Eingriff in die Front

Wenn gewollt, tragen Griffprofile zur Formgebung der Möbelfront bei. Bild: Noah J. Gautschi

Griffprofile.  Selbstgefräste Profile erweitern den Gestaltungsspielraum des Schreiners um eine wertschöpfende Variante. Damit sich der Mehraufwand in der Planung und Fertigung auch lohnt und zu einem perfekten Produkt führt, gilt es ein paar Punkte zu beachten.

Eine der grössten Stärken des Schreiners ist die Tatsache, dass er für seine Kundschaft Unikate schaffen kann. Zum Beispiel Möbel, die es nicht ab der Stange zu kaufen gibt und die perfekt an den jeweiligen Wohnraum angepasst sind.

Hierfür ist es nötig, die Bedürfnisse der eigenen Kundschaft herauszufinden und anschliessend gezielt umzusetzen. Vor allem beim Gestaltungsprozess kann sich der Kunde beteiligen, oftmals hat er schon eine eigene Vorstellung des Endergebnisses. Damit der Schreiner solche konkreten Wünsche umsetzen kann, lohnt es sich, hin und wieder die aktuellen Trends zu studieren und spezielle Lösungen für den eigenen Bedarf zusammenzusuchen.

So flammen beispielsweise in der aktuellen Möbelgestaltung die Designmerkmale des Mid-Century-Stils – also der Formensprache aus der Mitte des letzten Jahrhunderts – wieder auf. Hier spielen neben individuellen Untergestellen auch farbige Kompositionen und ein verspielter Materialmix eine wichtige Rolle. Zur Unterstreichung der Formensprache eignen sich ausgefallene, besondere Möbelgriffe und auch grifflose Fronten. Um sich bei der grifflosen Variante etwas abzuheben und dem Ganzen eine eigene Note zu verleihen, bieten sich selbstgefräste Griffprofile als tolle Alternativen an. Diese kann der Schreiner sogar in seiner eigenen Produktion herstellen und somit Wertschöpfung generieren.

Schier grenzenlose Möglichkeiten

Achtet man einmal bewusst auf die Aus-führung und den Einsatz von Griffpro- filen, sticht sofort die Ausführungsvielfalt hervor. Die bekanntesten und meist verbauten sind wohl die zukaufbaren Griffprofile aus Aluminium oder Kunststoff. Diese sind als Meterware erhältlich und in der Länge frei anpassbar. Unzählige solcher Profilformen sind über den Fachhändler des Vertrauens erhältlich und bieten viel Spielraum in der Gestaltung.

Für die wirklich besonderen Lösungsansätze sollte sich der Schreiner jedoch jene Exemplare genauer ansehen, die direkt in die Front gefräst wurden. Denn damit lassen sich ganz neue Frontbilder und -aufteilungen erschaffen, welche die Anpassung an viele Gestaltungstrends und Kundenwünsche ermöglichen.

Mit Griff- und Belastungstest

Versucht sich der Schreiner an einem neuen oder sogar selbst designten Griffprofil, ist es wichtig, dieses zu testen. Eine kleine Musterfront gibt schon ein gutes Bild über die Griffergonomie und die Profilstabilität ab. Weiter sollten bei jeder Planung oder Konstruktion die folgenden drei Punkte genauer beachtet und aufeinander abgestimmt werden:

Die Griffprofiltiefe ist zwangsläufig durch die Frontdicke gegeben. Arbeitet man mit dünnen Fronten, sollte mit einer Aufdoppelung für die nötige Profiltiefe gesorgt werden. Nichts ist ärgerlicher als Griffprofile, an denen sich der Nutzer beim Greifen ständig die Finger stösst oder gar nicht erst hineingreifen kann.

Bei der Griffprofilhöhe sieht es ähnlich aus wie bei der Tiefe. Es muss ein bequemer Griff möglich sein, ohne dass die Fingergelenke an den oberen Rand stossen. Bei vertikalen Griffprofilen oder Griffnischen ist je nachdem auch ein gleichzeitiger Griff mit beiden Händen erwünscht, was wiederum mehr Platz benötigt.

Bei der Griffprofilform ist grundsätzlich alles erlaubt, was gefällt und sich bequem greifen lässt. Zu scharfe Kanten, zu spitze Winkel oder zu enge Radien sollten jedoch vermieden werden. Die Formgebung der Aussparung ist auch massgeblich für die Stabilität und Langlebigkeit der Möbelfronten verantwortlich. Zu dünne Überlappungen neigen gerne zu Profilausrissen im täglichen Gebrauch.

Bei Massivholzfronten sollte darauf geachtet werden, dass im Griffbereich genügend Materialstabilität vorhanden ist. Mit der Fertigung einer kleinen Musterfront kann der Schreiner schon mit seiner fachlichen Erfahrung ziemlich genau einschätzen, ob sich ein Profil in der Fertigung und im täglichen Gebrauch behaupten kann oder ob eine weitere Überarbeitung nötig ist.

Angepasst an die eigene Fertigung

Sobald sich ein geeignetes Griffprofil herauskristallisiert hat, gilt es, die optimalen Bearbeitungsabläufe in der Produktion zu planen. So lassen sich einfache Profile beispielsweise perfekt mit einem passenden Fräswerkzeug kehlen und Griffmulden mit der Handoberfräse oder CNC-Maschine in die Fläche einfräsen. Komplizierte Profile können je nach Situation auch in mehreren Teilen gefertigt und anschliessend zusammengebaut werden.

Bei lackierten Fronten gilt es, die Lackiermöglichkeiten genau abzuklären, denn je nach Profilform kann das Griffinnere sonst nur mit grosser Mühe in einer genügenden Qualität lackiert werden. Vor allem in der Fläche eingelassene Griffmulden stellen hier eine Herausforderung dar. Diese kann zum Beispiel mit einem zweiteiligen Aufbau etwa mit einem nachträglich aufgeschraubten Rückteil gemeistert werden. Auf jeden Fall lohnt es sich, solche Überlegungen schon in den Planungsprozess einfliessen zu lassen, da sie später im Auftragsverlauf nicht einfacher zu lösen sind.

Auf eine stimmige Qualität achten

Wie bei allen Sonderkonstruktionen ist auch bei den Griffprofilen die Qualität entscheidend. Sie muss den Ansprüchen der Schreinerkundschaft standhalten und darf keinesfalls vom Qualitätsniveau abfallen. In diesen Qualitätsanforderungen spielen auch die funktionellen Aspekte wie die Griffigkeit oder die Haptik eine wichtige Rolle. Prinzipiell sollte der Kunde keinerlei Einbusse im Vergleich zu herkömmlichen Griffen, Touch-Fronten oder zugekauften Griffprofilen aus Aluminium oder Kunststoff haben.

Bei lackierten Griffen ist zusätzlich die Beständigkeit der eingesetzten Oberflächenbehandlung zu beachten. Zudem müssen bei deckenden Behandlungen die minimalen Kantenradien eingehalten werden, da sonst der Lack an den Kanten zu dünn ausfällt und den auftretenden Belastungen nicht standhalten kann.

Ein neues Spielfeld schaffen

Wer sich etwas bewusster mit den Griffprofilen auseinandersetzt und diese gezielt in seine Konstruktionsstudien einplant, wird mit der Zeit sicher ein paar für sich stimmige und funktionale Profilformen finden. Mit diesen können neue gestalterische Ansätze verfolgt und neue Spielfelder erschaffen werden, die den mutigen Schreiner von der Masse abheben.

njg

Veröffentlichung: 04. Juli 2019 / Ausgabe 27/2019

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