Durchwegs linientreu

Die Kombination aus hellen Materialien und schlichter Gestaltung sorgt für ein ruhiges Raumdesign. Bild: Mario Rüegger

Lineare Gestaltung.  Geradlinigkeit zählt zu den wertvollsten Charaktereigenschaften eines Menschen. Dass sie auch im gestalterischen Sinn eine Tugend sein kann, zeigt der Innenausbau des Pädagogischen Zentrums für Hören und Sprache in Münchenbuchsee BE.

Vor einem Jahr ist mit der Schulanlage des Pädagogischen Zentrums für Hören und Sprache (HSM) ein Vorzeigeobjekt für den hölzernen Innenausbau eingeweiht worden. Das HSM steht für die Förderung von Kindern und Jugendlichen mit schweren Hör- und Sprachbeeinträchtigungen und befindet sich in einem denkmalgeschützten Gebäudeensemble in Münchenbuchsee BE. Das Projekt umfasste den Neubau einer multifunktional nutzbaren Sporthalle sowie mehrerer Schul- und Therapieräume. Den ausgeschriebenen Wettbewerb konnten die Rykart Architekten aus Köniz BE für sich entscheiden. Ihr Entwurf bestand aus zwei zweigeschossigen Gebäudekuben, welche über einen eingeschossigen Mittelteil verbunden sind.

Ein Spiel mit Gegensätzen

Die eher kühle Fassade aus grobkörniger, sogenannt gestockter Betonoberfläche steht im Gegensatz zum Innenausbau aus Holz. «Wir haben bewusst mit diesen Gegensätzen gespielt», sagt Geschäftsleitungsmitglied und Projektleiter Reto Wegmüller. «So entsteht ein Übergang von der kalten in eine warme ‹hölzige› Welt.» Blickfang in der Sporthalle sind die V-förmigen Strebenstützen entlang der Fensterfront, die auch von aussen sichtbar sind. Für die Besonderheit des Raumgefühls sorgt jedoch die durchgängig lineare Struktur, die sich als Gestaltungselement durch die gesamten Räumlichkeiten der Schulanlage zieht.

Ausgeführt wurde die Struktur in weiss geöltem Kiefer-Plexwood, einem kreuzweise aus Hirn- und Längsholz zusammengesetzten Furnier.

Herausfordernde Gestaltung

Dieses Gestaltungselement stellte die Kühni AG vor einige Herausforderungen. «Wir mussten mehrmals zu etwas unkonventionellen Mitteln greifen, um der linearen Optik gerecht zu werden», sagt Projektleiter Mischa Wälti. Die Schreinerabteilung des Mischbetriebes aus Ramsei im Emmental realisierte mit den Schulzimmern, den Therapieräumen, der Garderobe, der Sporthalle und den Treppen sämtliche Arbeiten, die in Plexwood ausgeführt wurden.

Einzige Ausnahme waren die Böden der Schul- und Therapieräume. Mit insgesamt 530 Quadratmetern Fläche tragen auch sie einen wesentlichen Teil zum Erscheinungsbild bei. Die Böden wurden von der P+H Parquet+Holzbau AG aus Bern verlegt.

Kreative Lösungsansätze

Bezüglich der Schreinerarbeiten waren zwei Themen zentral: Der Schallschutz und die konsequent durchlaufende lineare Struktur der Holzelemente. Beim Schallschutz musste den Hörbeeinträchtigungen der Schüler Rechnung getragen werden. «Die hohen Schallwerte waren für uns konstruktiv keine grosse Sache», sagt Wälti. «Die grössere Herausforderung war die konsequente Umsetzung der linearen Optik.» Dabei spricht er unter anderem die Konstruktion der Türen, insbesondere der Glasleisten, an. «Je kleiner die Elemente, desto kniffliger war es, die senkrechte Laufrichtung einzuhalten.» Viel Kreativität erforderten auch die Tablare in den Garderobennischen, bestehend aus einer Multiplex-Trägerplatte, beidseitig belegt mit 2,5 mm dickem Plexwood. «Damit die Vorderkante der Tablare nicht horizontal gestreift war, frästen wir einen Dreiecksspickel heraus und setzten ein passend zugeschnittenes Dreieckselement mit vertikal verlaufenden Linien ein», erklärt Wälti.

Die Wandelemente in den verschiedenen Räumen wurden mit den Einhängeprofilen Eilox Standard von Häfele auf einen einfachen Kreuzrost montiert. Als Wandelemente wurden 15 mm dicke MDF-Trägerplatten, belegt mit einem Kiefer-Plexwood und einem Gegenzug in Okumé von jeweils 2,5 mm, eingesetzt. «Bei den Schulzimmern im Garderobenbereich haben wir versucht, jede freie Lücke zu Stauraum umzufunktionieren», erläutert Reto Wegmüller. So sind in der Wand wo immer möglich Schränke integriert. Der flächenbündige Sockel verlangte dabei eine hohe Präzision in der Ausführung. Eine Knacknuss waren auch die Schrankgriffe, welche in die beidseitig mit Plexwood furnierten, 15 mm dicken MDF-Platten eingefräst wurden. Diese mussten nachgestochen und mit einer exakt zugeschnittenen Plexwoodleiste versehen werden. Bei dem Projekt sei schon etwas Erfindergeist nötig gewesen, sagt Mischa Wälti. Es habe aber Spass gemacht, unkonventionelle Wege zu gehen. Die Plexwood-Elemente wurden weiss geölt. Auch hier galt es einige Muster und Tests zu machen, um ein Öl zu finden, dass weder anfeuert noch verblasst.

