Fingerabdrücke schachmatt setzen


Matt ist das neue Hochglanz. Zumindest was den aktuellen Oberflächentrend in der Küche betrifft. Und der Trend scheint noch eine Weile anzuhalten. Bild: Sven Bürki


Matt ist das neue Hochglanz. Zumindest was den aktuellen Oberflächentrend in der Küche betrifft. Und der Trend scheint noch eine Weile anzuhalten. Bild: Sven Bürki
Anti-fingerprint. Was in den 2000er-Jahren die Hochglanzfronten waren, sind heute die matten Oberflächen. Dass dem so ist, liegt unter anderem auch an dem Anti-Fingerprint-Effekt der modernen Holzwerkstoff-Dekore.
Matte Oberflächen sind in der modernen Küche kaum mehr wegzudenken. Ob bei den Fronten, Arbeitsplatten, Beschlägen oder Armaturen: Die Kombination aus samtig weicher Haptik und matter Farbe ist so beliebt wie nie. Ein Trend, der nun schon einige Jahre anhält und wohl auch nicht so bald verschwinden wird.
So auch das Resümee der Swiss Krono AG. «Wir erwarten, dass der anhaltende Trend zu matten Oberflächen sich auch in Zukunft fortsetzen wird», sagt Marc Priester, Verkaufsleiter Schweiz bei der Holzwerkstoff-Produzentin in Menznau LU. Der Markt für hochglänzende Produkte werde hingegen als rückläufig eingeschätzt. «Aus diesem Grund setzen wir den Fokus in unserem Sortiment derzeit nicht auf Hochglanz-, sondern auf Mattoberflächen.»
Wie das bei lang anhaltenden Trends zu erwarten ist, nimmt auch bei den matten Holzwerkstoff-Dekoren die Angebotsfülle und -vielfalt laufend zu. Wer sich für seine neue Küche eine matte Oberfläche wünscht, hat also die Qual der Wahl. Und wie man bei den glänzenden Dekoren verschiedene Beschreibungen für die unterschiedlichen Glanzgrade findet, stösst man auch bei den matten Oberflächen auf diverse Steigerungsformen des beschreibenden Adjektivs. So bewerben die Hersteller ihre Produkte etwa mit Begriffen wie supermatt, tiefmatt, edelmatt oder extrem matt. Angesichts der geringen Glanzstufen und der Oberflächenqualität der modernen Holzwerkstoffe sind diese Komparative und Superlative wohl auch berechtigt.
Besonders eine Eigenschaft unterscheidet die heutigen matten Dekore von ihren Vorgängern – nämlich der sogenannte Anti-Fingerprint-Effekt. Um dieses Schlagwort kommt man dann bei den matten Oberflächen auch kaum herum. Kein Wunder, denn dieser Effekt ist sicherlich mitverantwortlich für den aktuellen Siegeszug der matten Holzwerkstoffe.
Dieser Effekt sorgt nämlich dafür, dass selbst bei dunklen oder schwarzen Dekoren kaum mehr Fingerabdrücke auf den Oberflächen zurückbleiben.
Wegbereiter für die neue Generation an matten Holzwerkstoffen war das italienische Unternehmen Arpa Industriale mit den 2013 eingeführten «Fenix»-Materialien. «Das war so etwas wie der Startschuss für den aktuellen Trend von matten Oberflächen», sagt Michael Strecker, Leiter Marketing bei der Formex AG. Das Unternehmen aus Bubendorf BL hat die «Fenix»-Oberflächen im selben Jahr ins Sortiment genommen und an der Holz 2013 vorgestellt.
An der diesjährigen Holzmesse in Basel präsentierte Formex ein neues Produkt mit der Oberfläche des italienischen Herstellers und kehrte damit gewissermassen zu ihren Wurzeln zurück – dem Postforming.
