Echte Täuschung

Verblüffend echt wirkt ein grosser Teil der Effektlacke wie das rostige Eisen. Gut für den Schreiner ist, dass es sich dabei um einen normalen Holzwerkstoff handelt. Bild: Anrei (Adler Lackfabrik)

Effektlacke.  Holz kann alles sein – auch Metall, Beton oder Marmor. Möglich wird dies durch eine wachsende Palette von unterschiedlichen Effektlackierungen, die spannende Akzente setzen können. So wird die Spritzkabine öfter zur Kreativwerkstatt.

Fast alles scheint möglich. Magnetischer Echteiseneffekt und seine rostige Variante; Beton und Reisslacke, die etwa Leder nachahmen – stumpfmatte Schwarzlacke mit Kreide beschreibbarem Tafeleffekt sowieso. Perleffekte, Wassertropfen und viele andere Oberflächenwirkungen lassen sich mit Effektlacken realisieren. Und das einfach in der Spritzkabine mittels Airless oder Becherpistole. Benötigt werden allerdings verschiedene grössere Düsen und einige einfache Hilfsmittel.

Inhalte mit Wirkung

Neben den Lacken, die einen Werkstoff imitieren, kommen auch immer mehr eigenständige Effekte der Lackhersteller auf den Markt. Meist handelt es sich dabei um PUR-Lacke, aber auch NC-Lacke werden für die Erzielung der Effekte eingesetzt. Diese entstehen auf unterschiedlichen Wegen. Ein Betoneffekt etwa kommt durch die Zumischung von normalem Zement zustande. Metallische Pigmente sorgen in einer Lackschicht oftmals abhängig vom Betrachtungswinkel für den gewünschten Farbeffekt. Dazu werden etwa kleinste Aluminiumplättchen sowie Glimmer auf Titan- oder Eisenoxid in den Lack implementiert. Je nach Dicke und Art der Metalloxidschicht bewirken solche Pigmentteilchen in Lackschichten durch Überlagerung (Interferenz) des einfallenden Lichts Farbeffekte, die sich dann je nach Betrachtungswinkel verändern.

Abhängig von der Rezeptur und der Einstellung solcher Pigmente entstehen unterschiedliche metallische Effekte. Andere entstehen durch Reaktion etwa mittels Wassertröpfchen oder durch Anlösen der Lack- schichten mittels Verdünnung und Schwamm oder anderer Hilfsmittel, etwa beim Marmoreffekt.

Was Nachbilden bringt

Die Vorteile für den Anwender von Effektlacken liegen auf der Hand. Dieser kann mit gewohnten Fertigungsabläufen und Standardmaterialien gänzlich andere Gestaltungsideen umsetzen. Würde man «echtes» Material einsetzen wollen, würde sich so ziemlich alles ändern, und die Realisierung wäre aufwendig und teuer. Deshalb stellen Effektlacke eine interessante Alternative zum Normalen dar.

Die Wirkung mancher Effekte als Imitat ist tatsächlich verblüffend. Neben den echten Materialeigenschaften wie etwa den magnetischen Eigenschaften von Eiseneffekt-lacken, fühlt sich der Ledereffekt nicht kalt an, wie man es erwarten könnte, sondern hat bei Verwendung von sogenannten Soft-Touch-Lacken auch eine verblüffend leder-ähnliche, handwarme und durchaus angenehme Haptik.

Die Anbieter solcher Beschichtungen für das Handwerk gehen dabei unterschiedliche Wege: Zum einen setzt man auf modifizierte Standards, auf deren Basis Effekte entwickelt werden. Die andere Richtung sind punktgenau eingestellte Präparate, die gewissermassen «becherfertig» angeboten werden. Beide Wege haben natürlich Vor- und Nachteile für den Anwender. Beispiel Betoneffekt: Mischt man den Zementanteil selbst in den Lack und beizt die Oberfläche entsprechend, lassen sich individualisierte Einstellungen erzielen. Nimmt man ein Produkt, das fertig gemischt ist, erreicht man eine hohe Prozesssicherheit und Reproduzierbarkeit. Erstere Methode ist aufwendiger, bietet aber mehr Gestaltungsmöglichkeiten.