Akustikdielen in der Turnhalle

Besondere Anforderungen stellte die Turnhalle, wo die Wände im Sportbetrieb einigen Strapazen ausgesetzt sind. Gefragt war eine Konstruktion, die gewisse Schwingungen aufnehmen kann. Aufbauend auf die Dampfbremse und die Isolationsschicht von 60 mm, montierte Kühni einen Unterkonstruktionsrost mit einem Querschnitt von 140 × 60 mm und einen Kreuzrost von 30 × 50 mm. Zur Abfederung von Stössen, wie dem Abprallen von Bällen, wurde die horizontale Lattung bis auf eine Höhe von 2 m ab Hallenboden mit einem 5 mm dicken Zellkautschuk belegt. Verkleidet wurde die Wand mit einer Plexwood-Akustikdiele, welche dank wechselseitigen Schlitzen zur Schallabsorption dient. In diesem Fall wurde auf ein Paneel mit einer 15 mm dicken Trägerplatte, einer 2,5 mm Plexwood-Furnierschicht und einem Gegenzug aus einem 1,5 mm starken Okumé-Furnier gesetzt. Verwendet wurden Paneele in der Standardabmessung von 2400 × 128 mm. Diese wurden wild verlegt.

«Die vertikale Linienführung ist so dominant, dass man die Stösse kaum wahrnimmt», sagt Oliver Sidler, Inhaber der Rykart Architekten. Ähnlich ist es mit den parallel zum linearen Muster verlaufenden Akustikschlitzen. Diese verschmelzen mit der geradlinigen Optik.

Statische Anforderungen bei der Treppe

Eine Herausforderung stellte auch die Treppe dar. Geplant war erst eine Betontreppe. Diese wäre wegen der Statik aber nicht stützenfrei zu realisieren gewesen. Deshalb entschied man sich für eine Stahlkonstruktion mit drei H-Trägern und einem Gewicht von drei Tonnen. Im Innenraum mit einer Dämmung versehen, wurde diese anschliessend verkleidet. Futterbrett und Tritte, bestehend aus einer Multiplex-Trägerplatte in Kiefer mit Plexwood-Belag in einer Stärke von 4,5 mm, wurden auf Gehrung konstruiert. Zur Kennzeichnung der Stufenkanten und damit zur Vermeidung von Unfällen wurden die Tritte mit Einlagen aus Räuchereiche versehen. Die ursprünglich in MDF geplanten Treppenwangen mussten wegen der Statik in Multiplex ausgeführt werden. Die 40 mm dicken Wangen wurden weiss lackiert, während bei den Handläufen aus Plexwood die lineare Optik der Tritte wieder aufgenommen wurde. Dem Brandschutz und den Anforderungen für Fluchtwege wurde neben der nicht brennbaren Unterkonstruktion mit einer Treppenbreite von 1,6 Metern und einem Zwischenpodest in der Hälfte der Treppe Rechnung getragen.

Das Leben hat Einzug gehalten

Rund 5600 Arbeitsstunden hat die Kühni AG in dieses Projekt gesteckt und dabei zirka 1450 m2 Plexwood-Platten und 450 m2 Akustikdielen verbaut. «Das hat uns schon einige schlaflose Nächte gekostet», gesteht Ulrich Kühni, Mitinhaber des Unternehmens. Doch das Projekt in Münchenbuchsee habe viel Freude gemacht und die Wirkung der durchgängigen Linienstruktur sei beeindruckend gewesen. Mittlerweile ist auch Farbe ins Schulhaus gekommen. Das Leben hat Einzug gehalten.

www.rykart.chwww.kuehni.ch

Plexwood

Plexwood ist ein kreuzweise aus Hirn- und Längsholz zusammen- gesetztes Furnier für den Innenausbau. Das Furnier verfügt über eine feine Linienstruktur. Dank der Härte des Hirnholzes eignet es sich neben Möbeln auch für stark belastete Bereiche wie Böden oder Treppen. Das Furnier ist in neun Holzarten und in mehre- ren Produktvarianten erhältlich. Bei dem von der gleichnamigen niederländischen Firma produzierten Plexwood wird auf Formaldehyd-Leime oder flüchtige organische Verbindungen verzichtet.

www.bangerter-trade.com

Monika Hurni, mh

Veröffentlichung: 29. Oktober 2020 / Ausgabe 44/2020

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