Kaum beschädigt, schon repariert

Beim neuen Autolack aus Maisstärke sollen in Zukunft Kratzer allein dank Hitze wieder verschwinden. Bild: Uwe Bellhäuser

Selbstheilende Schutzschicht.  Seit einiger Zeit hört man immer wieder von Oberflächen, welche die Fähigkeit haben, sich selbst zu heilen. Drei spannende Entwicklungen zeigen auf, wie diese Oberflächen eingesetzt werden können und was deren Vorteile im Gebrauch sind.

Die meisten Oberflächen, die in der heutigen Praxis zum Einsatz kommen, verfügen über irgendeine Behandlung zum Schutz des Grundmaterials. Denn Holz, Metall und auch Kunststoffe reagieren sensibel auf unterschiedliche Umwelteinflüsse wie beispielsweise Feuchtigkeit oder UV-Licht. Wird im Gebrauch nun die schützende Lackoberfläche verletzt und das Trägermaterial freigelegt, ist dieses schutzlos den Einflüssen ausgesetzt. So kann Feuchtigkeit zum Beispiel über kleinere Risse in der Lackschicht eindringen und zu oftmals unbemerkten Schäden gerade bei Holz führen. Mit dem Ansatz, selbst heilende oder regenerierende Lack- und Oberflächensysteme zu entwickeln, forschen verschiedene Branchen an immer neuen Beschichtungsarten.

Beschichtungen mit Funktion

Unter dem Begriff «Smart Coatings» versteht die Lackindustrie funktionale Beschichtungen, die zum Beispiel Gerüche neutralisieren, als Brandschutz-Imprägnierung dienen oder dem Möbelstück eine Anti-Fingerprint-Funktion verpassen. So sind beispielsweise bereits die ersten einsetzbaren Lösungen für selbst heilende Beschichtungen für Autos, Holzfenster oder Türgriffe im Testeinsatz oder werden sogar schon von Betrieben in der Produktion eingesetzt.

Mikrokapseln in der Zwischenschicht

Dem österreichischen Lackhersteller Adler ist es mit der patentierten SH-Technology erstmals gelungen, eine Holzbeschichtung mit selbst heilenden Eigenschaften zu realisieren. Die Entwicklung sorgte in der Branche für Aufsehen und wurde unter anderem als Innovation des Jahres auf der Ligna 2017 ausgezeichnet. Grundlage dieser smarten Technologie sind Mikrokapseln im Lack, die bei einer Beschädigung der Lackoberfläche aufplatzen, beispielsweise durch einen Kratzer oder bei Hagelschlag. Dadurch tritt eine transparente, härtende Spezialflüssigkeit aus und verschliesst die Verletzung. Der mechanische Schaden bleibt optisch zwar erhalten, die Oberfläche wird jedoch durch einen stabilen Film nachhaltig geschützt und das Holz bleibt daher vor Witterung und Feuchtigkeit geschützt. Negative Folgeerscheinungen, wie das Abblättern, Blasenbildung oder ein Austritt von Gerbsäure, gehören der Vergangenheit an.

Auftrag als Zwischenschicht

Mit dem neuen «Aquawood InterCare SH» kann diese Basistechnologie nun bei Holzfenstern eingesetzt werden. Der als deckende Zwischenbeschichtung aufgetragene Funktionslack gewährleistet nebst der hohen Fülle und Isolierwirkung auch die erwähnte SH-Technology.

Beim Spritzauftrag sind die besonderen Einstellungen zu beachten, die notwendig sind: «Wir haben in ausgiebigen Tests genaue Vorgaben für Spritzwinkel, Düsenbohrung und Pistolenfilter erarbeitet, um die Zwischenbeschichtung für das Spritzverfahren optimal einzustellen», erklärt Markus Fessler, Gruppenleiter Bauten/Fenster/Holzbau bei Adler. Darüber hinaus sollte man den Funktionslack nicht zwischenschleifen, da ansonsten die Mikrokapseln beschädigt werden können.

