Holz macht sich schick

Holz geht in den Ausgang: Handtasche «Silva» gibts in Esche und Eukalyptus. Bild: Noah Italian Vegan Shoes

Werkstoffe.  Nachhaltig zu produzieren, ist ein Dauerbrenner, und Holz ein begehrter Experimentierstoff. Nun wird die Textilwelt aufgemischt. Tragbar, weich und flexibel ist das neue Material – für Taschen und Schuhe sowie im Auto und Innenausbau geeignet.

Es sieht aus wie Furnier und wirkt wie Leder: Holzleder oder auch veganes Leder zählt aktuell zu den Trend-Textilien. Der Markt ist noch sehr überschaubar, die Verarbeitung des Holzes zum flexiblen Material wird teils streng gehütet. Die Spurensuche führt nach Italien.

Geheime Prozedur

In der Nähe von Venedig werde das Holz, das wie Leder wirkt, entwickelt und hergestellt, meint Peter Mayan von Noah Italian Vegan Shoes. Noah vertritt die Philosophie einer wirtschaftlich sozialverträglichen Alternative zum traditionellen Lederschuh. Aus Achtung vor Mensch, Tier und Umwelt sucht man nach nachhaltigen und dauerhaften Materialien. Im Sortiment sind Taschen, Mützen und ein breites Angebot an Schuhen. Gefertigt werden Letztere nach traditioneller italienischer Handwerkskunst aus Microsuede, Micronappa, Baumwolle und Leinen. Auf Holzbasis hergestellt wurden bisher nur zwei Taschenmodelle: «Silva», eine Clutch im Retro-Look und «Arboria», ein City-Shopper. «Es ist eine spezielle Prozedur, die leider nicht veröffentlicht wird», lautet die knappe Antwort per E-Mail. Telefonisch lässt sich leider kein Kontakt herstellen. Nur so viel gibt man preis: Die Holzteile werden gelasert, zusammengenäht und die Oberflächen mit speziellem Wachs behandelt, sodass sie der Feuchtigkeit standhalten. Der Pflegetipp im Onlineshop gibt noch einen Hinweis auf das Material: Das mitgelieferte Pflegeöl, das man alle zwei bis drei Monate auftragen soll, erhalte die geschmeidige Fläche der Holzblätter. Es schützt vor Schmutz und Wasser und ist Versiegelung und Pflege zugleich.

Für die Tasche «Silva» gab es im vergangenen Jahr den Vegan Innovation Award. Dieser wird verliehen im Rahmen der «Veganfach» in Köln, einer Messe für Verbraucher und Fachleute aus Handel und Gastronomie. Den Preis für besonders herausragende Produktentwicklungen lanciert die vegane Gesellschaft in Deutschland.

2018 gab es Nominierungen in den drei Kategorien Essen, Trinken und Leben. In diesem Jahr feiert das Unternehmen den zehnten Geburtstag. Es kann auf weitere Preise zurückblicken, so zum Beispiel die Peta-Awards in Deutschland und Grossbritannien. Verkauft wird international an Geschäfts- wie auch an Endkunden. Lasern in Holz ist nicht eben ein günstiges Herstellungsverfahren. Geliefert wird nicht im Niedrigpreissegment. «Silva» kostet um die 305 Franken.

Furnier patentiert

Mehr zu den Hintergründen des neuen Holzes erfährt man bei Mymantra in Rom, dem Hersteller der eingetragenen Marke Ligneah Wooden Leather. Dahinter steht der Erfinder Marcello Antonelli, ehemals in leitender Funktion bei einem Textilunternehmen, zusammen mit seiner Tochter und Designerin Marta Antonelli. Als Tierschützerin suchte sie eine Alternative zu Leder. Ihr Vater ging auf Spurensuche und entwickelte ein mehrstufiges Verfahren, bei dem aus Holz ein Produkt mit textilen Eigenschaften wird.

Das patentierte Material besteht aus einer Baumwollträgerschicht und mehreren, sehr dünnen Furnierschichten, die miteinan- der verklebt werden, auf wasserlöslicher Basis – der Umwelt zuliebe. Die mehrlagige Baumwolle auf der Rückseite verstärkt das weiche Material und macht es gleichzeitig wasserresistent. Es kann mit einem speziellen Verfahren auch eingefärbt werden. Abschliessend wird die Oberfläche mit einem wasserabweisenden Lackspray quasi versiegelt.

Die Kunst der Lasergravur

«Durch die mit Laser gravierte Strukturierung wird das Furnier nicht nur biegsam, sondern auch geschmeidig und hochflexibel», sagt Adriano Pistola von Mymantra in Rom. Es gibt ein paar Faustregeln für Lasergravuren in Holz: Harte Hölzer ergeben dunkle, weiche Hölzer hellere Gravuren. Je trockener und harzfreier das Holz, desto heller die Schnittkante. Um das gewünschte Ergebnis zu erhalten, also beispielweise um Verbrennungen zu vermeiden, müssen Gravur- und Schneidparameter erarbeitet werden.

