtbar wird.

Nur beste Verhältnisse sind gut genug

Der wichtigste, weil am einfachsten beeinflussbare Faktor für das Schimmelpilzwachstum ist die Feuchtigkeit, sei es die Baustoff-, Oberflächen- oder Luftfeuchtigkeit. Um auszukeimen und zu wachsen, benötigen Schimmelpilze Wasser.

Die Wasserverfügbarkeit wird als sogenannter aw-Wert angegeben. Die meisten Schimmelpilze brauchen für das Wachstum einen aw-Wert von 0,7 bis 0,95. Dies ist gleichbedeutend mit einer relativen Luftfeuchtigkeit unmittelbar vor der Oberfläche von 70 bis 95 %. Auch wenn die Feuchtigkeit als Luftfeuchtigkeit eingebracht wird, etwa bei einem Wasserschaden, ist für das Schimmelwachstum entscheidend, dass auch Oberflächen und Baustoffe genügend verfügbares Wasser aufweisen.

Für praktische Zwecke ist es nützlich zu wissen, dass Schimmelpilze nur genau dort wachsen, wo alle genannten Bedingungen erfüllt sind. Unmittelbar daneben, wo sie gerade nicht mehr erfüllt sind, kommt hingegen kein Schimmelpilz vor.

Zum Verhindern von Schimmelpilzwachstum genügt es, das verfügbare Wasser auf gefährdeten Oberflächen oder in Materialien zu reduzieren, sodass es den Schimmelpilzen nicht mehr zur Verfügung steht. Bauphysikalisch kann das Wasser grundsätzlich auf zwei Arten reduziert werden:

  • Es kann gebunden (absorbiert) werden, sodass es für das Schimmelpilzwachstum nicht mehr zur Verfügung steht.
  • Die Oberflächentemperatur kann erhöht werden, sodass sich die feuchte Luft nicht genügend abkühlen kann. Damit wird erreicht, dass die relative Luft- feuchtigkeit direkt vor der Oberfläche nicht mehr auf kritische Werte steigt.

Von einigen Herstellern werden zudem Baustoffe angeboten, die auf der Kombination beider Systeme beruhen.

Knackpunkt ist die Kondensation

Warme Luft kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen als kühle. Daher kann mit einer Erhöhung der Innentemperaturen von Aussenwänden die relative Luftfeuchtigkeit punktuell reduziert und somit Schimmelpilzwachstum verhindert werden. Mit einer Wärmedämmung an der Aussen- oder Innenseite wird die Temperatur an der Innenoberfläche erhöht. Jedoch ist der Tempe- raturverlauf im Wandquerschnitt je nach System sehr unterschiedlich.

Bei der Aussendämmung wird die Temperatur des innenliegenden, gesamten Mauerwerks fast auf Raumtemperatur gebracht. Dies hat den Vorteil, dass auch bei der Verwendung von luftdurchlässigen Dämmmaterialien die Luftfeuchtigkeit im Mauerwerk nie in den kritischen Bereich kommt, bei dem Schimmel entstehen könnte.

Bei der Innendämmung ist das ganze Mauerwerk kalt, und die Temperatur der ehemaligen Rauminnenwand liegt nur wenige Grade über der Aussentemperatur. Wenn sich in diesem System warme, feuchte Raumluft in der Wärmedämmung abkühlen kann, entsteht genug Feuchtigkeit, die Schimmelpilze nutzen können.

Um dies zu verhindern, müssen Massnahmen gegen das frei verfügbare Wasser getroffen werden, und zwar für jeden Punkt, wo Schimmelpilze wachsen könnten oder Kondenswasser entsteht. Daher sind Planung und Montage einer Innenwärmedämmung äusserst anspruchsvoll.

Dampfsperre muss perfekt montiert sein

Eine mögliche Massnahme gegen Feuchtigkeit in der Wand ist, die feuchte Luft aus dem Rauminnern gar nicht erst in die Innenwärmedämmung eindringen zu lassen. Dies wird mit dem Anbringen einer Sperrschicht (Dampfbremse) auf der Rauminnenseite der Wärmedämmung oder durch die Verwendung von dampfdichten oder -bremsenden Wärmedämmmaterialien erreicht wie zum Beispiel Schaumglas beziehungsweise extrudiertes Polystyrol (XPS).

