Kleine Teilchen mit grosser Wirkung

Bild: Hotel Piz Buin Im Café Bär’s des Hotels Piz Buin waren 205 m2 Holz transparent lackiert. Nach 130 Stunden CO2-Strahlen mit 5 cm breiter Düse war es wieder hell.

Renovation.  Feinstrahlen ist eine vielseitige Technik zum Entfernen von alten Holzoberflächen. Für den Schreiner ist sie eine Alternative zum Schleifen oder Ablaugen: Er kommt viel schneller voran und kann sauber arbeiten – sowohl auf der Fläche als auch in Profilen und Ecken.

Beim Strahlen wird ein festes oder flüssiges Strahlmittel mit hoher Geschwindigkeit über eine Keramikdüse auf eine Oberfläche «geblasen». In der Regel wird im Baubereich frei mit Druckluft gestrahlt (Freistrahlen), während es in der Industrie grössere Strahlräume oder kleinere -kabinen gibt. Grundsätzlich wird zwischen Feinstrahlen und Sandstrahlen unterschieden. Das Feinstrahlen arbeitet mit geringeren Drücken und sanfteren Strahlmitteln. Sanft meint hier klein (bis zu 300 Mikron = 0,3 mm), leicht und relativ weich. Beim Sandstrahlen hingegen werden Strahlmittel eingesetzt, die schwer, hart und scharfkantig sind. Das Ergebnis wird zudem von der Düsengrösse, dem Luftdruck und dem Abstand zwischen Düse und Oberfläche beeinflusst. Für Feinstrahlen beträgt der Druck maximal 7 bar.

Zum Reinigen und Strukturieren

Ziel einer Strahlarbeit ist es immer, ein Bauteil zu reinigen (zum Beispiel entfernen von Farbe, Lack oder Rost) oder eine bestimmte Struktur zu erzeugen (mattieren, satinieren). Oft führt Feinstrahlen schneller zum Ziel als Schleifen. Gerade in Profilen und Ecken ist es sehr sauber. Der Trend geht hin zu hellerem und zu rustikalem, natürlichem Holz, wie etwa die Verwendung von Altholz zeigt. Vieles, was früher dunkel gestrichen wurde, soll jetzt aufgehellt werden. Dank neuer Strahlmittel und einer gut entwickelten Feinstrahltechnik werden heute Untergründe beim Strahlen viel weniger beeinträchtigt. Inzwischen sind auch günstige Anlagen mit normalem 230-Volt-Kompressor auf dem Markt.

Lunge, Haut und Augen schützen

Die Druckluft muss trocken sein, da sonst die Düse verstopfen kann. Ein einzelner Wasserabscheider genügt nicht. Am besten installiert man einen aktiven Kältetrockner. Mehrere Wasserabscheider (Zyklon-Patronen) in Serie zu installieren, funktioniert auch und ist oft günstiger. Pro Minute werden mindestens 150 l Druckluft benötigt. Ein Strahlgerät mit einer Düse von 2,8 mm benötigt für vollen Strahldruck zirka 500  l/min. Schreinermeister Duosch Bezzola von Clà Bezzola aus Zernez GR hat mit zwei parallel geschalteten Kompressoren mit je 280 l/min gute Erfahrungen gemacht.

Beim Strahlen entstehen feine Stäube, die gesundheitsschädlich sein können. Je nach Strahlmittel sind mindestens Schutzmaske, Handschuhe und Schutzbrille zu tragen. Beim Sandstrahlen ist die Schutzausrüstung noch umfassender. Gestrahlt wird am besten vor einer Absaugwand oder, bei ungiftigen Stoffen, im Freien. Bewährt hat sich ein kleines Partyzelt zum Zusammenstecken mit einer mobilen Absaug- und Filteranlage. Den Boden mit Folie abdecken.