«Das Verformen von «Fenix» ist nicht ganz einfach und das Belegen von Radien deshalb eine heikle Angelegenheit», sagt Strecker. Bei der Sichtseite «Rondino» ist es Formex nun aber gelungen, das Material um einen engen Radius zu legen, ohne dass die Optik oder Haptik der Oberfläche darunter leiden. So ermöglicht das Halbfabrikat eine abgerundete Frontlinie mit einem Radius von 25 Millimetern – zum Beispiel bei den Ecken einer Küchenzeile oder einer Kücheninsel. «Rondino» verbindet also quasi den aktuellen Trend nach matten Oberflächen mit der steigenden Nachfrage nach runden Formen. Erhältlich sind die abgerundeten Sichtseiten in sieben «Supermatt Fenix»-Dekoren und wahlweise einseitig oder beidseitig gerundet.
Zwölf Jahre nach der Markteinführung von «Fenix» haben die meisten grossen Holzwerkstoffhersteller nun eigene Produkte mit Anti-Fingerprint-Eigenschaften im Angebot. Diese müssen sich zwangsweise dem Vergleich mit dem Material des italienischen Produzenten stellen. Ein hoher Gradmesser, wie sich Strecker überzeugt zeigt. «Meiner Meinung nach ist die Qualität der ‹Fenix›-Oberflächen nach wie vor unerreicht.» Ganz nach dem Motto «Qualität hat ihren Preis» bewegt sich «Fenix» dann aber auch im Preissegment ganz oben.
Dafür kann das Material mit einer einzigartigen Eigenschaft aufwarten. Die Oberfläche kann nämlich bis zu einem gewissen Grad thermisch repariert werden. Sprich: Feine Kratzer lassen sich mit einem feuchten Küchenpapier und einem Bügeleisen wieder entfernen.
Während manche Hersteller klar das Ziel haben, mit ihren Produkten in der gleichen Liga zu spielen wie das Material von Arpa Industriale, bringen andere auch Dekore auf den Markt, welche bewusst für andere Qualitätsansprüche gedacht sind. So hat beispielsweise Kaindl im letzten Jahr das «Opti Faced Board» als Ergänzung zu ihrem «Optiboard» lanciert. Während Letzteres als Verbundplatte daherkommt und sich bezüglich der Oberflächenqualität an «Fenix» orientiert, ist das «Opti Faced Board» auf Einsatzbereiche mit geringerem Qualitätsanspruch ausgerichtet. Die Trägerplatte ist vorderseitig direkt mit der matten Anti-Fingerprint-Oberfläche und rückseitig mit einem «normalen» Dekor im selben Farbton beschichtet. «Somit ist das Produkt deutlich erschwinglicher und dadurch für den Objektbereich interessant», sagt Strecker.
Generell zeigen sich Unterschiede bei den Herstellungsverfahren. So wird das Oberflächenfinish beim «Perfect Sense» von Egger und beim «PrimeBoard XTreme» von Pfleiderer etwa mit UV-Lacken erreicht, und bei «Rauvisio Crystal Deep Collection» von Rehau sorgt ein Glaslaminat für die matte Oberfläche und den Anti-Fingerprint-Effekt sowie für eine zusätzliche Tiefenwirkung. Fundermax und Kaindl setzen bei ihren Produkten «Aptico» bzw. «Optiboard» hingegen auf HPL-Verbundplatten. So auch Arpa Industriale beim «Fenix» und Swiss Krono bei der «Be.Velvet»-Kollektion.
Eines haben aber alle Produkte gemeinsam: Auf den matten Oberflächen bleiben kaum mehr Fingerabdrücke zurück.
Wobei diese Umschreibung eigentlich nicht ganz korrekt ist. Denn auch auf den Anti-Fingerprint-Oberflächen bleiben faktisch durchaus Fingerabdrücke oder Fettspritzer zurück. «Die Rückstände sind physisch vorhanden, aber durch die geringe Lichtreflexion der strukturierten Oberfläche kaum mehr sichtbar», erklärt Priester.
Was einfach klingt, ist in der Praxis alles andere als einfach zu erreichen, obschon verschiedene Verfahren zu einem ähnlichen Ziel führen können, wie die Hersteller beweisen. «Wir haben in den letzten Jahren einige Richtungswechsel vollziehen müssen, bis wir einen Weg gefunden haben, bei dem wir mit der Qualität der Oberflächen zufrieden sein können», sagt Priester. Mit den «Be.Velvet»-Oberflächen sei dies nun gelungen. Schaut man sich die Herstellung der Dekore etwas genauer an, wird schnell ersichtlich, warum der Prozess alles andere als einfach ist.
