Der Empfang als Visitenkarte

Bilder: Marcel Baechler

Empfangsmöbel.  Der erste Blick nach dem Eintritt gilt dem Empfang. Er heisst den Kunden willkommen, vermittelt ihm einen ersten Eindruck und widerspiegelt im besten Fall die Firmenphilosophie. Für den Schreiner ist die Umsetzung Herausforderung und Chance zugleich.

«Es gibt keine zweite Chance, um einen ersten Eindruck zu hinterlassen.» Wie es die Redewendung ausdrückt, entscheidet ein kurzer Augenblick darüber, wie eine Firma vom Kunden wahrgenommen wird.

«Ein guter Empfang ist perfekt auf das Unternehmen abgestimmt und repräsentiert dessen Philosophie», sagt Marcel Baechler. Als Geschäftsführer der Häubi AG in Lyss BE weiss der Innenarchitekt, wovon er spricht. Denn eines der Spezialgebiete des Unternehmens sind die Empfänge in Arzt- und Zahnarztpraxen. Der Berufszweig spielt bei der Gestaltung des Empfangsbereiches eine wesentliche Rolle. Während Arztpraxen oder Anwaltskanzleien eher seriös und diskret wirken sollten, dürfen Event- oder Werbeagenturen gerne auch etwas spritziger und ausgefallener sein.

Eine persönliche Note geben

Der Empfangsbereich sollte auf jeden Fall mit der Charakteristik, also der Corporate Identity (CI) des Unternehmens korrespondieren. So kann beispielsweise das Firmenlogo die Gestaltung bezüglich der Form- und Farbgebung massgeblich mitprägen. Dies gibt dem Schreiner gewisse Richtlinien vor, was ihn bei der Planung zwar einschränken, ihm diese aber auch erleichtern kann. Denn «Bauen auf der grünen Wiese» ist oftmals gar nicht so einfach.

«Wir legen grossen Wert auf eine individuelle Gestaltung und versuchen, jedem Empfang eine persönliche Note zu geben», sagt Baechler. Dafür brauche es ein Gespür für den Kunden und ein offenes Ohr für dessen Anliegen. «Im besten Fall gelingt es dann, ein Möbel zu kreieren, das seine eigene Geschichte hat.» Als Beispiel nennt er ein Empfangsmöbel, das als Abstraktion des Pilatus konstruiert wurde – mit eingelegtem Glas als Vierwaldstättersee.

Von der Masse abheben

Ein Empfang aus hochwertigen Materialien und schön verarbeiteten Details vermittelt Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit.

Die Industrie eröffnet dem Schreiner mit neuen Materialien ein weites Feld bei der Gestaltung. Dabei gilt es jedoch, stets die beiden gegenläufigen Anforderungen zu beachten. Einserseits sollte sich das Möbel nicht nur in der Ausführung, sondern auch in der Kreativität von standardisierten Möbellinien abheben, andererseits sollte es aber auch zeitlos sein.

«Der Schreiner muss den Mut haben, auch einmal einen Eyecatcher reinzubringen», findet Baechler. Wenn man den Kunden aber nicht so gut spüre, sei es ratsam, eher klassisch zu bleiben und bei der Gestaltung «nicht zu grob einzufahren». In jedem Fall entstehe ein individuelles und auf die Firma zugeschnittenes Gestaltungskonzept aus dem Gespräch heraus.

Barrieren vermeiden

Wie es der Name schon sagt, muss der Empfang ein Kriterium zwingend erfüllen. Er muss die Besucher empfangen und ihnen das Gefühl vermitteln, willkommen zu sein. Ein Thema ist dabei die Leichtigkeit. Wirkt das Empfangsmöbel schwer und klotzig, so kann das auf den Kunden erdrückend wirken. Aus diesem Grund ist bei Gesamtflächenfarben Vorsicht geboten. Soll der Tresen unifarben sein, so sind helle Farben zu bevorzugen. Damit das Möbel nicht allzu schwer wirkt, sind abgesetzte Flächen zu empfehlen, welche die starre Optik durchbrechen. Abweisend können auch allzu kantige Formen wirken. Eine hohe flächige Empfangstheke wird oft als Barriere wahrgenommen. Besteht die Theke aus mehreren unterschiedlich hohen Elementen, so wirkt sie durchlässiger und einladender. Die Grösse der Theke sollte sich an derjenigen des Raumes orientieren. Ist die Theke im Verhältnis zu gross oder zu wuchtig, so wirkt der Raum überfüllt und der Empfang eher einschüchternd. Ist die Theke hingegen zu klein gewählt, so wirkt sie unscheinbar und verloren.

