Kleiner Hebel, grosse Wirkung bei der «LO 55» von Mafell

Die LED-Beleuchtung der «LO 55» sorgt bei schlechten Licht-verhältnissen für einen gut ausgeleuchteten Blick aufs Werkstück. Bild: Sven Bürki

Praxistest. Die Lieblingsmaschine von Schreinerzeitungs-Fach- redaktor Sven Bürki ist die Oberfräse. Im Training und an den Wettkämpfen der Berufsmeisterschaft hat er ihre Grenzen ausgelotet. Grund genug, dass der Möbelschreiner-Weltmeister von 2017 die neue Oberfräse von Mafell unter die Lupe nimmt.

Welches ist der zeitraubendste Arbeitsschritt beim Fräserwechsel? Richtig, der Gang zurück zur Werkzeugkiste, weil man den Gabelschlüssel vergessen hat. Sitzt der Fräser dann fest in seinem Spannfutter, ist man gedanklich schon bei der Bearbeitung. Frästiefe und Parallelanschlag einstellen, Staubsauger anschliessen, Gehörschutz und Schutzbrille aufsetzen und bei der Fräsung die Absetzung nicht vergessen. Apropos vergessen, wo hat man denn nun den Gabelschlüssel schon wieder hingelegt? Ach ja, hier. Zwischen Schraubzwinge, Meter und Bleistift ist er auch kaum zu sehen.

Kommt Ihnen das bekannt vor? Zumindest bei Mafell muss irgendjemand diese Situation gekannt haben. Denn die neue Oberfräse «LO 55» des deutschen Maschinenherstellers macht den Gabelschlüssel für den Fräserwechsel überflüssig. Spannhebel aufklappen, Fräser rein und Spannhebel wieder einklappen, fertig. So simpel soll der Vorgang mit dem werkzeuglosen Spannsystem sein. Mit diesem und weiteren vielversprechenden Features wurde die Maschine an der letztjährigen Ligna in Hannover erstmals vorgestellt. Mittlerweile ist die «LO 55» auch in der Schweiz erhältlich. Ich durfte die Maschine für die Schreinerzeitung unter die Lupe nehmen.

Aufgeräumtes Design

Um die Philosophiefrage gleich zu klären: Bei Oberfräsen bevorzuge ich das «Zwei-Ohren-Prinzip», also auf beiden Seiten der Maschine einen Haltegriff, wobei einer zugleich zur Höhenfixierung dient. Mit dem Pistolengriff konnte ich mich nie ganz anfreunden. Das mag aber auch daran liegen, dass ich meine ersten Fräsmeter mit Zwei-Ohren-Oberfräsen gemacht habe, und Gewohnheiten sind nun mal stark. Somit war ich im Vorfeld gespannt, wie ich mit dem Handling der «LO 55» zurechtkomme. Zumindest das Design überzeugt mich gleich beim Auspacken. Da haben sich die Gestalter Mühe gegeben. Die Maschine wirkt allgemein sehr aufgeräumt, die Hebel für Werkzeugspannung und Tiefeneinstellung sind flächenbündig in das Gehäuse integriert und die Bedienelemente alle in Rot gehalten. Weniger gelungen finde ich hingegen die Farbgebung im Inneren des Transportkoffers. Darin finden zwar die Oberfräse und alles nötige Zubehör inklusive Parallelanschlag ihren Platz, das Innenleben ist jedoch aus schwarzem Hartschaum. Die Zubehörteile, wie die Kopierringe, der Absaugstutzen sowie der Anschlag, sind ebenfalls schwarz. Bei schlechten Lichtverhältnissen ist das Zubehör aufgrund des fehlenden Kontrastes somit schwer zu erkennen.

Erhellend

Licht ins Dunkel bringt hingegen die LED-Beleuchtung der «LO 55». Dank eines Bewegungssensors schaltet sich das Licht im Fräserbereich ein, sobald die Maschine bewegt wird. Nach einer gewissen Zeit erlischt die LED auch wieder automatisch. Bei den Akkuschraubern schon lange Standard, war eine Beleuchtung bei Oberfräsen bisher weniger ein Thema. Eigentlich schade, denn für mich ein überaus sinnvolles Feature. Über dem Pistolengriff informieren Farb-LEDs über die eingestellte Drehzahl und den Zustand der Maschine. Leuchten die LEDs beispielsweise rot, greift der Überlastschutz, und die Abkühlphase beginnt. Wenn die Lichter blau blinken, ist die «Deboost-Funktion» aktiv. Mit dieser Funktion kann die Drehzahl auf Knopfdruck um 30% reduziert werden. Wird der Knopf neben dem Griff erneut gedrückt, läuft der Motor wieder auf der voreingestellten Drehzahl. Dadurch sollen beim Wechsel von der Längs- auf die Stirnholzfräsung Brandspuren verhindert werden.

