Schreinerzeitung: Herr Iten, wie geht es Ihnen?
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Thomas Iten: Es geht mir sehr gut, wenn auch ein wenig durchzogen. Dieser Abschied macht etwas mit mir. 16 Jahre sind eine lange Zeit. Der Entscheid war keine Kurzschlusshandlung, er ist lange in mir gereift, und ich konnte mich auf diesen Moment einstellen. Es stimmt so für mich, doch es tut schon auch weh. Ich habe die Arbeit wahnsinnig gerne gemacht, aber es sind die Menschen, die ich vermissen werde, die Kontakte, die Beziehungen. Das wird mir schon fehlen. Ich habe viele Leute kennengelernt, das war bereichernd. Da bleiben viele Geschichten und Erinnerungen.
- Welches waren die grossen Themen während Ihrer Amtszeit?
- Da fallen mir vor allem die letzten Bildungsreformen zu Beginn meiner Amtszeit ein, insbesondere auch die Umstellung des Prüfungssystems in der Grundbildung. Das war eine grosse Sache. In guter Erinnerung geblieben ist mir der erste Wood Award. Schade, dass der zweite Wettbewerb aufgrund der hohen Kosten unrealisierbar war, denn der Anlass war toll. Ein schöner, würdiger Anlass war auch das 125-Jahr-Jubiläum des Verbands, das wir mit vielen Leuten feiern konnten. Gefreut habe ich mich über viele wertvolle Anlässe, wie beispielsweise das Schreinerforum. Darauf sind wir stolz. Auch die Delegiertenversammlung war immer etwas Besonderes. Geschätzt habe ich daneben den Austausch am G25, dem Gipfeltreffen der 25 grössten Betriebe; da war diese geballte Kraft und die Chance, Themen zu diskutieren und Missverständnisse auszuräumen.
- Was war Ihr persönliches Highlight?
- Das Wertvollste für mich war der Kontakt mit den Menschen, den Verbandsmitgliedern, den Mitarbeitenden; das hat mir am meisten Freude gemacht. Es ist schön, wenn man mit Leuten reden kann. Wenn sie auf dich zukommen und dich auf die unterschiedlichsten Themen ansprechen. Da entstehen viele schöne Einzelmomente und spannende Diskussionen. Natürlich sind die Rückmeldungen nicht immer nur positiv, aber auch Kritik ist wertvoll. Ich habe viel gelernt. So auch das öffentliche Auftreten und Argumentieren. In Erinnerung geblieben ist mir eine Begegnung mit Bundesrat Ignazio Cassis. Nach einem spannenden Austausch und bei einem Glas Wein hat er mir dann das Du angeboten. Da war das Eis gebrochen. Ein Highlight war mein Auftritt im damaligen Dienstagsclub zum Thema Fachkräftemangel. Ein supergutes Erlebnis. Ich habe auf keinem anderen Anlass so viele positive Reaktionen erhalten. Das war unglaublich.
- Der Fachkräftemangel ist ja ein zentrales Thema in der Branche. Welche Handlungsmöglichkeit sehen Sie da?
- Der Fachkräftemangel beschäftigt uns schon lange. Wir haben immer wieder Kampagnen gemacht und viel investiert. So beispielsweise mit der Informationsplattform «Traumjob Schreiner». Ich habe Mühe mit Betrieben, die keine Lernenden ausbilden. Jeder Betrieb, der die Möglichkeit hat, auszubilden, sollte das auch tun. Denn haben wir keinen Nachwuchs, so haben wir dann auch zu wenig Fachkräfte. Wichtig ist auch die Weiterbildungsreform. Weiterbildungswilligen sollen viele Wege offenstehen, sodass sie nicht in eine andere Branche abwandern. Einen wertvollen Beitrag zur Sichtbarkeit des Schreinerberufes soll auch die neue Dachkampagne leisten. Das ist ein wichtiges Projekt, das über längere Zeit gereift und gewachsen ist. Bei den Sujets muss man etwas um die Ecke denken, aber wenn wir eine brave, biedere Kampagne gemacht hätten, wäre sie wohl kaum beachtet worden.
- Welche Herausforderungen kommen in Zukunft auf den Verband zu?
- Die Reformen in Aus- und Weiterbildung in trockene Tücher zu bringen. Das geht noch ein Weilchen und ist mit viel Aufwand verbunden. Die zweite grosse Herausforderung ist der GAV. Das Kernthema ist hier die Flexibilität. Wir müssen versuchen, alle in ein Boot zu kriegen, einen Konsens zu finden. Eine Herausforderung sind immer auch die Finanzen. Das Ziel eines Verbandes muss sein, dass er die Finanzen im Griff hat und am Ende eine ausgewogene Rechnung präsentieren kann.
