Die Digitalisierung bietet viele Chancen


QR-Codes stehen sinnbildlich für die Datendurchgängigkeit in Schreinerbetrieben. Bild: VSSM / Reto Schlatter
QR-Codes stehen sinnbildlich für die Datendurchgängigkeit in Schreinerbetrieben. Bild: VSSM / Reto Schlatter
Weiterbildung. Die Digitalisierung und insbesondere die Datendurchgängigkeit bieten Potenzial zur Optimierung verschiedener Bereiche in Schreinerbetrieben. Der VSSM und das WBZ Lenzburg bieten einen Pilotlehrgang an, der die Möglichkeiten digitaler Betriebsabläufe aufzeigt.
Digitalisierung, digitale Transformation oder Datendurchgängigkeit: Diese Begriffe werden gerne verwendet, wenn es um Fortschritt, Vernetzung und Optimierung geht. Doch was bedeuten sie überhaupt? «Die Digitale Transformation kann man als Dach ansehen. Unter diesem wird nicht nur digital gearbeitet, sondern alle Abläufe sind vernetzt. Im Idealfall vom ersten Kundenkontakt bis zum Monteur», sagt Urs Scherer, Unternehmensberater von Tre Innova sowie Kenner der Schreinerbranche und von deren Entwicklungen. «Sie bedeutet papierloses, vernetztes Arbeiten.»
Daten solle man bei ihrer Entstehung fixieren und dann, wenn man sie benötigt, ohne Reibungsverlust wieder abrufen können, ergänzt René Wetzstein, Geschäftsführer von rwdm, das Schreinerbetriebe beim Datenmanagement unterstützt. Letzterer ist zudem ein Dozent des Pilotlehrgangs «Betriebsabläufe digitalisieren», den der Verband Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten (VSSM) in Zusammenarbeit mit dem Weiterbildungszentrum (WBZ) Lenzburg ab Ende September 2023 anbietet.
Die beiden Experten begrüssen das neue Weiterbildungsangebot. «Digitalisierung hört eben nicht bei der CNC auf, wie viele denken, sondern beinhaltet auch die Planung. Und durch die Datendurchgängigkeit kann man für ein Projekt die beste Lösung finden», sagt Wetzstein. «Die ganzen Prozesse im Betrieb werden optimiert und zwar mit Vorteilen für alle. Eine Schreinerei kann individueller, schneller, besser und zu einem angemessenen Preis die Kunden beliefern.» Im Lehrgang werden die verschiedenen Möglichkeiten aufgezeigt.
Mit dem Angebot werden Schreinerunternehmerinnen und -unternehmer, Projektleiterinnen oder CNC-Maschinisten mit einer Affinität in Richtung Digitalisierung so- wie die IT-Verantwortlichen angesprochen. «Für Firmeninhaberinnen und -inhaber ist es wichtig, zu wissen, um was es bei der Digitalisierung und der Datendurchgängigkeit überhaupt geht. Sonst wird es für sie schwierig, zu entscheiden, ob sie in den Prozess einsteigen wollen und mit welchen Partnern sie diesen angehen möchten», sagt Scherer.
Inhaberinnen und Inhaber hätten in der Regel kaum Zeit, so eine Umstellung selbst zu realisieren, gibt Wetzstein zu bedenken. Sie würden deswegen jemanden im Betrieb dafür benötigen. Er fände es daher wichtig, dass nicht nur Leute von der strategischen, sondern auch von der operativen Seite vom Kurs profitierten. Nach dem Abschluss sollten die Teilnehmenden wissen, was ein Digitalisierungsschritt alles auslöst, welche Abläufe man berücksichtigen und einbinden will und welche Folgen und Kosten damit verbunden sind. Man sollte sich auch bewusst sein, dass zwar viele Prozesse vereinfacht werden, man jedoch auch eine Abhängigkeit vom System, von deren Anbieter, der Technik, den Lieferanten und vor allem seinen Mitarbeitenden eingeht. «Das kann gut und gerne ein Zeithorizont von 10 bis 20 Jahren sein», sagt Scherer.
Das Potenzial für die Digitalisierung in der Schweizer Schreinerbranche ist gross. Im Vergleich zu anderen Sektoren wie dem Maschinen- oder Holzbau, sind die Schreiner im Rückstand. Bei den grösseren Betrieben ab 25 Mitarbeitenden sei die Mehrheit allerdings auf dem Weg zur Datendurchgängigkeit oder habe schon viel davon umgesetzt, meint Scherer. «Viele kleinere Betriebe sind derzeit an der Umstellung von 2D auf 3D. Aber wirklich vernetzt produzieren in der Schweiz aktuell 10 bis maximal 20 Prozent aller Betriebe.»
Die grösseren Unternehmen könnten gar nicht mehr anders, als industriell zu produzieren, ergänzt René Wetzstein. Am Schluss sei das Produkt entscheidend. «Wenn man Küchen herstellt, macht man das auch künftig. Mit der Datendurchgängigkeit geht das Know-how nicht verloren, man benötigt es weiterhin, und auch die Individualität spielt weiterhin eine Rolle. Man profitiert allerdings von der Vernetzung, vereinfacht und optimiert Prozesse.»
