Die Experten sind sich einig: Produkte mit dem Prädikat «Nachhaltigkeit» sind ein Geschäftsfeld. Sonst wären Recyclingprodukte wie die Modeaccessoires von Freitag oder auch die Verwendung von Altholz nicht so populär.
Wenn ein Kosmetikunternehmen ein neues Produkt auf den Markt bringen will, dann fliessen nicht selten 90 Prozent der dafür vorgesehenen Mittel in das Marketing und der Rest in die Produktentwicklung samt der Lösung der damit verbundenen neuen technischen und organisatorischen Probleme. Wenn im Handwerk, in der Schreinerei und der Holzbranche ein solcher Vorgang abläuft, verhält es sich tendenziell eher umgekehrt. Die Prozesse sind oft so aufwendig, dass am Ende wenig Luft für das Marketing bleibt. Eine Gemeinsamkeit der beiden höchst unterschiedlichen Produkte dabei ist aber: Weder das Shampoo noch die Küche werden im Prozess gänzlich neu erfunden. Es gibt manch andere Gemeinsamkeit und noch mehr Aspekte, worin sich beide Produkte des Beispiels unterscheiden.
Aber: Während das Shampoo etwa wegen Spurenelementen an Kräutern als besonders nachhaltig verkauft wird, bleibt das ernsthafte Bemühen des Schreiners hin zur nachhaltigen Küche doch eher im Verborgenen. Höchst unterschiedliche Strategien kommen zum Tragen. Weder ist das eine Vorgehen richtig noch das andere falsch. Vielmehr entspricht es den grundsätzlichen Notwendigkeiten im jeweiligen Marktum-feld. Die guten Lösungen für die Küche könnten etwas mehr Offensive hin zum Konsumenten vertragen, die Offensive für das Shampoo etwas mehr Ehrlichkeit und Echtheit.
Zukunft hat viele Gesichter
Es geht um die jeweils gesunde Balance zwischen wirtschaftlichem Erfolg und der Glaubwürdigkeit für morgen, deren Investitionen sich zunächst aufwendig gestalten und gewinnmindernd auswirken, langfristig aber die nachhaltige Entwicklung des Unternehmens begünstigen. Eine langlebige, ökologische und gut gestaltete Küche ist erklärungsbedürftig. Reklame wie beim Shampoo hilft da wenig. Für eine wirksame Werbung braucht es ein entsprechend gut ausgestattetes Budget. Bleibt nur der längere, aber auch kostengünstigere Weg des stetigen Tropfens in der Welt des Public-Relations-Managements. In der Wirksamkeit heute mehr denn je unbestritten, passt das Modell gut auf die Arbeit des Schreiners. Bekanntheit durch Empfehlung, Referenzen und öffentliche Wahrnehmung mittels Persönlichkeit ist ganz sicher eine nachhaltige Strategie zum Erfolg. Doch die berühmte Doppelfrage «Tun wir die Dinge richtig, und tun wir die richtigen Dinge?» bleibt ein ständiger Begleiter. So ist die Kommunikation dessen, was man alles hineingibt hin zu einer nachhaltigen Entwicklung im Betrieb, ein entscheidender Punkt. Das kann die Ausbildung von Lernenden sein oder die betriebseigene Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen, die Verwendung ökologischer und sozial sinnvoller Materialien und die Umsetzung eigener Ideen in Produktion, Design und Kundenservice. In der Summe verschafft es dem Schreinerbetrieb ein hohes Mass an Glaubwürdigkeit und Authentizität, den entscheidenden Erfolgsfaktoren für ein nachhaltiges Geschäftsmodell.
Wer die Stichworte Schreiner und Nachhaltigkeit bei der bekanntesten Online-Suchmaschine eingibt, erhält gut 400 000 Treffer. Damit liegen die Schreiner im oberen Bereich unter den Handwerkszweigen. Nachhaltige Kosmetik bringt es mit über 700 000 Treffern zwar auf fast doppelt so viel. Vergleicht man aber den Werbe- und Kommunikationsaufwand, den Kosmetikunternehmen im Vergleich zu Schreinern betreiben, um möglichst nachhaltig zu wirken, ist das ein doch eher schwaches Ergebnis. Beim Thema Auto sieht es nicht viel besser aus. Nachhaltig heisst eben auch: Ehrlich währt am längsten!
CH