Funktion nach innen und aussen

Nach aussen soll der Empfang ein positives Bild des Unternehmens verkünden, offen und einladend auf den Besucher wirken und diesem ein Wohlgefühl vermitteln.

Doch bei all diesen Überlegungen sollte das Wichtigste nicht vergessen gehen: Der Mitarbeitende. Denn fühlt sich dieser an seinem Arbeitsplatz nicht wohl, so werden alle anderen Faktoren zweitrangig.

Das Empfangsmöbel muss also einer Doppelfunktion gerecht werden, als Anlaufstelle für den Kunden und als Arbeitsort für den Mitarbeitenden.

Den Bürokomfort erhalten

Als Arbeitsort muss der Empfang insbesondere ergonomische Anforderungen erfüllen. Der Mitarbeitende sollte den gleichen Komfort haben wie in einem normalen Büro und sowohl im Stehen als auch im Sitzen eine angenehme Position einnehmen können. Daneben braucht es im Empfangsbereich genügend Stauraum, sodass sämtliche Büromaterialien, Akten und Ordner leicht zu erreichen sind und der Arbeitsplatz stets ordentlich und ansprechend aussieht. Im Idealfall dienen die Schränke oder Auszüge auch gleich als Rückwand und verleihen dem Mitarbeitenden ein Gefühl der Sicherheit. Für Marcel Baechler gibt es zum Thema des Komforts «zwei, drei einfache Spielregeln», wie er sich ausdrückt.

Seiner Meinung nach sollte die Abstellfläche der Theke auf Kundenseite nie höher sein als 1,10 Meter und nie tiefer als 85 bis 90 Zentimeter, denn auf diese Weise sei ein angenehmer Austausch zwischen dem Empfangsmitarbeitenden und den Besuchern möglich. Je niedriger die Theke, desto wichtiger sei es, die Arbeitsfläche so zu gestalten, dass die Besucherin das «alltägliche Bürochaos» nicht sehe und die Diskretion gewährt sei. Der Innenarchitekt spricht auch die Materialisierung der Ablageflächen an. Aufgrund der starken Beanspruchung sei es unabdingbar, ein robustes Material zu wählen. So kann man unschönen Abnutzungserscheinungen vorbeugen.

Arbeits- und Akzentbeleuchtung

Ein zentrales Thema bei der Planung des Empfangsbereiches ist die Beleuchtung. Bei dieser muss die ideale Abstimmung zwischen funktionellem Arbeitslicht und ästhetischer Akzentbeleuchtung gefunden werden. Beim Arbeitslicht könnten grosse Leuchten als Blickfang dienen. Möglich sind aber auch unauffällige Spots in der Decke. Das Akzentlicht soll die Feinheiten des Designs hervorheben und eine angenehme und freundliche Atmosphäre schaffen.

Der Empfang als Prototyp

Wie bereits erwähnt, ist der Empfangsbereich die Visitenkarte eines Unternehmens. Doch was in diesem Zusammenhang noch viel wichtiger ist: Der Empfang ist auch eine Visitenkarte für den Schreiner und bietet ihm viel Spielraum, um sich von der Masse abzuheben.

Damit der Schreiner diesen Spielraum auch nutzen kann, rät Marcel Baechler, frühzeitig über die Kosten zu sprechen und einen Planungsvertrag abzuschliessen. «In unserem Unternehmen kommunizieren wir ganz klar, dass die Planung nicht gratis ist», sagt er. Da sei der Schreiner oft sein eigener Feind. «Jeder Empfang ist ein Prototyp», sagt Baechler. «Würde der Kunde den Prototypen eines Autos kaufen, so wäre der Preis auch höher als bei einem Modell ab dem Laufband.»

www.haeubi.ch

mh

Veröffentlichung: 25. Januar 2018 / Ausgabe 4/2018

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