Mehr Vertiefung in der Oberfläche

Eine gute Pistolenführung ist ebenso wichtig wie das Verständnis von den Prozessabläufen in der Oberflächenbeschichtung. Bild: Reto Schlatter

Lackiertechniken.  Eine tadellose Oberflächenbehandlung gilt als Visitenkarte einer Schreinerei. Damit dies so bleibt, lohnt es sich, in die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter zu investieren, statt sich nur auf das «Learning by Doing» und externe Berater zu verlassen.

Der Kunde wünscht sich eine ausgefallene Oberfläche für seine Küchenfronten, oder bei einem grossen Auftrag beginnt sich nach kurzer Zeit die Lackschicht abzuschälen – in solchen Fällen kann der Schreiner in der Oberflächenbehandlung mit seinem Wissen und Können an seine Grenzen kommen. Ebenfalls eine Herausforderung kann die Erweiterung und Umstrukturierung des gesamten Oberflächenbereiches aufgrund des gestiegenen Auftragsvolumens darstellen.

Leider drängt dann meistens die Zeit, und der Schreiner ist gezwungen, schnell eine Lösung zu finden. Sprich er ist auf die fachliche Unterstützung der Lack- und Gerätelieferanten angewiesen oder weicht auf die Kapazitäten eines Lohnlackierers aus (siehe Artikel auf Seite 7).

Wissen für die Zukunft

Wie aber kann sich ein Betrieb in der Oberflächentechnik weiterentwickeln und den Wissenstransfer für nachrückende Generationen sicherstellen? Mit dieser Frage sah sich auch die Karl Bucher AG in Goldau SZ konfrontiert. Vor rund fünf Jahren zog das Unternehmen vom alten Standort in ein neues, modern eingerichtetes Produktionsgebäude. «Von unseren beiden Oberflächenspezialisten kam dann die Idee, dass wir eine Lehrstelle für Industrielackierer schaffen könnten», erzählt der Ausbildungsverantwortliche Daniel Aeschlimann. Was auf den ersten Blick ziemlich fremd klingt, ist bei näherem Hinschauen gar nicht so abwegig. «Nebst Pulvern und Nassbeschichten von Metall gehört auch das Beschichten von Holz zur Ausbildung eines Industrielackierers», erklärt Daniel Ruprecht. Der ÜK-Kursleiter und Prüfungsexperte der Schweizerischen Vereinigung der Industrielackiermeister (SVILM) betreibt selber eine Lackiererei, die oft Lohnarbeiten für Schreiner ausführt. Gemäss Ruprecht gibt es mittlerweile einige Schreinereien, die Industrielackierer beschäftigen oder ausbilden. «Natürlich sind das eher grössere Betriebe, deren Oberflächenbereich entsprechend ausgelastet und eingerichtet ist», ergänzt der Spezialist.

Vielseitige Schreinerei

Wer aber glaubt, in diesen Betrieben stehen nur grosse, automatisierte Spritzroboter, der täuscht sich. Bei der Karl Bucher AG wird die überwiegende Mehrheit aller Teile von Hand mit der Pistole lackiert. Leider gibt es offenbar bei den Auto- und Industrielackierern nach wie vor gewisse Vorbehalte gegenüber der Lackiertechnik in Schreinereien. Dabei ist die Oberflächenbehandlung aufgrund der individuellen Teile sehr anspruchsvoll und interessant.

Zum Arbeitsumfang gehört die ganze Vorbereitung vom Schleifen über das Abdecken bis hin zum Polieren von Hochglanzoberflächen. «Und unsere Lehrtochter lernt bei uns auch das Beizen, Ölen und Wachsen von Oberflächen», sagt Daniel Aeschlimann. Die angehende Industrielackiererin ist mittlerweile im dritten Lehrjahr. Für ein paar Monate machte sie ein Praktikum in einer Beschichtungsfirma, um auch praktische Erfahrung beim Pulvern und bei der Tauchlackierung zu sammeln.

Weiterbildungslücke entstanden

Nur, was macht ein Schreiner, der sich im Oberflächenbereich vertieft weiterbilden möchte? Mit dieser Frage setzt man sich bei der Karl Bucher AG im Moment auseinander, denn einer ihrer gelernten Schreiner im Betrieb möchte sich in der Lackiertechnik weiterbilden.

