Möbel aus der Schweiz

Wer beim Schäfchenzählen Unterstützung braucht, liegt gut in diesen Ferienbetten. Bild: Ramon Zangger GmbH

Handwerkermöbel.  Es gibt Schreiner, die das Gefühl haben, dass sich die Möbelproduktion in der Schweiz nicht mehr lohne. Sie liegen damit jedoch weit neben der Realität. Ein Einblick bei vier verschiedenen Betrieben zeigt, dass man mit aktuellen Möbelkollektionen Erfolg haben kann.

Manch einer, der wegen Corona mehr Zeit zu Hause verbracht hat, dürfte bemerkt haben, wie wichtig die persönliche Einrichtung ist. Möbel sind plötzlich nicht mehr nur zur Zweckerfüllung da, sondern sollen helfen, dass man sich richtig wohlfühlt. Doch in der Werbung scheint sich die ganze Einrichtungsbranche mit Rabatten überbieten zu wollen, was dazu führt, dass auch mancher Schreiner glaubt, in diesem Bereich nichts mehr erreichen zu können.

Dem ist aber gar nicht so. Die vier folgenden Beispiele zeigen Schreinereien, die erfolgreich eigene Möbelmodelle aus Massivholz anbieten und mit ihrem Stil auch spezifische Wünsche von Kunden ansprechen, denen das etwas wert ist.

Eine tragende Geschäftsphilosophie

«Wirklich gutes Handwerk war noch nie eine Selbstverständlichkeit. Gute handwerklich gefertigte Möbel sind das noch weniger, weil sie auch Ausdruck des herrschenden Zeitgeistes sind und in Gestaltung sowie Funktion ebenfalls überzeugen sollten», sagt Barbara Schuler-Rozzi. Sie leitet mit ihrem Mann die Schreinerei B. und H. Schuler-Rozzi in Bergün GR. Die Firma ist auch stark im Innenausbau tätig und fertigt alles mit den Mitteln aus der Region.

Das variantenreiche, eigene Bettprogramm und die Gestaltung der Innenausbauarbeiten regen die Kundschaft zu Möbelwünschen an, die als Unikate realisiert werden. Dabei ist der hauseigene Stil immer klar erkennbar. Die Stücke erscheinen schlicht und modern, beziehen jedoch das traditionelle Handwerk mit ein. Von Hand gefertigte Verbindungszinken sind eine Selbstverständlichkeit, genauso wie die Information, von welchem Baum und woher in der Region das Holz herkommt. Wie die Sägerei sind auch alle anderen Lieferanten im direkten Umfeld ansässig, was neben kurzen Wegen auch eine hohe Transparenz bei der Fertigung der Produkte erlaubt.

Spezialwissen ist gefragt

Die Produkte wie auch die konventionellen Herstellungsmethoden sind offenbar auch von grossem Interesse für den handwerklichen Nachwuchs. So gibt es neben Lehranfragen immer wieder Jungschreiner, die sich bei der Mitarbeit noch Spezialwissen aneignen wollen. Das Wissen und Können im Zusammenhang mit Massivholz wird zwar in den Gewerbeschulen grundlegend vermittelt, ist aber in der Praxis bei vielen Schreinern kaum existent. Die Verarbeitung und die Verbindungsmöglichkeiten unterscheiden sich stark vom weit verbreiteten Plattenbau. Wer wirklich Freude an dem hat, was er tut, zeigt das auch mit seiner Arbeit, und das ist dann wiederum für den Kunden ersichtlich.

Das traditionelle Handwerk lebt weiter

Glückliche Gesichter von Kunden, die ihren Wunsch erfüllt bekommen haben, sind der Antrieb für Michael Koch von der Koch Möbelhandwerk AG in Gonten AI. Die auf Möbel spezialisierte Firma fertigt traditionelle, handwerklich anspruchsvolle Massivholzmöbel, die nach Kundenwunsch mit Einlegearbeiten und auch Schnitzereien verziert werden.

Obwohl hier gleiche Holzverbindungen wie bei Schuler-Rozzi zum Einsatz kommen, unterscheiden sich die Ansprüche an die Handwerker für diesen Bereich, weil die Linienführungen der traditionellen Produkte nach anderen Proportionen verlangen als die schlichte Eleganz kubischer Formen. Die Verzierungen verlangen zudem viel Geduld und Fingerspitzengefühl.

Kombinierbare Handwerkstechniken

Die Firma hat auf drei Standbeinen ein jeweils sehr umfangreiches Angebot, mit dem sie Kunden in der ganzen Schweiz bedient. Nebst den traditionellen werden auch moderne Möbel sowie Restaurationen angeboten. Zusammen ergibt das ein Repertoire an Möglichkeiten, das dem Kunden selbst ausgefallene Wünsche erfüllbar macht. So sind beispielsweise auch Intarsien bei sonst sehr modernen Möbeln erhältlich. Weil diese individuell hergestellt werden, kann das ein ganz persönliches Motiv sein, wodurch die Bindung zum Möbelstück verstärkt wird.