Bei der Planung und Montage von solchen Innenwärmedämmungen sind diverse Fakten zu berücksichtigen. Mit Vorteil werden Dämmmaterialen mit sehr guten Werten verbaut, um den Raumverlust auf ein Minimum zu beschränken. Die Dampfdichtigkeit der gesamten Konstruktion sollte von innen nach aussen abnehmen. So wird gewährleistet, dass die Konstruktion gegen aussen austrocknen kann, denn mit der Sperrschicht ist das Austrocknen gegen innen nicht mehr möglich. Die Sperrschicht beziehungsweise die Dämmmaterialien müssen perfekt dampfdicht montiert werden, sodass keine Feuchtigkeit durch undichte Stellen in die Konstruktion entweichen und Schaden anrichten kann.

Ausserdem ist zu beachten, dass die Sperrschicht weder beim Montieren noch später durch die Bewohner des Gebäudes beschädigt wird. Wärmedämmmaterialien, die selber schon dampfdicht sind, sind weniger empfindlich auf Beschädigungen.

Aufgepasst beim Anschluss an Holz

Beim nachträglichen Anbringen von dampfdichten Innenwärmedämmungen können die baulichen Details eine vernünftige Montage verunmöglichen. Wenn die Sperre zum Beispiel an einen Holzsparren angeschlossen werden sollte, wird die feuchte Luft unter Umständen in den Balken selbst hineingeleitet, und das Holz wird durch das anfallende Kondenswasser innerhalb kurzer Zeit zerstört (siehe Bild auf Seite 15). Dampfdichte Innenwärmedämmungen sind dann sinnvoll, wenn die Energieersparnis im Vordergrund steht und eine Aussendämmung nicht möglich ist. Die technische Machbarkeit muss vorgängig auf jeden Fall überprüft werden.

Das Wasser wird temporär gebunden

Es gibt noch eine andere Methode, um der Feuchtigkeit in der Innenwärmedämmung Herr zu werden: Sie wird gebunden. Dafür kommen kapillaraktive Materialien zum Einsatz. Sie bestehen oft aus mineralischen Substanzen, aber auch aus verarbeiteten Holzfasern oder reiner Zellulose. Solche Systeme erfordern keine Sperre, eine Trennschicht wäre sogar kontraproduktiv.

Rein wasserabsorbierende Systeme haben selbst eine vernachlässigbare wärmedämmende Wirkung. Sie beruhen darauf, dass sie Kondenswasser vorübergehend binden und dieses dem Pilz nicht zur Verfügung steht. Ein traditionelles Material ist hier Sumpfkalk. Neuere Materialien nutzen beispielsweise Kalziumsilikat als wasserbindenden Stoff. Das absorbierende Material ist kapillaraktiv und steht im Gleichgewicht mit der Luftfeuchtigkeit. Das heisst, es bindet Wasser bei hohen Feuchtigkeiten und gibt sie bei niedrigen wieder ab.

Dünn aufgetragene Materialen geben die Feuchtigkeit schneller wieder ab und sind daher schneller wieder im Gleichgewicht mit der Raumluftfeuchtigkeit. Sie können aber weniger Feuchtigkeit speichern.

Die Feuchtigkeit macht Platten schwer

Dickere Produkte wie Kalziumsilikatplatten speichern zwar mehr Feuchtigkeit, sie geben diese aber auch langsamer wieder ab. Dies kann dazu führen, dass die Platten durch die Einlagerung so schwer werden, dass sie sich von Wand oder Decke lösen. Es ist daher darauf zu achten, dass speziell die dickeren, wasserspeichernden Materialien genügend Zeit haben, damit sie bei niedriger Luftfeuchtigkeit das gebundene Wasser an die Luft zurückgeben können. Damit die Feuchtigkeit in die Luft gelangen kann, muss trockenere Luft in den Raum geführt werden. Absorbierende Materialien werden also durch Lüften entleert.

Staub reicht als Nahrungsquelle

Wenn nicht gelüftet wird, nehmen die wasserabsorbierenden Materialien bis zur Kapazitätsgrenze Feuchtigkeit auf. Das darüber hinaus anfallende Wasser steht wiederum für Pilzwachstum zur Verfügung. So entsteht Schimmel, auch wenn die Materialien selbst aus schimmelhemmenden Stoffen bestehen. Der Staub, der sich auf der Wand ablagert, dient als Nahrungsquelle.