Glasbruch ist der Favorit für Holz

Die Düse zirka im 45°-Winkel oder flacher in der Laufrichtung des Holzes halten. Dies verhindert die Wolkenbildung durch ungleichmässiges Abschleifen. Mit einem Strahldruck von 2 bis 5 bar arbeiten – immer so gering wie möglich. Das Abstrahlen von Farbe und stark vernetzten Lacken von Weichholz führt zum Ausfransen der weichen Jahresringe. Solche Werkstücke besser in eine Ablaugerei bringen. Durch das Strahlen stellen sich kleine Härchen auf der Holzoberfläche auf. Das Holz wirkt dadurch stumpf. Ein kurzes Überschleifen genügt, damit es wieder leuchtet.

Als Strahlmittel werden unterschiedliche Stoffe verwendet – insgesamt gibt es etwa 200 verschiedene. Glassand aus Altglas ist das meistverwendete Strahlmittel für Holz. Grundsätzlich werden Strahlmittel unterteilt in abrasive (lateinisch abradere = abkratzen) und nicht abrasive Stoffe. Abrasiv sind zum Beispiel mineralische Strahlmittel wie Glassand (auch Glasgranulat genannt) oder Sand. Sie sind schwer, hart und scharfkantig und rauen Oberflächen auf. Nicht abrasiv sind Bicarbonat (Backpulver), CO2-Schnee, Getreideschrot oder Walnussschalen. Sie sind weicher und verändern den Untergrund nicht oder kaum. Mit ihnen lassen sich empfindlichere Oberflächen schonend reinigen.

Auswahl nach Aufprallenergie

In der Praxis werden Strahlmittel ausgewählt nach ihrem Gewicht, der Härte und der Kantigkeit (siehe Tabelle). Aus diesen drei Grössen ergibt sich zusammen mit dem Strahldruck die Aufprallenergie, die bestimmende physikalische Grösse. Weitere Grössen wie Temperatur oder Wasserlöslichkeit verändern das Ergebnis. Feinen Stoffen wie Bicarbonat kann beim Strahlen etwas Wasser zugefügt werden, was die Staubentwicklung reduziert. Oft werden auch Strahlmittel kombiniert angewendet. Um zu bemustern, brauchen Schreiner am besten eine Grundausrüstung mit Glassand, Feinstrahlsand und Bicarbonat.

Backpulver schont die Oberflächen

Backpulver, auch Natriumhydrogencarbonat oder Bicarbonat genannt, kommt als natürliches Mineral vor. Synthetisches Bicarbonat wird als Feinstrahlmittel eingesetzt, wenn der Untergrund nicht beschädigt werden soll. Durch seine chemische Zusammensetzung sprengt es beim Strahlen Teile der Verschmutzung ab, wodurch seine Reinigungswirkung vergrössert wird.

Markus Birrer von der K. Lips AG in Altstätten SG, ein Fachmann auf dem Gebiet des Feinstrahlens, fasst zusammen: «Bicarbonat verwendet man für alle Oberflächen, die komplett intakt bleiben müssen und nicht angeschliffen werden dürfen, also zum Beispiel geschmiedete Dinge wie antike Schlösser oder Beschläge. Es ist ein Muss für Möbel, bei denen Glas involviert ist, und entlang der Ränder von Polstern.»

Je nach Beschichtung eignet sich das Bicarbonat für das Strahlen von harten und auch von weichen Hölzern. Soll eine zähe Acrylbeschichtung auf Weichholz komplett entfernt werden, wird wahrscheinlich die Oberflächenstruktur verändert. Da Bicarbonat gleichzeitig Gerüche entfernt, rät der Fachmann, antike Möbel innen immer mit Bicarbonat zu strahlen, um Gerüche zu eliminieren. Strahlmittelreste danach einen Tag im Möbel liegen lassen.

Einen Nachteil hat der ungiftige Stoff: Er ist wasserlöslich. Fachmann Birrer warnt: «Bicarbonatlauge auf Holz gibt Flecken. Man muss aufpassen, dass keine Rückstände zurückbleiben, bevor mit wässrigen Medien wie Wasserlack weitergearbeitet wird.»

