Ein Lack mit der Wirkung eines tiefen Sees

Die Bretter wurden mit Urushi-Lack behandelt und danach als Wanne zusammengebaut. Bild: Salome Lippuner

Japanischer Lack.  Urushi ist eine Alternative zu den vielen europäischen Lacken und Ölen, die den Schreinerarbeiten einen sehr tiefen Glanz bei erstaunlicher Qualität verleihen. Trotz der nicht einfachen Verarbeitung kann die Anwendung äusserst lohnend sein.

Der Traum vom Natürlichen, aus Rohstoffen, die der Natur entnommen und kunstfertig zu einem ganz persönlichen Unikat geformt wurden, nimmt heute an Bedeutung zu. Verbrauchsprodukte begleiten eine Person über kürzere oder längere Perioden im Leben, sind aber selten ein wichtiger Teil persönlicher Geschichte. Dazu braucht es Dinge, die in ihrer Art etwas Besonderes ausdrücken und sich als stilles Erlebnis in der Erinnerung verankern.

Naturprodukt mit hoher Leistung

Je schlichter die formale Gestaltung eines Objektes ist, desto grösser wird die Wirkung des verwendeten Materials, dessen Haptik und optische Erscheinung. Die finale Lackschicht kann dabei entweder nur ein gewöhnlicher Schutz oder absolute Veredelung bedeuten.

In Japan wächst ein Laubbaum namens Urushi, der auch Lackbaum genannt wird. Wie bei der Kautschukgewinnung wird dieser mittels Einkerbungen angezapft und so dessen Saft als Hauptbestandteil eines umfassenden Lacksystems mit gleichem Namen gewonnen. Dieses auf rein natürlichen Bestandteilen basierende Produkt ist schon aus vorchristlicher Zeit bekannt und stellt einen Gegenpol zur beschleunigten Welt mit ihren industriell gefertigten Dingen dar. Es bietet aber genau das, was so mit Chemie kaum erhältlich ist.

Der ausgehärtete Lack ist resistent gegen Lösungsmittel, Säuren und Laugen. Selber ist er keimabtötend, sehr hitzebeständig und er bleibt äusserst elastisch, wodurch Holzbewegungen kaum zu Lackrissen führen. Ist eine Oberfläche griffig genug, damit er sich verankern kann, mag sie sich auch schon für eine dauerhafte Behandlung eignen. Glas geht beispielsweise nicht. Interessant ist die Behandlung aber bei Metallen und sogar bei weichem Leder.

Auch heute noch werden in Japan mit diesem Lack Essgeschirre behandelt, die allerdings nicht schnittfest sind. Ein weiterer Schwachpunkt ist, wie bei vielen Lacken, die UV-Beständigkeit, wodurch die Beschichtung sich nicht für den Aussenbereich eignet. Auch das Geschirr wird nach vielen Jahren etwas matter im Glanz.

Spezielle handwerkliche Fähigkeiten

Salome Lippuner aus Trogen AR gehört zu den wenigen Fachpersonen in Europa, die vertieft in den verschiedenen Techniken dieses Lackierhandwerks ausgebildet wurden. Ihr konstanter Austausch mit verschiedensten Lackiermeistern in Wajima, der Hochburg japanischer Lackkunst auf der Halbinsel Noto, sowie wiederholte Arbeitsbesuche haben zu einem breiten Fächer an Anwendungsmöglichkeiten geführt. Dieser führt in einigen Bereichen noch über die traditionellen hinaus. Neben der Ausführung von Lackierarbeiten bietet Salome Lippuner Kurse sowie Schulungen in dieser Handwerkskunst. Bereitwillig teilt sie gerne ihr Wissen.

Oberflächenspezialisten, die sich auf eine Ausbildung einlassen, müssen zu ihrem handwerklichen Geschick ein hohes Mass an Sorgfalt, Ausdauer und Geduld mitbringen. Die Verarbeitung bietet ein paar Schwierigkeiten, entlohnt aber mit einem riesigen gestalterischen Potenzial durch die subtile Transparenz, die tiefer liegende Strukturen oder in den Lack eingelegte Materialien zum Leuchten bringen.

Der Lack selber hat einen leicht bernsteinfarbenen Grundton. Zusammen mit der Vernetzung ergibt das eine anfeuernde Wirkung, die auf jeden Fall bei der Gestaltung mit einbezogen werden muss. Schleifspuren werden dadurch betont, weshalb man die Holzflächen in Japan abschliessend sehr fein hobelt. Damit gibt es keine vorstehenden Fasern und das Holz leuchtet mehr. Auch das Abbrennen der Oberfläche eliminiert die vorstehenden Fasern und ergibt einen tiefen Schwarzton. Aufgetragen wird mit Spachteln oder Pinseln, einpoliert mit Frotteetüchern. Jegliche Bearbeitungen erfolgen von Hand und in Faserrichtung, da sonst Spuren sichtbar würden.

Aufbau mit wenigen Materialien

Es gibt zwei Lackqualitäten: «Ki Urushi» ist etwas günstiger, enthält auch einen Anteil an Wasser und wird für den gesamten Grundaufbau der jeweiligen Oberflächenbeschichtung verwendet. Zusammen mit Reiskleister und gebrannter Erde wird sogar eine Spachtelmasse erzeugt, die eine keramische Härte erlangt und in hochwertigen Grundaufbauten ihre Verwendung findet. Mit wenigen Komponenten lassen sich die verschiedensten Aufbauten zuverlässig realisieren.

«Urushi» ist ein Finish-Lack, der noch raffiniert wurde und nur sehr dünn aufgetragen wird. Die Aushärtung beider Lacke erfolgt durch Polymerisation bei rund 23 °C und erhöhter Luftfeuchtigkeit, was eine frische Fläche nach 12 bis 24 Stunden staubtrocken werden lässt. Wirklich abgeschlossen ist die Kettenreaktion allerdings erst nach drei Monaten. Danach ist der Lack nicht mehr lösbar. Bis dahin löst das Material leider auch bei einigen Menschen allergische Reaktionen aus – das und der Faktor Zeit sind wohl die einzigen Nachteile dieser Beschichtungsart.

Eine äusserst hochwertige Oberfläche kann inklusive Spachtelarbeiten 30 Schichten aufweisen. Tatsächlich sind aber auch schon mit wenigen Aufträgen tolle Resultate realisierbar, wodurch der Flächenpreis einer vollständigen Beschichtung bei dem von vergleichbaren, gespritzten Lösungsmittellacken beginnt. Zusätzliche Bilder und Informationen sind im Dossier «Material und Werkstoffe» zu finden.

www.urushi.chwww.schreinerzeitung.ch/dossiers

ab

Veröffentlichung: 28. Juni 2018 / Ausgabe 26/2018

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