Flüchtlinge lernen bei den Luzerner Schreinern

Basli Gasser (r.) freut sich darüber, dass sein Mitarbeiter Dejen Tadese im Sommer mit der 4-jährige Schreinerlehre EFZ seine Ausbildung weiterführt. Bild: Isabelle Spengler

Integration. Flüchtlinge sollen auch beruflich in der Schweiz Fuss fassen. Darum bemüht sich die Stadt Luzern und erhält Hilfe vom Verband Luzerner Schreiner. Zusammen haben sie ein Ausbildungsangebot erarbeitet.

Dem Schreiner liegt das Machen im Blut. Da ist es nur naheliegend, dass, wenn Not am Mann ist, auch gleich Nägel mit Köpfen gemacht werden. Gleich zwei Probleme galt es anzugehen: Der Verband Luzerner Schreiner ist stets auf der Suche nach motivierten Lernenden, was sich zunehmend als schwierig gestaltet und die Stadt Luzern hielt Ausschau nach Möglichkeiten, die Erwerbsquote von Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen zu steigern.

Berufliche Perspektive

Einmal am gleichen Tisch, hatten sich Verband und Stadt schnell gefunden und stellten kurzerhand ein neuartiges Ausbildungsangebot für Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene auf die Beine. Ziel ist es, jungen Erwachsenen, die in die Schweiz geflüchtet sind, eine berufliche Perspektive zu geben. Mit dem neu geschaffenen Bildungsangebot erhalten sie die Möglichkeit, einen Beruf in der Holzbranche zu erlernen.

Nur ein Drittel hat Arbeit

Anfang Woche wurde das einjährige Ausbildungsprogramm «Perspektive Holz» inmitten der Schreinerei der Gawo Gasser AG im luzernischen Wolhusen den Medien vorgestellt. Der Stadt Luzern sei es ein grosses Anliegen, dass Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene schneller in den Arbeitsmarkt integriert werden, sagte der Luzerner Stadtrat Martin Merki, bei der Begrüssung. In der Stadt Luzern leben nahezu 1’000 Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene, welche keine Arbeit haben und deshalb wirtschaftliche Sozialhilfe beziehen. Die Erwerbsquote betrug per Ende März 32,2 Prozent bei Flüchtlingen und 37,7 Prozent bei vorläufig Aufgenommenen. Diese Quote soll gesteigert werden. Aus diesem Grund hat das Stadtparlament im Herbst 2017 für drei verschiedene Integrationsmassnahmen Mittel im Wert von 1,5 Mio. Franken gutgeheissen.

Vermittlung von berufspraktischen Grundlagen

Der Ausbildungsgang «Perspektive Holz» ist eine der drei lancierten Massnahmen und wurde vom Verband Luzerner Schreiner konzipiert. Neun junge Erwachsene im Alter von 21 bis 35 Jahren sollen diesen Sommer in den Lehrgang starten. An drei Tagen in der Woche werden die Teilnehmenden im Umgang mit Holz ausgebildet. Der Fokus liegt klar auf berufspraktischen Grundlagen. An den verbleibenden zwei Tagen steht die Vermittlung von Deutsch, Theorie- und Praxiswissen auf dem Programm. Zwei je dreiwöchige Praktika in holzverarbeitenden Betrieben runden den Lehrgang ab. Das Ziel ist, dass die Teilnehmenden nach einem Jahr den Übertritt in die berufliche Grundbildung schaffen, damit sie eine Lehre mit dem eidgenössischen Berufsattest (EBA) abschliessen können.

Handeln statt zusehen

«Wir müssen aufeinander zugehen, denn es ist auch in unserem Sinne, dass die zukünftigen Bewohner unseres Landes selbstständig durchs Leben gehen können», sagt Beat Bucheli, Präsident des Verbands Luzerner Schreiner und treibende Kraft hinter dem Ausbildungsgang. «Von den jungen Flüchtlingen bleiben rund 70 Prozent in der Schweiz und ich bin überzeugt davon, dass wir viele von ihnen in Schreinereien, Zimmereien und Sägereien einsetzen können», sagt Bucheli weiter.

Mit Begeisterung dabei

Andreas Schädler, Geschäftsleiter des Verbands, erarbeitet derzeit das berufspraktische Ausbildungsprogramm, welches rund die Hälfte des Lehrgangs ausmacht. Bei seinen Recherchen und den zahlreichen Kontakten von Involvierten, hörte er immer wieder ähnliche Erfahrungsberichte: «Die jungen Leute sind oft sehr lernbegierig. Natürlich kämpfen sie mit dem sprachlichen Handicap, aber dafür bringen sie umso mehr Motivation mit.»

Vom Berufsattest zum Fähigkeitszeugnis

Dass die Medienorientierung bei der Gawo Gasser AG stattfand kam nicht von ungefähr. Basli Gasser, Geschäftsführer der Gawo Gasser AG, beschäftigt in seinem Betrieb bereits zwei vorläufig Aufgenommene Eritreer und konnte so den Anwesenden von seinen Erfahrungen berichten. Beide Mitarbeiter sind nun an der 2-jährigen Regellehre EBA. Dejen Tadese ist seit fünf Jahren in der Schweiz und schliesst das EBA diesen Sommer ab. «Wir hatten Mühe passenden Nachwuchs für unseren Betrieb zu finden und haben uns auch darum für diesen Schritt entschieden.», sagt Gasser. Entscheide man sich dafür, Flüchtlingen einen Ausbildungsplatz anzubieten, müsse man sich bewusst sein, dass man die jungen Leute nicht nur fachlich, sondern auch ein Stückweit menschlich ausbilde. Dazu gehöre auch das Vermitteln unserer Wertvorstellungen, wie zum Beispiel die der Pünktlichkeit, sagt Gasser weiter. Sein Engagement trägt nun erste Früchte, denn Tadese hat sich entschieden, nach Abschluss des EBA auch noch die vierjährige Lehre zum Schreiner mit eidg. Fähigkeitszeugnis (EFZ) anzuhängen. Er weiss schon jetzt: «Auch nach der vierjährige Lehre möchte ich mich noch weiterbilden, denn das Lernen macht mir Freude.»

Unterdessen ist der Verband Luzerner Schreiner daran, passende Flüchtlinge für den Ausbildungsgang «Perspektive Holz» zu finden. Eine erste Infoveranstaltung fand bereits statt. Im August startet dann das Programm. Die Stadt Luzern und der Schreinerverband haben sich vorerst darauf geeinigt, das Programm zwei Mal durchzuführen. Wie es danach weitergeht ist noch offen.

ids

www.luzerner-schreiner.ch
www.gawo.ch
www.stadtluzern.ch

Veröffentlichung: 07. Juni 2019

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