In der Theorie eine praktische Sache, in der Praxis verlasse ich mich aber lieber auf scharfes Werkzeug und passe die Vorschubgeschwindigkeit entsprechend an. Die «Deboost-Funktion» kann aber durchaus hilfreich sein, wie auf den Bildern 3 und 4 zu sehen ist.

Spannende Angelegenheit

Ich wage zu behaupten, dass ich beim Fräserwechsel meiner eigenen Oberfräse sehr effizient bin, da ich die Maschine seit vielen Jahren kenne. Ich wollte es aber genau wissen und habe bei zehn Fräserwechseln die Zeit gestoppt. Liegen Fräser und Gabelschlüssel vorab bereit, benötige ich durchschnittlich 13,2 Sekunden, bis das neue Werkzeug an seinem Platz sitzt. Meine Oberfräse hat bei der Werkzeugklemmung keine Ratsche, und ich muss den Schlüssel jeweils neu ansetzen, Die «LO 55» kommt ohne Ratsche und ohne Schlüssel aus. Für den Fräserwechsel mit dem Spannhebelsystem brauchte ich im Schnitt 8,3 Sekunden. Diese Zeit hat mich dann doch überrascht, da die Handgriffe bei der «LO 55» natürlich bei Weitem noch nicht so routiniert ablaufen. Der Fräserwechsel mit dem Spannhebelsystem ist demnach so simpel und schnell, wie es sich vermuten lässt. Zudem ist der Fräser immer mit derselben Kraft gespannt. Damit das Fräswerkzeug beim Lösen des Spannhebels nicht einfach aus dem Futter rutscht, wurde hier ein O-Ring verbaut. Dieser sorgt für einen gewissen Widerstand beim Einsetzen des Fräsers, was sich manchmal anfühlt, als wäre das Spannfutter nicht vollständig geöffnet. Setzt man den Fräserschaft mit einer leichten Drehbewegung ein, geht es wesentlich leichter.

Permanent gefixt

Die eher Lesefaulen unter uns werden begrüssen, dass die Bedienungsanleitung der «LO 55» sehr kurz gehalten ist, da Mafell hier inzwischen vermehrt mit QR-Codes und kurzen Erklärvideos arbeitet. Und diejenigen, die, so wie ich, am liebsten einfach mal ausprobieren, werden mit der neuen Mafell-Oberfräse trotzdem schnell zurechtkommen. Alle Funktionen und Knöpfe sind intuitiv erkennbar und spätestens nach ein, zwei Versuchen klar. Einzig bei der Höhenverstellung der «LO 55» muss man sich umgewöhnen, da diese anders funktioniert als bei anderen Oberfräsen. Die sogenannte «Permafixklemmung» fixiert die Frästiefe nämlich permanent. Mit einem Tastendruck am Knaufgriff wird die Arretierung gelöst. Für die neue Funktion brauchte ich zwar zu Beginn etwas mehr Aufmerksamkeit bei der Anwendung, ich konnte mich aber schnell daran gewöhnen.

Bei Bedarf kann die Permafixklemmung mit einem Inbusschlüssel auch deaktiviert werden. Dies macht beispielsweise in Kombination mit dem Tiefenanschlag Sinn. Dieser lässt sich in der Anschlagplatte einhängen. So kann zum einen sichergestellt werden, dass beim Arbeiten mit einem Scheibennuter die Höhenverstellung nicht aus Versehen gelöst und damit die Grundplatte beschädigt wird, und zum anderen kann auf diese Weise mit der Feineinstellung des Tiefenanschlages auch die Frästiefe exakt justiert werden.

Den Stempel aufdrücken

Wer kennts nicht: Beim Bearbeiten von schmalen Werkstücken oder bei der Kantenbearbeitung liegt oft nur ein kleiner Teil der Grundplatte auf. Einmal kurz nicht aufgepasst und man kippt beim Fräsen ab. Der Höhenausgleich der «LO 55» soll genau das verhindern. In der Führungssäule der Maschine ist ein Aluminiumstempel integriert, welcher sich flächenbündig in die Grundplatte einfügt. Bis zu 39 mm können somit ausgeglichen werden.

Auch wenn ich mir noch einige zusätzliche Millimeter gewünscht hätte, ist der Höhenausgleich mein persönliches Lieblingsfeautre an der «LO 55». Mit einem Handgriff erreicht man damit einen stabilen Stand beim Arbeiten mit Führungsschienen, Schablonen oder eben bei schmalen Werkstücken. Einzig die Fläche, auf welcher der Alu-Stempel aufliegt, muss sauber und plan sein. Zur Arretierung des Höhenausgleiches dient eine Stellschraube an der Führungssäule.