Wetzstein ist überzeugt, dass es in der Produktion künftig ohne die Datendurchgängigkeit nicht mehr gehen wird: «Einerseits von den Lieferanten her, andererseits von den Maschinen und Kunden her. Letztere werden immer anspruchsvoller, wollen schon beim Beratungsgespräch einen Plan oder eine Visualisierung sehen und wünschen auf sie zugeschnittene Anpassungen.» Ohne gewisse digitale Voraussetzungen könne man kaum mehr wirtschaftlich arbeiten. Die Diskussion um 2D oder 3D findet er müssig. «Es geht schliesslich ums Planen. 3D ist besser, weil ein Plan auch räumlich dargestellt wird. Man zeichnet die Objekte nur noch einmal statt mehrfach, die Pläne sind übersichtlicher und automatisiert. Zudem können Anpassungen einfacher vorgenommen werden.» Auch werden Stücklisten, Bestellinformationen und CNC-Daten direkt ab Plan generiert.
Urs Scherer ist es wichtig, dass sich die Unternehmerinnen und Unternehmer bewusst sind, welche Investitionen und Folgen ein Digitalisierungsschritt hat. «Die einmalige Grundinvestition in die Datendurchgängigkeit beläuft sich auf mehrere zehn- bis hunderttausend Franken, je nach Betriebsgrösse.» Die internen Kosten sowie Eigenleistun- gen würden dabei noch fehlen. Zudem seien anschliessend auch die jährlichen Betriebskosten massiv höher. «Pro Büroarbeitsplatz muss mit weiteren jährlichen Betriebskosten von 6000 bis 8000 Franken für Lizenzgebüren, Wartungs-, Supportkosten usw. gerechnet werden. Durch Einsparungen mit der Vernetzung muss man diese wieder auffangen.»
Ein Problem sei oft, dass zu wenig genau evaluiert werde, ist Scherer überzeugt. «Jeder Betrieb muss das für ihn passende System finden. Man muss beachten, was produziert wird und wohin sich das Unternehmen entwickeln soll.» Denn es gäbe nicht ein passendes System für alle. Und ein Wechsel während des Digitalisierungsprozesses sei mühsam sowie teuer und werde deswegen kaum vollzogen. Zudem müsse man sich fragen, wer im Betrieb den Digitalisierungsschritt vollziehen und überwachen soll. «Und will diese Person das überhaupt? Welche weiteren Ressourcen benötige ich?»
Ganz wichtig sei, beim Digitalisierungsprozess die Mitarbeitenden miteinzubeziehen, geben die Experten zu bedenken. Das kann die Vorgesetzte oder der Vorgesetzte nicht alleine. «Ein CNC-Maschinist zum Beispiel ist heute in einer komfortablen Lage», sagt Wetzstein. «Man muss ihn deswegen von Beginn weg abholen, ihm seine Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen und schauen, dass seine Arbeit nicht automatisiert wird und interessant bleibt. Das ist möglich.» Sollte ein Mitarbeiter überhaupt nicht mit dem Wechsel zurechtkommen, müsse man sich nicht zwingend von diesem trennen. «Vielleicht kann sie oder er ja in einem anderen Bereich eingesetzt werden. Ich kenne Beispiele, in denen ein Projektleiter zum besten Verkäufer avancierte und damit glücklich ist.» Unbestritten ist, dass sich die Arbeit und insbesondere die Verantwortung von der Werkstatt ins Büro verschiebt. «Dort spürt man den Fachkräftemangel noch stärker. Das darf man nicht vergessen», sagt Scherer.
Er ist sehr froh über den neuen Lehrgang, weil es bisher keinen in diesem Rahmen gibt. «Es ist wichtig, die Theorie und die Praxis zu kennen. Man muss alles anschauen, nicht nur die Planung. Die Buchhaltung und die Fremddaten gehören dazu. Deswegen kann ich diesen Lehrgang bestens empfehlen», betont Scherer.
Der Lehrgang richtet sich an Kaderleute und IT-interessierte Mitarbeitende aus der Holzbranche, die in ihrem Arbeitsumfeld digitalisierte Betriebsabläufe einführen oder optimieren möchten. Die Weiterbildung vermittelt ein Grundverständnis für die Herangehensweise an digitale Projekte und Methoden für eine strategische Vorgehensweise. Der Lehrgang dauert ein Semester. Der Unterricht findet jeweils freitags und an vier Samstagvormittagen statt. Der Lehrgang startet am 29. September 2023, dauert bis April 2024 und findet im Weiterbildungszentrum Lenzburg statt. Die Kosten belaufen sich auf 4860 Franken, VSSM-Mitglieder zahlen 4000 Franken. Der Lehrgang ist Maek- und ZPK-unterstützt. Der nächste Informationsabend findet am Dienstag, 13. Juni, um 18 Uhr mit anschliessendem Imbiss statt.
www.vssm.ch/bdiVeröffentlichung: 11. Mai 2023 / Ausgabe 19/2023
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