Damit der Feuchtigkeitsaustausch stattfinden kann, dürfen nur stark dampfoffene Beschichtungen über den absorbierenden Materialien angebracht werden. Zudem sollte zwischen der wasserabsorbierenden Schicht und der bestehenden Konstruktion keine Dampfbremse liegen, sodass eine Diffusion in alle Richtungen möglich ist.

Feuchtigkeitspuffernde Systeme sind sinnvoll, wenn wenig Platz zur Verfügung steht und energetische Überlegungen keine Rolle spielen. Dickere wasserabsorbierende Systeme haben zwar eine gewisse wärmedämmende Wirkung. Die Wärmedämmeigenschaft ist jedoch nicht so gut wie bei Materialien, die üblicherweise für dampfdichte Innenwärmedämmungen verwendet werden. Die Folge davon: Für eine gleichwertige Dämmwirkung müssen grössere Dicken verbaut werden. Die Materialien werden aber laufend verbessert.

Die wasserabsorbierende Wärmedämmung darf nicht mit feuchter Innenluft hinterströmt werden, da sonst hinter der Dämmung wieder genug Feuchtigkeit vorhanden sein kann, um Schimmelpilzwachstum zu ermöglichen. Zudem ist ähnlich wie bei den dampfdichten Wärmedämmungen zu beachten, dass bauliche Details wie ein Balken, der die Wärmedämmung durchdringt, die Montage von wasserabsorbierenden Wärmedämmungen komplett verunmöglichen kann. Dem Teil des Balkens, der hinter der Wärmedämmung und daher im kalten Teil der Konstruktion liegt, könnte so viel Feuchtigkeit aus der warmen Raumluft zugeführt werden, dass er durch Kondenswasserbildung zerstört wird.

Feuchtigkeit im Griff, Schimmel im Griff

Um Schimmelpilzbefall in Innenräumen zu verhindern, gibt es verschiedene Strategien und unzählige Produkte. Etwas ist aber allen Herangehensweisen an die Schimmelpilzproblematik gemeinsam: Wenn man die Feuchtigkeit im Griff hat, hat man keine Probleme mit Schimmelpilz.

Man muss sich indes bewusst sein, dass mit der Wahl eines ungeeigneten Dämmsystems gravierende Schäden verursacht werden können, die kostenintensive Instandstellungen nach sich ziehen.

Aus diesem Grund empfiehlt es sich, für Wärmedämmungen und Innenwärmedämmungen im Speziellen immer einen Fachplaner beizuziehen, der die bauphysikalischen Konsequenzen von Veränderungen an der Gebäudehülle berechnen kann und auch die kleinen, nicht zu vernachlässigenden baulichen Stolpersteine erkennt.

Fachleute und Verbände

Breite Front gegen Schimmelpilze

Daniel Mayer (DM), der Verfasser dieses Artikels, ist Leiter Diagnostics beim Zürcher Bauphysikunternehmen Corak AG. Der Beitrag erschien bereits in der Dezemberausgabe der «Applica», der Zeitschrift des Schweizerischen Maler- und Gipserunternehmer- Verbandes (SMGV). Angeregt wurde er durch den Verband Schimmelpilz- und Raumgiftsanierung Schweiz (SPR). In diesem sind Firmen und Experten zusammengeschlossen, die im Bereich Schimmelpilz- und Wohngiftsanierung Dienstleistungen anbieten.

www.corak.chwww.smgv.chwww.sprschweiz.ch

dm

Veröffentlichung: 17. März 2016 / Ausgabe 11/2016

Artikel zum Thema

04. April 2024

Vom Dichten, Kleben und Schäumen

Dichtstoffe.  Was Pfahlbauer einst mit Lehm und Gras taten, lösen Schreiner heute mit allerhand Kunststoffen: das Abdichten von Löchern und Spalten, etwa bei der Montage von Fenstern oder Türen. Die zentrale Frage dabei ist: Was kommt wo mit Vorteil zum Einsatz?

mehr
04. April 2024

Kein Platz für Spielraum

Verpackung und Transport.  Auf Kurz- und Langstrecken braucht es geeignete Massnahmen, um Werke aus Werkstätten ohne Beschädigungen sicher ans Ziel zu bringen. Denn am Ende ist ein Ersatz von beschädigten Teilen die aufwendigste und schlechteste Variante bei der Verpackung.

mehr

weitere Artikel zum Thema:

Montage