Furnier voller Geheimnisse

Die Vielfalt von reproduzierbarem Holz durch Färben und Multilaminierung ist riesig. Bei Tabu sind es derzeit 750 Produkte. Die Rezepte bleiben geheim. Bild: Christian Härtel

Vor ort.  Die Tabu Spa ist eine der Herstellerinnen von gefärbtem und multilaminiertem Furnier. Beim Besuch der Produktion im italienischen Cantù wird schnell klar: Man lässt sich nicht in die Karten schauen – die Geheimnisse beim Durchfärben von Holz bleiben weiterhin gewahrt.

Ganz leicht ist es nicht, bei Tabu eingelassen zu werden. Obwohl das Furnierwerk inmitten des lombardischen Möbelzentrums Cantù liegt, sind doch einige Hürden zu überwinden, um in eines der wenigen Furnierwerke zu gelangen, die sich mit der Standardisierung von echtem Holz als Furnier (auch «Konzeptholz» genannt) beschäftigen. Drei separate Eingänge lassen hoffen, die ersten beiden Versuche enden jedoch am Scanner vor der jeweiligen Schranke. Tor Nummer drei bietet eine mit verspiegeltem Glas versehene Eingangspforte. Und eine Klingel. Die Empfangsdame kommt. Während des Wartens in einem kleinen Raum mit alten Schreibmaschinen und einigen Musterexemplaren kann man weitere Besucher und Geschäftspartner an der Pforte sehen, ebenfalls leicht irritiert. Kein Zweifel: Hier werden Holzprodukte hergestellt, die auch Geheimnisse in sich tragen.

Zwölf Millionen Quadratmeter

Manche nennen die standardisierten Echtholzfurniere auch «Designfurniere» oder eher technisch «Multilaminarholz». Der Begriff Konzeptholz lässt offen, wie genau das Holz hergestellt wird, und trifft es vielleicht so am besten. Denn die Tabu Spa ist zunächst eine Furnierherstellerin. Dafür stehen sowohl Messer- als auch Rundschäl- maschinen zur Verfügung. Dazu die ganz grossen Anlagen wie Durchlauftrockner, Zuschnittanlagen und natürlich das grosse Produktlager. «Etwa zwölf Millionen Quadratmeter Furniere lagern hier», sagt Diego Epifanio, zuständig für das Marketing im Unternehmen. Darunter sind naturbelassene Furniere aus einer Vielzahl von Holz- arten, gefärbte Furniere, multilaminierte Hölzer und auch Holzböden sowie tapetenartig anmutende, lasergeschnittene Hölzer für grossflächige Wandverkleidungen.

Vom Schreiner erfunden

Bis heute ist die Tabu Spa ein Familienbetrieb geblieben, auch wenn dieser heute weltweit etwa 200 Mitarbeiter zählt. Zwei Drittel des jährlichen Umsatzes von etwa 25 Millionen Euro erzielt das Unternehmen in den 62 Exportländern, ein Drittel in Italien. «Unsere wirtschaftliche Lage hat sich wieder gebessert. Das Wachstum ist seit 2013 wieder da und sogar besser als vor der Krise», erklärt Epifanio. Der namengebende Gründer Achille Tagliabue war selbst Schreiner und experimentierte mit dem Färben von Furnier, um dieses gleichmässiger zu machen. 1927 gegründet, baute man das Unternehmen 1963 zum industriellen Betrieb um, so konnte man auch das Material im Furnierwerk selbst produzieren. Beim Rundgang über das 100 000 m2 grosse Firmenareal fällt zunächst auf, dass für ein Furnierwerk recht wenige Stämme gelagert werden, doch als Furnierveredler ist Tabu eben vor allem auch Spezialist in der Weiterverarbeitung, allem voran für das Durchfärben von Holz. Dieses Prinzip hat Tagliabue aus dem Textilbereich, der Seidenfärberei, auf das Holz übertragen.

Farbe durch und durch

Deshalb gibt es Besonderheiten im Werk. Etwa das Labor, in dem an den Rezepturen für die Farben gearbeitet wird. Bunte Reagenzgläser stehen auf den Tischen, daneben sind spezielle Computerprogramme auf den Bildschirmen zu sehen. Jedes Rezept wird genau definiert und erprobt, archiviert und beschrieben.

Es kommen Pigmentlösungen auf Wasserbasis zum Einsatz, mit deren Hilfe das Holz seine Farbe bis ins Innere erhält. «Starkschnittfurniere von zwei Millimetern Dicke sind noch ohne Weiteres machbar. Es geht auch noch stärker, aber dann wird es schwieriger, die Prozesssicherheit zu garantieren», erklärt Epifanio. Und gerade die Sicherheit und damit auch die jederzeit mögliche Reproduzierbarkeit sind ein dickes Plus von gefärbtem Holz. «Ein Kunde kann auch nach vielen Jahren genau das gleiche Furnier bei uns bestellen», sagt Epifanio. Und natürlich kann ein Kunde individuell auch sein eigenes Furnier herstellen lassen, mit immer gleicher Struktur und Farbe. Interessant ist das natürlich vor allem für grosse Möbelproduzenten und Weiterverarbeiter, bei denen es um Luxus geht, wie beispielsweise Yachtbauer, oder aber für die Automobilindustrie. Diese ist ein wichtiger Geschäftszweig für den Furnierhersteller. Schliesslich möchte man bei BMW nicht das gleiche Holz haben, wie etwa Mercedes es verwendet.