Der Kontakt zum Handwerker

Alleine die Wahl der für jedes Produkt passenden Materialien ist eine Herausforderung und zeichnet letztlich die Qualität des fertigen Möbels aus. Die Kunden legen sehr grossen Wert auf gutes Handwerk, die Qualität und sogar den möglichen persönlichen Kontakt zum Handwerker, der ihr Unikat baut. Auch das Interesse des Schreinernachwuchses ist nach wie vor gross, was sicherstellt, dass solche Arbeiten noch lange angeboten werden können.

Der direkte Weg zum Kunden

Auch die Fanger Design GmbH in Kägiswil OW bietet Möbelrestaurationen an. Die ursprünglich vom Vater des heutigen Inhabers als Antikschreinerei Erwin Fanger gegründete Firma hat viele Jahre vor allem für den Möbelhandel produziert. Heute werden moderne eigene Modelle in den Bereichen Tisch, Stuhl, Salontisch und Bett aus Massivholz mehrheitlich direkt angeboten. Im Bereich Korpusmöbel gibt es keine eigene Modellreihen, sondern Ausführungen, die nach Kundenwünschen auf konventionelle Weise hergestellt wurden.

Schon als Kind wollte Mathias Fanger etwas Sinnvolles erschaffen, etwas, das Bestand hat. Mit der Übernahme und Umwandlung der Firma fühlt er sich dort angekommen. Die eigene Möbelkollektion orientiert sich an modernen Formen und den starken Erscheinungsbildern der verarbeiteten Baumstämme. Diese kommen auch teilweise direkt von einem Bauern in der Region und werden gezielt verarbeitet.

Die Firma ist regional gut verankert und vernetzt, und der Unikatscharakter der Produkte erzielt die erstrebte Nachhaltigkeit. Bei einigen Modellen werden die natürlichen Baumkanten gezeigt. Das hat zur Folge, dass sehr vorausschauend eingekauft werden muss, damit dann die gewünschte Wirkung erreicht werden kann.

Nach Jahren kommt vermehrt wieder die Drehbank zum Einsatz, weil solche Elemente wieder gefragt sind. Erfahrung im Umgang mit Massivholz und ein gutes Gefühl für dessen Strukturen und Maserungen: Das sind laut Fanger jene Eigenschaften, die ein Schreiner mitbringen muss, um solche Arbeiten gut machen zu können.

Mit zwei Schreinerseelen

Im bündnerischen Samedan ist die Ramon Zangger GmbH beheimatet. Ihr Inhaber hat es geschafft, gleich in zwei Bereichen auch über die Landesgrenzen hinaus bekannt zu sein und namhafte Personen zu seinem Kundenkreis zählen zu dürfen. Ramon Zangger sagt daher auch, er habe zwei Seelen in sich: «Die eine spricht von Idealen und entwirft regionale Möbel, die andere ist interessiert am Einkommen mit anspruchsvollen Innenausbauten für eine internationale Kundschaft.»

Die vielfältigen Ansprüche, Materialien und die detailbewussten Ausführungen, die sich mit den Aufträgen ergeben, sind hochspannend und verlangen nach gut ausgebildeten Mitarbeitern. Diese sind das eigentliche Kapital der Firma. Die Ausrüstung wurde jeweils den Aufträgen angepasst und hat sich so mit der Zeit weiterentwickelt.

Es geht nur mit allen zusammen

Für Ramon Zangger ist auch klar, dass die persönliche Haltung zu den Aufgaben und der eigene Wille Berge versetzen können. Das gilt für Mitarbeiter genauso wie für die Leitung. Das war auch ein wichtiger Punkt bei der Geschäftsidee mit den Möbeln. Die Modelle sollen frei von Markttrends klar ausdrücken, aus welcher Kulturlandschaft sie kommen und wieso sie eben so gebaut wurden, wie sie sind.

Auch hier ist also ein grosszügigeres Denken von Vorteil, und alle im Betrieb mussten erst auf die Idee eingestimmt werden. So kann jeder etwas zum Erfolg beitragen.

Authentisch aus dieser Kulturlandschaft

Über die Jahre sind viele Modelle entstanden, die eine eigene Identität haben und trotz ihrer Schlichtheit mit besonderen Details immer wieder überraschen können. Angesprochen fühlen sich Menschen, die dem Gewöhnlichen entfliehen oder ein Stück Heimat besitzen wollen. Leute, denen die Auseinandersetzung mit einer zeitgenössischen Ausdrucksform der eigenen Umgebung wichtig ist und die ein besonderes Unikat suchen.

Das Interesse muss geweckt sein

Dass es gelungen ist, mit beiden Standbeinen angemessen erfolgreich zu sein, hat sicher mit der beschriebenen Haltung im Betrieb zu tun, bei der durch das gemeinsame Erschaffen Interessen geweckt werden und ein Wachsen möglich wird. Das ist etwas, das den Betrieb auszeichnet, und etwas, das vielleicht eine Orientierungslosigkeit beim Handwerksnachwuchs vertreiben kann.

www.schuler-rozzi.chwww.koch-moebel.chwww.fangerdesign.chwww.ramonzangger.ch

ab

Veröffentlichung: 02. Juli 2020 / Ausgabe 27-28/2020

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