Die unendliche Vielfalt der Farben

Es lässt sich auch ein Küchenmöbel an die Farbe einer Brotdose perfekt anpassen, da beide deckend farblackiert sind. Bild: Claudia Mayerhofer

Farbmischungen.  Mit jeder Steigerung der Schreinerqualität bei den Oberflächen der Werkstücke werden leichte Farbabweichungen besser wahrgenommen. Wie sich Farben aufbauen und wie die gewünschten Mischungen entstehen, wird daher immer wichtiger.

Erst die finale Oberflächenveredelung macht aus einem Produkt aus Holzwerkstoffen eine wertvolle Schreinerarbeit. Auch kunstvoll gefertigte Rohteile entfalten oft keine besondere Wirkung. Erst mit der Veredelung durch Beschichtung entsteht der Bezug zum grossen Ganzen und die Elemente erstrahlen so, dass sie für die Kundschaft besonders erscheinen. Das hat natürlich immer auch mit Farben zu tun, welche bestehende Linien und Strukturen hervorheben oder in deckender Ausführung für sich sprechen.

Der Bereich Oberflächenbehandlung gehört schon sehr lange zum Schreinerberuf. Die notwendigen Mittel wurden in früheren Zeiten von den Handwerkern weitgehend selbst hergestellt und später stellten sie mindestens noch die spezifischen Mischungen zusammen. Fachleute mit dem entsprechenden Wissen halten selbst heute noch ihre Rezepturen und Arbeitsweisen eher geheim, denn die vielen Versuche und Entwicklungsschritte sollen nicht einfach jedem zugänglich gemacht werden.

Ganz anders verbessern heutige Lackhersteller mit ihren fertigen Produkten und den erhältlichen Mischrezepturen die Möglichkeiten vieler Handwerker massiv. Mindestens bei den deckenden Farben kann heute jede Firma, mit einer eigenen Oberflächenabteilung und etwas Wissen, eine gute Arbeit bei der Veredelung von neuen Produkten liefern.

Nur mit Licht gibt es Farben

Farben sind lichtreflektierende Schichten, die vom auftreffenden Licht nur einen Teil, nämlich eine Farbe, dem menschlichen Auge sichtbar machen und alle übrigen absorbieren. Massgebend sind diese Schicht und das auftreffende Licht.

Nur natürliches Sonnenlicht beinhaltet das gesamte mögliche Farbspektrum. Bei allen künstlichen Lichtquellen fehlen kleine Bereiche, wodurch die gleiche Oberfläche in einem leicht anderen Farbton erscheint als unter reinem Sonnenlicht. Da auch andere Flächen im Raum Licht reflektieren, trifft auch dieses auf die genannte Oberfläche und kann die farbliche Erscheinung dieser Fläche vor Ort beeinflussen.

Unterschiede in der Farbwirkung bei verschiedenen Lichtern gibt es zudem, wenn sich der Lackaufbau der Farbe unterscheidet. Es ist daher noch einfach, ein separat in einem Raum stehendes Möbel mit der optisch gleichen Farbe wie ein bereits vorhandenes herzustellen. Es ist jedoch schwierig für eine bestehende Schrankfront eine neue Tür zu fertigen, die bei Lichtwechsel genau gleich aussieht.

Individuell vom Lackhersteller gemischt

Wenn Lackhersteller, wie die Votteler AG in Schwarzenbach SG, passend zu einem erhaltenen Muster einen Farbton abmischen, dann wird die Farbe möglichst auf ein identisches Trägermaterial aufgebracht, denn auch das beeinflusst den Farbton. Zur Beurteilung werden dann beide Fragmente bei verschiedenen Lichtsituationen in entsprechenden Lichtkästen aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Die genauen Rezepturen werden archiviert und stehen für allfällige spätere Verwendungen, wenn beispielsweise Ergänzungsarbeiten gemacht werden sollen, zur Verfügung. In der Antwort aus der Adler-Werk Lackfabrik im österreichischen Schwaz wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich eine Rezeptur immer auf eine Mischung mit den darin genannten Produkten bezieht. Will man nur schon einen anderen Lack einsetzen, muss das Rezept neu ermittelt werden.

Die Qualität steigt mit dem Aufbau

Um den garantiert richtigen Farbton zu treffen, ist auch das Vorgehen beim Beschichten wichtig. Für eine immer gleiche, deckende Farblackierung ist es ein Vorteil, wenn der Hintergrund zuvor mindestens weiss grundiert wird. Damit werden Differenzen durch einen doch leicht durchschimmernden Untergrund bei zu geringem Lackauftrag vermieden. Wird bereits mit der Zielfarbe grundiert, sind später, im Gebrauch des Produktes, kleinere Kratzer im Lack kaum ersichtlich. Ein noch besseres Resultat erreicht man, wenn über den Farblack ein Klarlack aufgebracht wird. Kratzer entstehen dann nur in dieser Schicht und sind somit unauffällig. Jeder Klarlack bringt aber wieder etwas Eigenfarbe mit sich und muss somit beim Rezept mitberücksichtigt werden.