Fixieren und kopieren

Das Konzept der werkzeuglosen Maschinenbedienung hat Mafell auch bei den Kopierringen und dem Absaugadapter durchgezogen. Beides lässt sich ohne Schrauben und Werkzeug in der Grundplatte einsetzen. Die Fixierung erfolgt durch dieselben Feststellschrauben, die auch die Führungsstangen des Parallelanschlages klemmen. Dank einer Selbstzentrierung muss man die Kopierringe nicht ausrichten, einfach einsetzen, durch die Feststellschrauben fixieren und fertig.

Mit einer Probefräsung wollte ich die Genauigkeit des Systems testen. An einer Anschlagleiste habe ich die Maschine beim Fräsen um 360 Grad gedreht. In der Theorie erhalte ich auf diese Weise eine gerade Linie parallel zur Anschlagleiste. In der Praxis hatte ich ein bis zwei Zehntel Millimeter Abweichungen.

Das bedeutet, dass der Kopierring nicht vollkommen exakt ausgerichtet ist. Für die meisten Arbeiten wird die Genauigkeit aber ausreichen, und die zwei Zehntel nehme ich für die simple und schnelle Rüstzeit gerne in Kauf.

Fliegende Späne und luftige Ströme

Zwei Absaugadapter und ein Späneabweiser sind Teil des Lieferumfangs. Während die beiden Adapter beim Fräsen in der Fläche mit und ohne Führungsschiene zum Einsatz kommen, wird der Späneabweiser hauptsächlich bei der Kantenbearbeitung verwendet. Dieser verbessert die Absaugleistung nur bedingt. Der Späneflug kann hingegen gut gesteuert werden, was die Staubbelastung in der Luft durchaus positiv beeinflussen kann. Die beiden Absaugadapter werden, wie die Kopierringe, ebenfalls in die Grundplatte eingesetzt und leiten den Luftstrom der Absaugung dorthin, wo der Staub entsteht, nämlich unmittelbar über dem Werkstück. Dadurch verringert sich zwar der mögliche Fräserdurchmesser, dafür bleibt die Sicht auf den Fräser frei, was ich besonders wertvoll finde. Absaugadapter aus Plexiglas, die den gesamten Fräserbereich umschliessen, haben mich nie wirklich überzeugt, da diese die Sicht verzerren.

Jetzt könnte man denken, dass die Absaugleistung der «LO 55» aufgrund des uneingeschränkten Durchblicks leidet. Tatsächlich funktioniert das System aber richtig gut. Natürlich schafft es auch Mafell nicht, für jede Situation ein Patentrezept zu liefern, aber bei Nutfräsungen war ich von dem Ergebnis wirklich überrascht. Der Unterschied bei einer 10 × 10-Millimeter-Nut ist eindrücklich wie die Bilder zeigen.

LO 55 mit GF50

Ein Wort zur Materialwahl. Auch Mafell setzt bei der «LO 55» und dem Zubehör vermehrt auf Kunststoff. Das kann man mögen oder auch nicht, aber alle Kunststoffteile sind hochwertig verarbeitet und wirken robust. Zumal Kunststoff schon lange nicht mehr nur einfach Plastik ist. Den stark beanspruchten Teilen wurden Glasfasern beigemischt. Mit Kürzeln wie beispielsweise «GF30» oder «GF50» ist deren Anteil auf den einzelnen Bauteilen gekennzeichnet. So empfinde ich den gewählten Materialmix bei der «LO 55» dann auch als sinnvoll.

Meckern auf hohem Niveau

Funktionen, die den Anwender zum Umgewöhnen zwingen, stossen nicht immer auf Begeisterung. Wenn die Neuerungen aber mehr Effizienz versprechen oder die Arbeit im Allgemeinen vereinfachen, sieht es natürlich anders aus. So kommt die «LO 55» mit einigen cleveren Innovationen daher, die in Zukunft hoffentlich zum Standard gehören.

Bei ein, zwei Details besteht für mich noch Luft nach oben, so beispielsweise beim Parallelanschlag. Dieser findet zum einen nur in Einzelteilen im Systainer Platz, und zum anderen war die Anschlagkante bei mir etwas hohl und nicht exakt im rechten Winkel zur Grundplatte der Maschine. Dafür haben mich der Höhenausgleich, das werkzeuglose Fräserwechselsystem und die Beleuchtung restlos überzeugt. Alles in allem: eine durchdachte Maschine, die Spass macht beim Arbeiten.

www.produkte.mafell.de/ch

Sven Bürki

Veröffentlichung: 07. März 2024 / Ausgabe 8/2024

Artikel zum Thema

03. Juli 2025

Geisterstunde nun auch mit der Kleinen

mehr
03. Juli 2025

Was gut läuft, kann noch besser

Aufrüstung.  Maschinen und Werkzeuge mit technischen Neuerungen und Ergänzungen zu verbessern, hat Potenzial. Nebst mechanisch-technischen Aufrüstungen können auch digitale Erweiterungen interessant sein. Zwei Beispiele zeigen die Bandbreite der Möglichkeiten.

mehr

weitere Artikel zum Thema:

Maschinen