Zügig arbeiten trotz Ritzen und Kanten

Glasbruch mit zirka 200 Mikron ist für Schreiner das gängigste Strahlmittel, da Glas scharfkantiger, härter und schwerer als etwa Bicarbonat ist. Vor allem auf Hart- und Weichholz erzielt man damit gute Resultate, auch wenn sie deckend gestrichen waren. Stühle oder Fensterläden mit ihren Ritzen und Kanten lassen sich so zügig entschichten. Bei mehrfach gestrichenen Hölzern kann man mit noch abrasiverem Sand beginnen und auf Glasbruch wechseln, wenn man in Richtung Holz kommt. Schreinermeister Duosch Bezzola von Clà Bezzola hat beispielsweise eine mit Arvenholz vertäfelte Stube mit Glasbruch gereinigt. Nach einem Wasserschaden waren Schmutzränder auf dem Holz zurückgeblieben. Damit am Ende wieder alles einheitlich war, strahlte er die gesamte 80 m2 grosse Fläche mit Glasbruch von 80 bis 150 Mikron. Er verwendete dazu eine Feinstrahlanlage der Marke Fatboy der K. Lips AG. Die Düsengrösse war 3 mm, der Druck zirka 4 bar. «Wir haben auch eine kleinere Strahlmaschine», sagt der Fachmann. «Die nehmen wir, wenn wir nur ein Muster machen müssen.»

Der Abstand zwischen Düse und Holz betrug 20 bis 30 cm. «Wenn man zu nahe heran geht, gibt es Löcher», sagt Duosch Bezzola. Die Fensterrahmen strahlte er mit Bicarbonat. So brauchte er die Gläser nicht abzudecken. Die gesamte Arbeitszeit betrug 30 Mannstunden.

Das Trockeneis verdampft sofort

Beim Trockeneisstrahlen werden fast –80 °C kalte CO2-Pellets mit 7 bis 10 bar Druck gestrahlt. Beim Arbeiten ist auf Durchzug zu achten oder ein Atemgerät zu verwenden. Die persönliche Schutzausrüstung besteht mindestens aus Staubmaske, Schutzbrille und gegebenenfalls einem Staubanzug. Die Pellets kommen in gedämmten Behältern auf die Baustelle und können im Schatten ungefähr vier Tage vorgehalten werden. Werden sie gleich verarbeitet, so sind sie scharfkantig und hart. Soll die Oberfläche besonders geschont werden, sollten die Pellets zwei bis drei Tage gelagert und der Druck reduziert werden. Beim Strahlen unterkühlt und versprödet das Eis die zu reinigende Oberfläche und sprengt die Altbeschichtung regelrecht ab. Das feste CO2 verdampft bei Raumtemperatur direkt, ohne flüssig zu werden – man nennt das sublimieren. Am Ende muss nur die abgelöste Altbeschichtung entsorgt werden. «Wenn ich ohne Rückstände arbeiten möchte, strahle ich mit CO2-Eis», sagt Schreinermeister Martin Stauffer aus Herzogenbuchsee BE. Gummiteile und Leitungen seines Oldtimers werden dabei nicht beschädigt. «Der Nachteil ist, dass ich eine grössere Anlage brauche und es teurer ist.» Strahlen lassen sich lackiertes Tannenholz, Föhre und Arvenholz, massive Holztäfer ebenso wie dünnes Holzfurnier. Für deckende Farben ist Eisstrahlen zu weich. Dann wird ein abrasiveres Strahlmittel benötigt.

Vorsicht, der Abfall kann giftig sein

Die Strahlmittel werden beim Auftreffen auf die Oberfläche auch mechanisch beansprucht. Dadurch werden sie beschädigt und teilweise zerstört. Die dabei entstehenden Abfälle setzen sich ausser beim Arbeiten mit CO2-Trockeneis aus dem Strahlmittel und der abgetragenen Verschmutzung zusammen. Werden Beschichtungen oder Oberflächen mit gefährlichen Inhaltsstoffen wie Bleiweiss, -mennige oder Zink gestrahlt, so ist der Abfall in der Regel als Sondermüll zu entsorgen. Beim Feinstrahlen werden Strahlmittel und Verschmutzung oft gemeinsam entsorgt. Bei manchen Strahlarbeiten können die Strahlmittel von Feinanteilen und Verschmutzungen getrennt und wieder verwendet werden.

www.bezzola.chwww.kremlin.chwww.schreinereistauffer.ch

ap

Veröffentlichung: 18. Mai 2015 / Ausgabe 20/2015

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