Gratis ist verschenkt

Monteure könnten ideale Verkäufer sein. Aber sie müssen die Arbeit, die sie machen, seriös rapportieren, sonst kann sie nicht verrechnet werden. Archivbild: Reto Schlatter

Kostenabrechnung.  Hier ist ein Schräubchen locker, da wackelt noch eine Schranktür: Schreiner auf Montage sind Freund und Helfer für alle möglichen Zusatzleistungen. Oft machen sie es umsonst und «verschenken damit jedes Mal bares Geld», sagt VSSM-Experte Daniel Furrer.

Schreinerzeitung: Herr Furrer, die korrekte Verrechnung der geleisteten Arbeit ist in der Branche ein Dauerbrenner. Warum tun sich die Schreinerinnen und Schreiner so schwer damit?
Daniel Furrer: Hier liegt wirklich einiges im Argen. Es gibt dafür wohl verschiedene Gründe. Einer ist sicher, dass Schreiner sehr vielseitig begabte Handwerker sind. Sie können fast alles, was in einer Wohnung, in einem Haus gemacht werden muss. Ich erlaube mir einen Vergleich: Ein älteres Ehepaar möchte im Wohnzimmer ein Bild aufhängen. Die beiden fragen dafür nicht den Sanitärinstallateur, der im Badezimmer gerade den Siphon entstopft. Sie fragen den Schreiner, der wegen des Küchenschranks vorbeikommt. Und zwar ganz einfach darum, weil sie ihm das eher zutrauen. Der Schreiner geniesst hohes Ansehen, ihm wird grosses Vertrauen entgegengebracht, was ein gutes Zeichen ist.
Sie fordern, dass er einen solchen Zusatzauftrag zurückweist, sich also von der unfreundlichen Seite zeigt?
Nein, überhaupt nicht. Er soll das erledigen, aber um Himmels willen nicht gratis. Er muss dem Kunden Arbeit und Material verrechnen, sonst verschenkt er bares Geld.
Das müsste ihm ja bekannt sein. Wieso schreibt er keine Rechnung, hat er selber Angst um seinen guten Ruf?
Vielleicht kommt ihm manchmal wirklich der Anstand in die Quere, was falsch ist. Denn Rechnungen stellen, ist nicht unanständig. Generell machen wir die Erfahrung, dass Schreinerinnen und Schreiner sehr gutmütig und hilfsbereit sind. Sie haben ein stark ausgebildetes Berufsethos und identifizieren sich mit ihrer Arbeit. Viele handeln einfach und denken dabei vielleicht zu wenig daran, dass sie auch auf ihre Kosten kommen müssen. Sie müssen selber ja auch Rechnungen bezahlen ...
Das wirft aber schon Fragen auf. In anderen Branchen wird doch nicht darüber nachgedacht, ob Leistungen in Rechnung gestellt werden sollen. Da läuft permanent der Zähler mit ...
Ja, das ist so. Es liegt sicher auch an der Arbeitsweise, die in der Schreinerbranche verbreitet ist, das ist klar. Der Monteur, der auf der Baustelle ist, hat wohl zu oft keine klaren Instruktionen, keine genauen Dokumente. Doch er müsste exakt wissen, wie der Auftrag lautet, der vereinbart worden ist. Er müsste wissen, was der Kunde für sein Geld zugute hat. Hat er diese Informationen nicht, kann er nicht beurteilen, wo es sich um einen zusätzlichen Auftrag handelt und was quasi inbegriffen ist.
Also ist es ein Führungsproblem.
Ja, es ist auch ein Führungsproblem. Die Monteure müssen genau geschult und eben mit Informationen versorgt werden, sonst wird nie exakt abgerechnet werden können. Ich gehe sogar noch weiter: In jeder Schreinerei von durchschnittlicher Grösse wäre der Monteur eigentlich ein idealer Verkäufer. Er ist vor Ort bei der Kundin oder beim Kunden und könnte eine Vielzahl zusätzlicher Aufträge akquirieren, wenn er es schlau macht. Doch es braucht Disziplin, er muss die Arbeit auch rapportieren, damit sie korrekt verrechnet werden kann.