- Wie haben sich Verband und Branche während all der Jahre verändert?
- Da ist extrem viel gegangen. Wenn ich denke, wo wir gestanden hatten, als ich vor 16 Jahren in den Zentralvorstand kam, was die Digitalisierung betrifft. Das war ein wahnsinniger Schritt. Mit der künstlichen Intelligenz kommt nun noch ein neuer Faktor hinzu. Es ist gigantisch, was man da jetzt schon alles machen kann. Diese Chance sollten wir nutzen. Offen sein, umdenken und uns der Entwicklung anpassen. Auch im Verband hat sich viel verändert. Am Anfang meiner Amtszeit herrschte noch Krawattenpflicht. Heute ist der Umgang entspannter und kollegialer. Jeder, der kommt, gibt neue Inputs. Der Verband hat eine gute Reputation. Man kennt und schätzt uns. Wir sind gut vernetzt mit anderen Branchen. Auch die Schreiner schätzt man. Ein grosser Mehrwert ist auch, dass ich vom Bundesrat in den Suva-Rat gewählt wurde. Bisher konnte noch nie ein Schreiner Einsitz in diesem Gremium nehmen.
- Gibt es Aufgaben, die Sie ohne Bedauern an Ihre Nachfolger abgeben?
- Eine Sache, die immer einen etwas deprimierenden Touch hat, sind die Verhandlungen für den GAV. Da reisst man sich ein Bein aus, verhandelt, kämpft, und am Schluss hat man ein Ergebnis, und die Leute sagen, dass es nicht gut ist. Von aussen sieht das immer so einfach aus, aber es ist eine riesige Herausforderung, eine Lösung zu finden, die für die unterschiedlichsten Betriebsgrössen und Ansprüche passt. GAV-Themen haben mich während meiner ganzen Amtszeit begleitet, und es gab nie einen Abschluss ohne negative Stimmen. Das werde ich bestimmt nicht vermissen.
- Was machen Sie mit der gewonnenen Zeit nach Ihrem Rücktritt?
- Es war immer ein grosser Spagat zwischen Geschäft, Verband und Familie, so ist es erstmal schön, wenn dieser ein wenig kleiner wird. Etwas weniger intensive Wochen, auch wenn immer noch sehr viel läuft. Während meiner Zeit im Zentralvorstand kamen immer neue Ämter dazu, da blieb wenig Zeit für Hobbys. In meiner knappen Freizeit stand immer die Familie im Mittelpunkt. Ihr möchte ich nun so viel Zeit wie möglich widmen und auch meine Enkelkinder geniessen. Meine Familie hat mich stets gestützt, dafür bin ich sehr dankbar. Nun freue ich mich darauf, wieder etwas mehr Zeit zu finden, um Ski fahren oder biken zu gehen und vielleicht auch einmal mal eine schöne Reise zu machen.
- Welche Ratschläge können Sie Ihrem Nachfolger mit auf den Weg geben?
- Mit den Ratschlägen ist es so eine Sache; ich bin der Meinung, wir haben zwei sehr fähige Kandidaten, die sich zur Wahl stellen, und die wissen ganz genau, was auf sie zukommt. Ich werde mich hüten, ihnen Ratschläge zu geben. Ich werde sicher immer da sein, wenn es Fragen gibt. Aber ich werde nicht der Ex-Präsident sein, der sich immer noch in alles einmischt. Ich werde das Geschehen weiterhin aktiv mitverfolgen, aber ich werde nicht reinreden. Wir haben starke Kandidaten, die es auf ihre Art machen werden – und das ist gut so.
- Morgen steht nun Ihre letzte Delegiertenversammlung als Zentralpräsident an. Freuen Sie sich auf den Anlass?
- Grundsätzlich freue ich mich; ich habe ja nicht Mühe, das Amt abzugeben. Es wird sicher eine spannende Versammlung, mit dieser Zweierkandidatur fürs Präsidium. Das hat auch die Vorbereitungen beeinflusst, denn wenn mein Nachfolger bereits im Vorfeld klar gewesen wäre, hätte ich ihn sicher schon früher integriert, ihn vorgestellt und eingeführt in gewisse Gremien. Der Abschied ist schon mit sehr vielen Emotionen verbunden, aber ich bin bereit für den Rücktritt und freue mich auf die DV. Schön ist auch der Austragungsort in Engelberg, im Herzen der Schweiz.
www.vssm.chMonika Hurni
Veröffentlichung: 26. Juni 2025 / Ausgabe 26/2025