Gute Ideen bewegen


Drei Tage lang in Bewegung: Patrick Kurmann führt seine auf- und einfaltbaren Möbel vor, die sich vielfältig verwandeln lassen. Bild: Christian Härtel


Drei Tage lang in Bewegung: Patrick Kurmann führt seine auf- und einfaltbaren Möbel vor, die sich vielfältig verwandeln lassen. Bild: Christian Härtel
Blickfang Zürich. An der 29. Ausgabe der Messe Blickfang im Zürcher Kongresshaus vom 14. bis am 16. November war so manch hölzige Idee unter den Präsentationen der 200 Ausstellenden zu finden, und dies nicht nur von Schreinern. Die Schreinerzeitung hat vier davon ausgewählt.
«Bei mir ist alles in Bewegung», sagt Schreiner Patrick Kurmann. Seinen gelernten Beruf hat er zum Hobby gemacht und fertigt in seiner kleinen Werkstatt in Greppen LU unter dem Label «deindreh» Möbel, die sich von rund zu eckig, von hoch zu flach oder vom liegenden Sechskant zu einem stehenden Rechteck wandeln lassen. Möglich machen das Textilbänder, die zwei Korpusse an ihrer Gehrungskante aussen miteinander verbinden. So lassen sich die beiden Teile in zwei Richtungen klappen. Wie geschaffen scheinen seine Kleinmöbel für die Blickfang. Denn irgendwas ist immer in Bewegung, die Leute bleiben stehen, schauen, staunen, und im besten Fall greifen sie zu und kaufen ihr Lieblingsstück direkt.
Kurmann hat Freude am Ausprobieren und Tüfteln. Jedes Stück entsteht in der Regel nur einmal. Begreifen kann man die Ideen am besten, wenn die Verwandlung im Gange ist. Das hat Kurmann drei Tage lang getan, Hilfe gab es am Ende von seiner kleinen Tochter, die das Hin und Her mit den Stücken beherrscht wie der Papa.
Um Bewegung geht es auch bei den Möbeln von Aron Gaspar. Denn der Skater macht Möbel mit ausgedienten Boards. «Ich sammle die Boards und arbeite sie in meine Möbel mit ein», erklärt der gelernte Maler aus Luterbach SO.
Als Nichtskater staunt man nicht schlecht, wie viel Material zusammenkommt. Ein engagierter Hobbyskater verbrauche pro Monat ein Board, dann sei es zerschlissen, sagt Gaspar. Er schenkt den ausgedienten Brettern ein zweites und deutlich längeres Leben. In Verbindung mit Massivholz verarbeitet er die gefärbten Lagenhölzer der Boards zu Möbeln unter dem Label «Ronske». Ein Upcycling, das ankommt. Er ermuntert alle Board-Begeisterten, ihre alten Bretter nicht zu entsorgen, sondern zu sammeln. Gaspar macht dann auch auf Kundenwunsch das individuelle Stück daraus. Sind die Boards zu kurz für eine Tischplatte, dann stösst er die farbenfrohen Streifen einfach stumpf zusammen. Die Farben sollen nur die Funktion haben, die Schichten sichtbar zu machen, weil es für die Boards ein Qualitätskriterium sei. Seit 2018 experimentiert Gaspar mit den Boards und ihrer Umwandlung zu etwas, was Dauer und Wert besitzt. Anerkennend muss man sagen, dass die Möbel perfekt gearbeitet sind, zumal wenn man bedenkt, dass Gaspar sich den Umgang mit Holz erst autodidaktisch aneignen musste.
Bei den Gebrüdern Roder kommen zwei unterschiedliche Professionen zusammen. Denn Yannik ist Schlosser, und sein Bruder Mike ist Schreiner. Das Handwerk eint sie und die Leidenschaft dazu. Zusammen haben sie vor gut drei Jahren den Schritt in die Selbstständigkeit in Altendorf SZ gewagt und machen seitdem auch Möbel. Nach Zürich haben sie ihren Tisch mitgebracht. Der kann viele Gesichter haben. Mit einem Untergestell aus Stahl, vier verschiedenen Varianten bei der Befestigung der Tischbeine und vielen Farben, die gepulvert und eingebrannt erzeugt werden. Für die Platte kommen Parkettböden zum Einsatz, was zusammen einen interessanten Look bildet. Aber auch andere Materialien wie Kunststein setzen die Brüder um. Die Weiterentwicklung des Designs haben sie im Blick. Das auf Mass gefertigte Gestell hat an den Ecken eine Lochplatte für die Aufnahme von weiteren Tischbeinkonstruktionen.
Interessant dabei: «Viele Besucher bleiben wegen der Fischgratplatte beim Möbel stehen. Aber nicht wenige wollen dann beim Bestellen doch lieber etwas weniger Auffälliges», sagt Yannik Roder.
«Triangle 001» von Schreiner und Industriedesigner Flavio Zehnder aus Ettenhausen TG ist ein Beistelltisch, der sich über einen einfachen Mechanismus definiert. Dabei bilden sechs Holzelemente eine stabile Konstruktion, die sich jederzeit von Hand vollständig zerlegen lässt. So werden die beiden Rundstäbe als Beine durch den zentralen Träger geführt und mit kleineren Rundstäben fixiert. Die konische Tischplatte wird vom zentralen Tragholz durchdrungen und hält, indem sie verkantet, durch ihr Eigengewicht. Ein leichtes Anheben am Ende der Platte genügt, und schon lässt sie sich in der Höhe stufenlos verstellen.
«Reduziert im Ausdruck und präzise in der Idee», beschreibt Zehnder selbst sein Möbelstück, das seine Funktion und Struktur offen darlege. Dem ist wahrlich nichts hinzuzufügen.
www.deindreh.chwww.ronske.chwww.gebr-roder.chwww.flaviozehnder.chwww.blickfang.com
Veröffentlichung: 20. November 2025 / Ausgabe 47/2025
Messe. An der 29. Ausgabe der «Blickfang» im Zürcher Kongresshaus waren vom 14. bis 16. November 2025 weniger Schreinereien unter den Ausstellern, als in den letzten Jahren. Trotzdem war so manch hölzige Idee unter den Präsentationen der 200 Ausstellenden zu finden. Die Redaktion der SZ hat sich vor Ort umgeschaut.
mehr
Nachwuchsstar. 2022 wurde Simone Scozzi an der Holzmesse als «Schreiner Nachwuchsstar» ausgezeichnet. Der heute 33-Jährige aus Leimbach AG war von seinem Erfolg und der Aufmerksamkeit überrascht. Im Nachhinein würde er beim Sideboard einiges anders machen.
mehr
PaidPost. Das Handwerk ist in der afrikanischen Kultur verwurzelt. Am Design-Wettbewerb der Borm-Informatik AG in Zusammenarbeit mit der Stiftung SOS-Kinderdorf haben Lernende aus Niger ihr Können bewiesen und sich so ein Stipendium gesichert.
mehr