Das sind wohl meistens nicht die ganz grossen Aufträge, sondern Arbeiten, die eher im Vorbeigehen gewünscht und dann auch so erledigt werden. Wie soll da der Monteur korrekt vorgehen, damit alles nachvollziehbar ist?
Wenn es sich um einen Spontanauftrag handelt, der umgehend ausgeführt wird, muss man diesen unbedingt vom Auftraggeber nachbestätigen lassen. Ein Regierapport mit der Formulierung «Gemäss Besprechung auf der Baustelle ...» oder ähnlich genügt. Der Kunde muss den Rapport möglichst rasch bekommen und bestätigen können. Sicher hilfreich ist noch ein Satz wie: «Ohne Gegenbericht genehmigt.»
Wie sieht es aus bei nicht kalkulierter Arbeit, die durch die Umstände auf der Baustelle entsteht? Wenn der Schreiner zum Beispiel Beton spitzen muss, bevor er eine Tür einbauen kann ...
Eigentlich genau gleich. Zentral ist, dass man den Bauherrn darüber in Kenntnis setzt, sich mit ihm abspricht und den zusätzlichen Aufwand bestätigen lässt. Und klar, in beiden Situationen gilt: Der Auftrag muss im ERP erfasst werden, zum Beispiel als Unterposition des Hauptauftrags, mit Zeit- und Materialaufwand. Es sind klar definierte Prozesse wichtig. Denn eines steht fest: Wenn die geleistete Arbeit exakt erfasst wird, ist die Abrechnung schon halb erledigt. Man spart sehr viel Aufwand, etwa für Rückfragen und Abklärungen.
Das bedingt aber, dass der Betrieb bezüglich Digitalisierung à jour ist ...
Auf dem Markt gibt es sehr gute Programme, die einem diese Arbeit erleichtern. Mit einer solchen Software lassen sich alle Aspekte eines Auftrags sauber erfassen. Bedingung ist sie aber nicht, man muss die Rapportierung nicht digital machen. Wenn der Monteur gut instruiert ist, kann er das auch mit dem Regieblock erledigen.
Die konsequente Abrechnung der geleisteten Arbeit ist also eher einfacher geworden, und trotzdem hat das Thema diese Brisanz?
Ja. Wie Sie schon gesagt haben, handelt es sich um einen Dauerbrenner. Das Phänomen der gratis geleisteten Zusatzarbeiten hat es schon immer gegeben. Neu ist aber, dass solche Fehlbeträge stärker ins Gewicht fallen. Die Branche hat heute zusätzlich ein Problem mit den Margen. Viele Produkte wie Küchengeräte, mit denen der Schreiner handelt, werfen nichts mehr ab. Es gibt wohl sogar Situationen, in denen das Liefern von Geräten nicht mehr kostendeckend ist. Früher konnte der Schreiner mit den Margen seine erbrachten Dienstleistungen decken. Heute muss er dafür umso genauer sein beim Abrechnen.
Immer wieder hört man, dass im Zusammenhang mit Planungs- und Projektierungsarbeiten im Prinzip die gleichen Nachlässigkeiten zu beobachten sind: Schreiner planen zum Beispiel eine Küche, aber sie stellen den Aufwand dafür nicht in Rechnung.
Das ist richtig. Man muss sich das einmal vorstellen: Eine Küche zu planen, bedeutet im Minimum einen halben Tag Arbeit. Von zehn Projekten, die man plant und offeriert, führen oftmals nur zwei zum Auftrag, die anderen acht Planungen macht man für den Papierkorb. Das ist einfach unproduktiv. Vor allem wenn man bedenkt, dass mit der Planung eher die besser verdienenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Schreinerei betraut sind.
Also müsste man die Planung separat abrechnen und dem Kunden das Küchenprojekt als eigenständiges Produkt verkaufen?