Das Materialmagazin direkt neben dem Labor ist deshalb ebenso wichtig. Dort sind alle Furniere und Materialmuster, die produziert wurden, in den Aktenschränken untergebracht. Derzeit sind etwa 750 verschiedene Produkte im Programm. «Früher haben wir mehr probiert und versucht, um möglichst zahlreiche Varianten zu kreieren. Heute denken wir eher in Kollektionen», sagt Epifanio.

Die Lichtechtheit ist bei dem gefärbten Holz ein wichtiger Punkt. Diese wurde in den letzten Jahren immer weiter verbessert und ist heute – vorausgesetzt, die Empfehlungen zur Oberflächenbehandlung werden eingehalten – kein Problem mehr. Dazu sollen die Oberflächen mit Lack beschichtet werden. Ölen ist zwar grundsätzlich möglich, wird aber von Tabu wegen der geringeren Lichtechtheit nicht empfohlen.

Gut gehütete Geheimnisse

Wie genau der Färbeprozess abläuft, verrät das Unternehmen nicht, natürlich auch keine Farbrezepte oder andere Details zur Farbgebung. Bei der Betriebsbesichtigung bleibt so manche Halle deshalb verschlossen. Das Know-how des kontrollierten Ablaufes beim Färben ist vielleicht das wichtigste Kapital der Firma. Was man sehen kann, ist die riesige Menge farbigen Wassers, die in die betriebseigene Kläranlage fliesst. «Nach der Reinigung können wir das Wasser wieder für die Produktion einsetzen oder es einfach in den Kreislauf entlassen», erklärt Diego Epifanio.

Daneben fallen grosse Wassertanks auf. Diese sind mit sauberem Wasser gefüllt. «Falls einmal die Wasserversorgung nicht funktionieren sollte, können wir so die Produktion für mindestens eine Woche sichern», erklärt der Marketingexperte. Ähnliches gilt für die Stromversorgung. Diese garantiert eine grossflächige Photovoltaik-An-lage auf dem Dach.

Neben der so gesicherten Versorgung der Produktion geht es auch um den Umweltschutz: Tabu wirbt mit formaldehydfreier Verklebung des multilaminierten Holzes. Auch auf das FSC-Siegel kann das Unternehmen verweisen. Es würde sich schlecht erklären lassen, wenn der Hersteller des farbigen Holzes als Naturprodukt die grossen Mengen des mit Farbpigmenten versetzten Wassers einfach in die Kanalisation entlassen würde. Damit die Farbe auch wirklich lange halte, brauche es noch einen chemischen Zusatz, den Fixierer, verrät Epifanio.

Furnier wie überbreite Tapeten

Auch die Abteilung, in der Furnierblätter mittels CNC-gesteuertem Laser geschnitten und dann wieder in Kollektionsmustern, unterseitig mit einem Vlies kaschiert, zusammengefügt werden, bleibt Verschlusssache. Gleichwohl kann man auf den rohen, zusammengesetzten Furnierblättern die leichten Brandspuren des Lasers an den Schnittkanten noch gut erkennen.

Standardmässig werden so Furnierbilder erzeugt mit einer Breite von 1,26 und einer Länge von 3,06 Metern. Verwendung findet der repräsentative Werkstoff vor allem für grössere Flächen in Hotels, Firmenzentralen und Räumen, die von Publikum frequentiert werden. Das Verkleben der Furnierblätter erfolgt im Allgemeinen nach den bekannten Verfahren. Entweder mit Zickzack-Kunststofffaden oder mit verklebtem Stoss.

Holz reproduziert

Neben dem Durchfärben von natürlichem Furnier und dem dadurch möglichen Egalisieren von Holzmerkmalen ist die Produktion von rekonstruiertem, multilaminiertem Echtholzfurnier die andere Methode, gleichbleibendes Holz herzustellen. Meist geschieht dies in Verbindung mit dem vorangegangenen Färben des Furnieres. Und dazu kommen beide Herstellungsverfahren zum Einsatz: Die Rundschälmaschine für die rationelle Erzeugung von Furnierblättern und die Messermaschine für die Produktion der fertigen Blätter.

Dazwischen liegt das je nach Design und Wunsch neu kreierte Gefüge der Holzblöcke. Dazu werden die gefärbten Schälfurniere nach strengem Muster zu Furnierblöcken verklebt und dann ganz normal gemessert. Die vielen Lagen der Furnierblätter werden meist nicht nur einfach in grossen Pressen verklebt. Denn mit der Stempelform in der Formpresse können beim Messern besondere Muster und Bilder erzeugt werden. Zum Beispiel für die Automobilhersteller. Durch das Formpressen lässt sich etwa bei geschweiften Flächen ein durchgehender Faserverlauf erzeugen.

Ausserdem gibt es bei diesem Verfahren keinen Materialverlust. Ein Furnierblock, der gerade gemessert wird, sieht aus, als ob der Stamm exakt symmetrisch mit zwei Krümmungen gewachsen wäre. Doch für wen das Holz bestimmt ist, soll ein Geheimnis bleiben – zumindest so lange, bis das neue Auto auf dem Markt ist.

www.tabu.it

ch

Veröffentlichung: 01. September 2016 / Ausgabe 35/2016

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