Erlangen neuer Fähigkeiten

Die Anforderungen an den Anwender sind je nach Effekt und Produkt verschieden hoch. Deshalb bieten die Lackhersteller auch entsprechende Schulungen und Seminare an, um den Herstellungsprozess von Effekt-oberflächen sicher in den Griff zu bekommen. Als Trägermaterial kommen die üblicherweise verwendeten und vorbereiteten Holzwerkstoffe zum Einsatz: mit Grundierfolie versehene Platten, mit Füller grundierte Werkstoffe oder blindfurnierte und gefüllerte Plattenmaterialien.

Je nach Material muss der Schmalkante die gewohnte Aufmerksamkeit bei der Vorbereitung geschenkt werden, um einen umlaufend gleichmässigen Effekt zu erreichen. Auch die Ausbildung der Kante ist je nach Effekt unterschiedlich zu handhaben, da auch die nötigen Schichtstärken unterschiedlich sind. «Die Kanten sollten aber gut gebrochen sein und einen Radius von einem bis zwei Millimeter aufweisen», sagt Walter Streiter, Leitung Anwendungstechnik Möbel bei der Adler Lackfabrik. Empfohlen wird auch, den gefüllerten, vorbereiteten Holzwerkstoff unmittelbar vor dem Beginn mit dem eigentlichen Schichtenaufbau feinkörnig zu schleifen.

Hält die Täuschung?

Natürlich kann man nicht erwarten, dass eine Effektoberfläche, die aussieht wie Metall, genauso strapazierfähig ist wie das Original. «Die meisten unserer Effekte, insbesondere die PUR-Produkte, sind aber auch für Räume wie Küche und Bad einsetzbar. Einen bewitterten Ausseneinsatz müssen wir ablehnen. Für den Innenbereich bieten wir aber entsprechend umfangreiche Zertifizierungen», erklärt Peter Haberkorn, zuständig für das Marketing bei der Hesse GmbH. Auch die Strapazierfähigkeit der unterschiedlich aufgebauten Oberflächen ist nicht gleich. Normal beanspruchte Flächen im Möbel- und Innenausbau mit Effektlacken zu beschichten, stellt kein Problem dar. Werden höhere Anforderungen gestellt, sollte man genauer hinschauen, was diesen Ansprüchen genügen könnte. Als Decklack sind meist mehrere Produkte möglich, auch um Effekte vor der vergilbenden UV-Strahlung zu schützen. Deshalb ist es schwierig, pauschale Angaben zu Lacken mit ähnlichen Effekten zu machen.

Nicht ganz so leicht

Grenzen ganz anderer Art gibt es bei der Verarbeitung solcher Lacke. Das Schulungsangebot der Hersteller hat seinen Grund, auch wenn der Einsatz der Produkte in der Praxis gut funktioniert. Auch hier gilt natürlich: Es kommt auf den Effekt an. Reisslacke etwa können tückisch sein, wenn es um grössere Flächen oder um das Beschichten von dreidimensionalen Körpern geht. «Das Ganze ist nicht so einfach, wie man sich das vorstellt. Um das zu verdeutlichen, haben wir einen Test gemacht, bei dem wir mit Reisslack die Schichtdicke etwas variiert haben. Wenn man nur einen Hauch mehr vom Reisslack appliziert, so verändert sich der Effekt sofort», sagt Jürg Iselin, Geschäftsleiter der Anwander Vertriebs GmbH in Näfels GL, die in der Schweiz Cromalacke vertreibt.

Schwierig ist beispielsweise der Wechsel von stehenden zu liegenden Flächen. Und: «Wenn man eine Fläche von mehr als einem Quadratmeter mit Reisslack beschichten muss, sollte man sehr geübt mit der Spritzpistole sein», so Iselin. Auch bei Adler Lacke wird empfohlen, beim Ledereffekt mit Rissbildung nur Flächen von weniger als einem Quadratmeter zu beschichten.

Der Effekt kann durch geringfügig unterschiedliche Schichtdicken schnell unregelmässig auftreten. Mehr Lack bedeutet da-bei eine tiefere Rissbildung mit deutlicher Struktur. Weniger Auftrag führt zu feineren Strukturen. Aber auch in der Natur ist es ja nie ganz gleich, weder beim Leder noch sonstwo.

www.adler-lacke.comwww.hesse-lignal.dewww.cromalacke.comwww.anwander.chwww.speziallacke.com

ch

Veröffentlichung: 02. März 2017 / Ausgabe 9/2017

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