Von der Manufaktur zur Serie

Zurück zum Wooden Leather von Mymantra: 2016 war das Produkt mit den Massen 65 × 70 Zentimeter in Italien marktreif, um kleine Kapazitäten zu liefern. Doch die Nachfrage nach grösseren Massen stieg. Bei der Suche nach einem geeigneten Kooperationspartner landete man beim deutschen Furnierhersteller Schorn & Groh. Seit 2019 steht die in Süddeutschland entwickelte industrielle Fertigung. Der erfahrene Furnierhersteller kreierte mit Antonelli die Marke «Nuo» The Wood Evolution. Das sogenannte Wooden Leather ist in vier verschiedenen Strukturen erhältlich. Geliefert wird in fünf verschiedenen Holzarten, wie Nussbaum, Amerikanischer Ahorn, Europäische Kirsche und Abachi, einem hellen Tropenholz, des gleichnamigen Baums. Auf Nachfrage können weitere Hölzer aus nachhaltiger Forstwirtschaft bestellt werden. Verfügbar sind drei verschiedene Zuschnittgrössen. Das maximale Mass liegt bei einer Länge von 2800 Millimetern und einer Breite von 1250 Millimetern. Auf Anfrage sind auch grössere Zuschnitte möglich. Diese werden vor allem im Interior Design benötigt. Auf diesem Markt will sich Nuo zukünftig weiterentwickeln.

Ein Quadratmeter lasergraviertes Holzfurnier kostet zwischen 80 und 110 Franken, ist also in der oberen Preisklasse angesiedelt. «Dank der Standardisierung der Artikel können wir ein gutes Preis-Leistung-Verhältnis bieten. Wir versuchen, das weiter zu optimieren», sagt Adriano Pistola.

Autos und Rucksäcke

Nuo arbeitet nur mit Geschäftspartnern zusammen. So wird zum Beispiel an Automobilhersteller Citroën geliefert – für die Armaturen, wie auch die Sitzschalen und Kopfstützen der Fahrzeuge. Im Bereich Mode arbeitet Nuo mit einem Vertriebspartner zusammen. Das Portfolio der Geschäftskunden liegt im höheren Preissegment. So führt Chanel beispielsweise Taschen und Fabriano-Rucksäcke aus Wooden Leather.

Produziert wird in verschiedenen Ländern: Nuo verkauft das Material an die jeweiligen Marken, diese verschicken es an ihre Schuh- und Taschenmanufakturen, wo es zum Endprodukt verarbeitet wird. Das heisst, in der Regel wird es genäht oder auch geklebt.

Zur Frage der Ökobilanz

Nuo wirbt für Wooden Leather mit nachhaltigen Labels. Es sei komplett tierfrei, die Hölzer stammen aus nachhaltiger Forstwirtschaft, und die Herstellung reduziere die CO2-Bilanz. Doch selbst zertifizierte Forstwirtschaft schützt bekanntlich die Wälder nicht unbedingt. Der Kohlenstoffdioxid-Fussabdruck (carbon footprint) gilt als ein wichtiges Mass für Kohlenstoffdioxid-Emissionen durch Produkte oder Personen. Nicht zu verwechseln ist er mit dem ökologischen Fussabdruck, der auch die beanspruchte biologische Kapazität betrachtet, gemessen in Hektar Flächenbedarf. Der CO2-Fussabdruck ist für Produkte international standardisiert mit der ISO 14067. Aber es gibt auch eine Reihe selbst ernannter Standards, ein Kontrollmechanismus fehlt. Entsprechend steht er in der Kritik.

«Reducing our carbon footprint» heisst das verwendete Label einer grünen Organisation aus Kanada. Kriterien zum Standard konnten nicht eruiert werden. Bei Nuo werde der gesamte Lebenszyklus eines Produkts gemessen. Verglichen mit Tierleder reduziere sich der CO2-Fussabdruck für einen Quadratmeter Nuo um 63 Prozent, heisst es im Portfolio. Das ist nicht zwangsläufig fragwürdig und stellt die technische Innovation von Nuo nicht infrage. Die Eigenschaften von Holz werden damit erweitert. Nuo hat die Ansprüche einer nachhaltigen Wirtschaftsweise an Standards geknüpft, bei Noah Italien Vegan Shoes ist die Nachhaltigkeit nicht nachvollziehbar. Doch für eine nachhaltige Wirtschaftsweise sind eindeutige und transparente Standards nötig. Andernfalls könnte sich die Idee der nachhaltigen Holznutzung ins Gegenteil umschlagen.

www.noah-shop.comwww.mymantrasrl.comwww.nuo-design.com

Veganes Leder

Eine Alternative zu Tierleder

Das Töten von Tieren zur Ledergewinnung sowie der Einsatz von Chemikalien bei der Lederherstellung stehen vielfach in der Kritik. Alternativen zum atmungsaktiven, reissfesten und dämmenden Leder erfreuen sich vor allem für Schuhe wachsender Beliebtheit. Ein konkurrenzfähiges Substitut zu entwickeln, ist nicht leicht. Bei Leder muss es sich um ein tierisches Produkt handeln. Die Bezeichnung veganes Leder führt also in die Irre. Experimentiert wird unter anderem mit Holzfurnieren. Die Bezeichnung veganes Leder greift den Veganismus-Trend auf, also die Verweigerung, tote Tiere oder Produkte von Tieren zu konsumieren.

www.leder-info.de

MZ, MZ

Veröffentlichung: 29. August 2019 / Ausgabe 35/2019

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