Eigene Möglichkeit des Mischens

Das Treffen des richtigen, gewünschten Farbtones ist anspruchsvoll und verlangt versierte Fachpersonen. Es macht daher Sinn, das Abmischen dem Lacklieferanten zu überlassen und dann nach dessen Vorgabe die Beschichtung auszuführen. Da der Termindruck für viele Schreiner ein Problem bedeutet, reagiert die Remmers AG in Bubikon ZH beispielsweise damit, dass sie die Prozesskette des Abmischens beschleunigt. Nach Erhalt eines Musters kann es unter vorgegebenen Bedingungen möglich sein, dass der Farblack bereits am nächsten Werktag beim Schreiner geliefert wird.

Es gibt durchaus berechtigte Gründe, Farben im eigenen Betrieb anmischen zu wollen. Gerade der häufige Bedarf an kleineren Mengen Farben nach RAL oder NCS kann durch eigenes Mischen rationell gestaltet werden. Votteler bietet seinen Kunden die Möglichkeit, mit einer Mischstation die Grundfarben gemäss Herstellerrezeptur einzuwiegen. Die jeweils erforderlichen Mengen können dabei auf Basis der Rezeptur gleich online abgerufen werden.

Sicherheit durch Automation

Geboten wird auch eine vollautomatische Mischanlage, die sich aber eher für grosse Betriebe eignet. Es gebe unterschiedliche Anlagen für wasser- und lösemittelbasierte Produkte, heisst es seitens der Firma Adler. Bei ihr können ebenfalls eine Abtönanlage sowie die benötigten Farbpasten bezogen werden. In der Anlage sind die jeweiligen Farbtonrezepte bereits abgespeichert. Es genügt, laut Firmenangaben, den entsprechenden Code und die Menge einzugeben, und die Anlage erledigt den Rest. Individuell durch den Lackhersteller definierte Farbtöne können ebenfalls auf diesem Weg oder mit dem manuellen Mischverfahren hergestellt werden. Jede Farbe ist so in kürzester Zeit im Betrieb mischbar. Votteler aktualisiert die Rezepturen in der automatischen Mischanlage via Fernwartung. Bei grossen Mengen ist es dann aber vorteilhafter, diese im Werk zu bestellen, um die eigenen Ressourcen zu schonen und weil es vom Hersteller eine Farbtongarantie gibt. Klar ist, dass der einwandfreie Ablauf einer automatischen Mischanlage einen häufigen Gebrauch voraussetzt, damit die Substanzen darin nicht antrocknen.

Den Farbton ermitteln

Bevor man mischen kann, muss das genaue Ziel bekannt sein. Für die Farbtonermittlung gäbe es Farbmessgeräte, die, wenn die Basis-Rezeptdaten hinterlegt sind, die passende Farbtonrezeptur ermitteln können. Sie sind allerdings sehr kostenintensiv und daher für Schreinerbetriebe kaum geeignet. Gut einsetzbar sind Farblesegeräte (Colorreader). Die gibt es schon im Taschenformat und sie messen die Farbe so genau, dass der nächstgelegene NCS- oder RAL-Farbton via App ermittelt werden kann – aber nicht wirklich mehr. Die Feinabstimmung ist dann Handarbeit, wobei praktische Erfahrung gefordert ist.

Transparenz als Herausforderung

So richtig anspruchsvoll wird es bei Beizmischungen oder überhaupt allen lasierenden Farbtönen. Dadurch, dass der Untergrund sichtbar bleibt, ist er auch ein fester Bestandteil des Farbtons. Die gleiche Mischung auf Fichte oder Eiche wird nicht einmal ein ähnliches Bild ergeben. Auch ist die Schichtdicke massgebend und bei Ergänzungsarbeiten muss auch die Veränderung bei der Alterung mitberücksichtigt werden, damit die Arbeit längerfristig Freude bereitet. Die erhältlichen Beizsysteme mit ihren Rezepturen und Vorlagen können somit nur als Ausgangsbasis betrachtet werden. Wer über keine ausgewiesene Fachperson im eigenen Betrieb verfügt, muss wohl auf das Angebot der Lackhersteller zurückgreifen und die Beize für den gewünschten Originaluntergrund mischen lassen.

www.votteler.com  www.adler-lacke.com  www.remmers-ag.ch

Andreas Brinkmann

Veröffentlichung: 09. Juni 2022 / Ausgabe 23/2022

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