Bereits während der Schreinerlehre hat er seine Passion für den Oberflächenbereich entdeckt, einige Erfahrungen gesammelt und einen zwei Tage dauernden Kurs besucht. «Will man aber wirklich in die Tiefe gehen, reicht das nicht», sagt Ernst Tobler. Er ist innerhalb der Oberflächenabteilung zuständig für die Betreuung der Auszubildenden und ergänzt: «Ich hatte noch die Möglichkeit, die Weiterbildung zum Holzbeizmeister zu absolvieren. Die war eigentlich ideal für Schreiner, die sich in der Oberflächentechnik weiterbilden wollten.» Mit der Auflösung des Verbandes Schweizerischer Holzbeizmeister (VSHB) im Jahr 2011 ging diese Weiterbildungsmöglichkeit leider verloren.

Neues Schreinerangebot vorhanden

Dieser Umstand hat offenbar eine Lücke im Markt hinterlassen. Das Berufs- und Weiterbildungszentrum Lyss BE (BWZ Lyss) hat zusammen mit einem Partner aus der Wirtschaft eine neue Ausbildung zum Oberflächenspezialisten lanciert. «Wir erhielten immer wieder Anfragen aus der Schreinerbranche betreffend Weiterbildungsmöglichkeiten in diesem Bereich», berichtet der BWZ-Fachlehrer und Bereichsleiter Weiterbildung Schreiner, Hans-Ulrich Knoll. Zwar befasst man sich in anderen Weiterbildungen – wie zum Beispiel jener zum Fertigungsspezialisten – ebenfalls mit der Oberflächentechnik. Wer sich aber ausschliesslich in diesem Bereich weiterbilden möchte, hatte in den letzten Jahren kaum noch Möglichkeiten. Das neue Angebot umfasst nebst der Ausbildung zum Oberflächenspezialisten auch einen Vorkurs für Branchenfremde. Dort werden Grundlagen der Schreinertechnik vermittelt, um die Grundvoraussetzungen für die Beschichtung von Holzflächen zu schaffen. Der Kurs beginnt erst Anfang 2016, gemäss Hans-Ulrich Knoll gibt es aber bereits jetzt mehrere definitive Anmeldungen sowie zahlreiche Interessenten.

Den Stellenwert verbessern

Im Kurs wird nebst dem praktischen Arbeiten ebenfalls Wert auf übergreifende Kompetenzen gelegt. Dazu gehören zum Beispiel Farbenlehre, Infrastruktur, Unterhalt, Kalkulation, Kundenberatung oder das Führen einer Oberflächenabteilung. Denn die genannten Vorbehalte der Auto- und Industrielackierer kommen nicht von ungefähr: «Unsere Abklärungen haben ergeben, dass es in der Oberflächentechnik in manchen Schreinereien einen gewissen Nachholbedarf gibt», sagt Knoll. Während früher das Verzieren, Beschichten und Veredeln von Möbeln sowie Innenausbauten einen grossen Teil der Produktionszeit beanspruchte, ist es heute manchmal nur noch eine Beiläufigkeit. «Alleine mit dem Erstellen von ein paar Lackiermustern lässt sich das aber kaum verändern», erzählt Knoll. Wer also die Qualität und Kapazität im Oberflächenbereich verbessern oder halten will, muss deren Stellenwert innerhalb der Produktion überdenken und den Wissenstransfer sicherstellen.

www.karlbucher.ch

Bildungsmöglichkeiten

Industrielackierer/in

  • Als Grundlage dient der Bildungsplan Nr. 53303
  • Lehrzeit: 3 Jahre
  • Praktische Ausbildung im Lehrbetrieb anhand einer Lerndokumentation
  • Wöchentlich 1 Tag Berufsschule
  • Ergänzende überbetriebliche Kurse (ÜK)

Die Ausbildung kann in allen Betrieben absolviert werden, welche der Verordnung über die berufliche Grundbildung Industrielackierer/in entsprechen und die Bewilligung des zuständigen Berufsbildungsamtes (BBA) haben. Nach der bestandenen Lehrabschlussprüfung erhalten die Berufsleute das eidgenössische Fähigkeitszeugnis als Industrielackierer/in.

Ebenfalls möglich ist Lackierassis- tent/in mit eidgenössischem Berufsattest (EBA).

www.svilm.ch

Oberflächenspezialist/in

Voraussetzung ist eine Lehre als Schreiner EFZ sowie anderes Berufspersonal oder angehendes Personal, welches in der Oberflächentechnik eingesetzt werden kann. Für Nichtschreiner gilt das erfolgreiche Bestehen des Oberflächen-Vorkurses.

  • Lehrgangsbeginn: 20. Feb. 2016
  • Lehrgangsende: 3. Dez. 2016
  • Bildungsumfang: 180 Lektionen
  • Kosten: 6230 Franken, wird aber von ZPK und MAEK finanziell unterstützt.
www.bwzlyss.ch

ph

Veröffentlichung: 18. Juni 2015 / Ausgabe 25/2015

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