Genau, so müsste es sein. Ein Auftrag hat einfach mehr Facetten als die Produktion und die Montage. Da steckt viel mehr Arbeit und Know-how drin. Und das sollte eben auch verrechnet werden. Wobei sicher ein Umdenken stattfindet. Es gibt inzwischen Schreinereien, die genau so vorgehen: Sie machen eine Planung und verkaufen dann das Projekt dem Kunden. Dieser hat die Freiheit, sich für die Umsetzung einen anderen Handwerker zu suchen. In der Realität macht er das wohl kaum. Aber es wäre theoretisch möglich.
Aktuell beschäftigen die Preisanstiege für Holz und Holzwerkstoffe die Branche. Das schafft neues Konfliktpotenzial, vor allem wenn es darum geht, wer die Mehrkosten übernimmt.
Das macht die Sache in der Tat nicht einfacher. In erster Linie ist entscheidend, wann die Offerte datiert ist und wie lange sie gilt. Ein Beispiel: Hat der Schreiner Ende Dezember 2020, also vor der Zuspitzung der Lage am Werkstoffmarkt, einen Auftrag offeriert mit einer Gültigkeit von sechs Monaten, kann es für ihn ungünstig laufen. Denn entscheidet sich der Kunde jetzt, den Auftrag auszuführen, trägt der Schreiner die Mehrkosten. Inzwischen ist man vorsichtiger geworden und setzt einen Hinweis auf die Teuerungsaufrechnung in den Werkvertrag. Wenn der Kunde diesen unterschreibt, ist das Unternehmen gegen Preisanstiege abgesichert.
Was kann der VSSM als Berufsverband tun, um das Bewusstsein fürs Thema Kostenabrechnung zu schärfen?
Als Verband thematisieren wir das Problem und sensibilisieren die Unternehmen in der Branche, damit sie ein stärkeres Augenmerk darauf richten. Ausserdem haben wir es uns zum Ziel gesetzt, in den kommenden zwei Jahren einen Schwerpunkt auf dieses Problem zu legen. Wir wollen erreichen, dass erbrachte Dienstleistungen abgerechnet werden und dadurch die Ertragskraft in der Branche wächst. Viel kann ich dazu noch nicht verraten, weil wir erst am Erarbeiten dieses Vorhabens sind. Doch gegen Ende Jahr werden wir sicher mehr darüber kommunizieren können.
Und wenn Sie persönlich um einen Ratschlag gebeten werden, was sagen Sie?
Die Schreiner müssen lernen, auch für sich zu schauen. Manchmal habe ich den Eindruck, dass sie auf dem Weg zum Kunden als Erstes überlegen, was für einen Rabatt sie ihm geben können. Das muss nicht sein. Wenn man einen Kunden für einen Auftrag begeistern kann, dann zahlt er auch den Preis, der fällig wird. Die Leistung muss stimmen, das versteht sich von selbst. Ich kann nicht viel Geld verlangen für etwas, das nicht gut genug ist. Doch die Rabattschlacht in der Baubranche ist ein kompletter Unsinn und schadet den Unternehmen. In der Migros bezahle ich an der Kasse meinen Einkauf, packe ihn ein und verlasse den Laden. Da bietet mir niemand 2 Prozent Skonto, wenn ich der Kassierin das Geld sofort in die Hand drücke. In der Baubranche ist das aber so: Man macht einen Rabatt für jene, die fristgerecht bezahlen. Das ist ein alter Zopf, den man nun endlich abschneiden muss. Diese Praxis ist schlicht und einfach absurd.

Zur Person

Daniel Furrer (56) ist stellvertretender Direktor des Verbands Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten (VSSM) und Leiter des Bereichs Technik und Betriebswirtschaft. Dieser entwickelt technische und betriebswirtschaftliche Hilfsmittel, Fachdokumentationen, Praxismerkblätter etc. Die Fachstelle macht Expertisen und berät Betriebe in wirtschaft- lichen und technischen Belangen.

www.vssm.ch

Martin Freuler, mf

Veröffentlichung: 24. Juni 2021 / Ausgabe 26/2021

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