«Unsere Anti-Fingerprint-Oberfläche entsteht durch die Kombination einer strukturierten Polyester-Release-Folie und einer Acryl-Transferbeschichtung», erklärt Priester. Diese Acrylbeschichtung sorgt dafür, dass die Haftung von Hautfett und anderen Schmutzpartikeln reduziert wird. Das Geheimnis des Anti-Fingerprint-Effekts liegt aber vor allem in der sogenannten Würmchenstruktur der Oberfläche, die das Licht bricht. Diese mikroskopisch feine Struktur entsteht durch die in Lack eingelegte Strukturgeberfolie, welche mit einem Laser oder mithilfe von UV-Bestrahlung zusammengeschrumpft wird. Wichtig an diesem Verfahren ist besonders die Atmosphäre der Produktionsumgebung. So wird bei der Herstellung Stickstoff eingeleitet, damit eine Luftverdrängung entsteht. Nur wenn kein Sauerstoff mehr vorhanden ist, kann eine optimale Vernetzung der Acrylschicht stattfinden. Die finale Oberfläche ist dann sowohl kratz- und chemikalienbeständig als auch hydrophob, was zum Beispiel die Reinigung erleichtert.
Apropos Reinigung: Um diese kommt man natürlich auch bei den Anti-Fingerprint-Dekoren nicht herum. Denn der Effekt hat durchaus auch seine Grenzen, wie die beiden Fachmänner offen einräumen. Mit sehr fettigen Fingern werden auch auf diesen Oberflächen sichtbare Abdrücke entstehen. Und wie zuvor beschrieben, sind auch die nicht sichtbaren Schmutzrückstände physisch vorhanden.
«Grundsätzlich sind diese Oberflächen einfach zu reinigen», erklärt Strecker. Ein Baumwolllappen und etwas Wasser oder ein mildes Reinigungsmittel reichen in der Regel schon aus. Die Schmutzpartikel können sich allerdings auch in den Tälern der Mikrostruktur ablagern. «In diesem Falle lassen sich diese Schmutzablagerungen sehr effektiv mit einem Schmutzradierer, auch Zauberschwamm genannt, aus diesen Tälern entfernen», sagt Strecker. «Das kann schon ohne Wasser funktionieren, aber am besten feuchtet man den Zauberschwamm dafür etwas an.»
Generell empfiehlt es sich aber, die Reinigungshinweise der Hersteller zu beachten. Denn mit den falschen Mitteln können unschöne Glanzstellen entstehen. Für diejenigen, die auf Nummer sicher gehen wollen, gibt es auch Reinigungsmittel, die speziell auf die matten Oberflächen abgestimmt sind – etwa den Reiniger «Super Matte » von Unika oder den «greenline Finish-Reiniger Perfect Matt» von Redocol.
Veröffentlichung: 06. November 2025 / Ausgabe 45/2025
Schleifverfahren. In Holzlaufrichtung schleifen ist nur möglich, wenn es eine solche überhaupt gibt. Die Technik hat im Bereich Schleifen viele Fortschritte gemacht, die man in ihrer Wirkung verstehen muss, um sie zielgerichtet und erfolgreich nutzen zu können.
mehr
Biozidfreie Beschichtung. Lange galt «Viel hilft viel», doch inzwischen weiss man es besser. Um Holz zu schützen, braucht es keine Biozide, sondern Schutz vor Durchfeuchtung. Genau da liegt der Hund begraben: Keine Beschichtung schützt dauerhaft, ob mit oder ohne Gift.
mehr
PaidPost. Beim traditionsreichen Unternehmen Gross Fenster + Türen GmbH in Salzweg bei Passau (D) hat Range + Heine aus Winnenden (D) kürzlich die horizontale Flutanlage für die Grund- und Zwischenbeschichtung von Holzteilen modernisiert und erweitert.
mehr