Neue Chancen für Holzfenster

Die Schreinerei Schnaubelt aus dem deutschen Rugendorf setzte den Funktionslack «Aquawood InterCare SH» bei der Sanierung des denkmalgeschützten Rathauses von Bad Berneck (D) ein. «Im Rahmen der energetischen Sanierung sollten auch die Holzfenster ausgetauscht werden. Dafür suchte der Bauherr eine nachhaltige Lösung, die langfristigen Schutz mit minimalem Renovierungsaufwand gewährleistet», sagt Juniorchef Franz Schnaubelt. Die SH-Beschichtung von Adler verbessert die Haltbarkeit und verringert somit auch die Renovierungskosten der eingesetzten Holzfenster.

Tribologisch versiegelt

Die Firma Maco AG setzt neuerdings bei den «Silverlook-Evo»-Beschlägen eine sich selbst schmierende Oberflächenbehandlung ein. Bei dieser sogenannten tribologischen Beschichtung handelt es sich um eine Antihaft- und Gleitbeschichtung, welche eine Reibwertminderung zum Ergebnis hat und somit auch vor Korrosion schützt. Wie bei der menschlichen Haut, die sich bei kleinen Verletzungen selbst heilt, wirken die Nanokapseln in der Deckschicht als Speicher für Schmierstoffe und korrosionshemmende Schutzsubstanzen. Wird die Oberfläche beschädigt, treten die in den Nanokapseln enthaltenen Stoffe aus und füllen die Kratzer wieder auf. «Diese Technologie senkt die Reibung an den Beschlägen und erhöht deren Funktionsdauer sowie den Bedienkomfort», sagt Mark Hamori, Geschäftsführer Vertrieb & Marketing.

Design bleibt unverändert

Die Beschlagteile aus Stahl beziehungsweise der Legierung Zamak werden verzinkt, passiviert und mit einer tribologischen Versiegelung mit integrierten Nanokapseln behandelt. Der optimal abgestimmte Schichtaufbau erhöht die Lebensdauer und die Korrosionsbeständigkeit. Für Anwender ist der höhere Bedienkomfort dank verbesserter Gleiteigenschaften von Vorteil. Verarbeiter schätzen die wenigen Fettpunkte, die dem sauberen Arbeiten in die Hände spielen. Die Optik der «Silverlook-Evo»-Beschläge bleibt dem bisherigen «Silverlook»-Verfahren gleich, die Umstellung erfolgt für die Verarbeiter daher ohne erkenntliche Designänderung.

Mit Maisstärke und Wärme

Mit dem Ziel, dass oberflächliche Mikrokratzer in der Autokarosserie oder auf anderen Hochglanzoberflächen der Vergangenheit angehören, haben die Experten des Leibniz-Institut für Neue Materialien (INM) aus Saarbrücken (D) und Wissenschaftler der Universität des Saarlandes einen neuen Decklack entwickelt. Der aus Maisstärke gefertigte Lack ist aufgrund der besonderen Anordnung seiner Moleküle in der Lage, durch Wärme kleine Kratzer selbst zu reparieren.

Die Vernetzung über ringförmige Moleküle macht das Material beweglich, sodass es die Kratzer automatisch ausgleicht und diese wieder verschwinden. Das entstehende Moleküle-Netzwerk ist beweglich und elastisch, weshalb bei Wärmeeinwirkung die Perlen aus ringförmigen Verbindungen entlang der Kunststofffäden in den Bereich des oberflächlichen Kratzers wandern.

Um einen funktionsfähigen Lack mit höherer mechanischer Stabilität und Witterungsbeständigkeit zu erreichen, veränderten die Wissenschaftler am INM die Zusammensetzung. Mit dem Resultat, dass sich die Reparaturzeit von mehreren Stunden auf nur wenige Minuten verringerte. «Im Rahmen vieler Versuche für unterschiedliche Mischungsverhältnisse in Kombination mit künstlichen Bewitterungstests untersuchten wir vorlackierte Oberflächen, auf die wir den neuen Lack als Decklack auftrugen», sagt Chemiker Carsten Becker. Nun sei es möglich, Mikrokratzer in nur einer Minute bei 100 Grad Celsius verschwinden zu lassen.

www.adler-lacke.chwww.maco.euwww.leibniz-inm.de

Noah Gautschi

Veröffentlichung: 03. September 2020 / Ausgabe 36/2020

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