Nachhaltige Wertigkeit

Das Wandtäfer aus Eichenholz in der Villa Frohberg in Winterthur ZH wurde gereinigt, und der bestehende Lack mit einer Leinöl-Baumharzverkochung regeneriert. Bild: Christian Schwager

Restaurierungen.  In den Bereichen Möbel und Innenausbauten sind Restaurationen bei der Kundschaft wieder vermehrt gefragt. Das Erhalten und die Nachhaltigkeit spielen bei dieser Entwicklung eine zentrale Rolle und eröffnen neue Segmente.

Alte Möbelstücke erzählen Geschichten von vergangenen Generationen, Lebensstilen und handwerklicher Qualität. In der Schweiz erlebt das Restaurieren alter Möbel und ganzer Innenausbauten eine neue Wertschätzung. Denn was früher als altmodisch galt, steht heute für Nachhaltigkeit, Individualität und kulturelle Kontinuität. Doch wie entwickelt sich der Markt, und wie steht es um den Nachwuchs, die Fachkräfte und die beruflichen Perspektiven?

Leicht steigende Nachfrage

Bei so mancher Recherche in den letzten Jahren wurde von einer erhöhten Nachfrage im Bereich von Restaurationen von Innenausbauten und Möbelstücken berichtet. Armin Schmid von der Geschäftsstelle des Lehrgangs «Handwerk in der Denkmalpflege» sieht eine eher schwankende Marktentwicklung, mit Hochs und Tiefs wie eh und je: «Hier gilt es jedoch zu unterscheiden, ob es sich um Restaurierungen im Bereich Innenausbau oder Möbel handelt.» Im Bereich der Innenausbauten ist eine klare Zunahme sichtbar. Hier handelt es sich auch oftmals um umfangreichere Aufträge. «Durch das grosse Auftragsvolumen werden solche Projekte meist von mehreren Handwerkern in enger Kooperation mit den zuständigen Stellen umgesetzt», sagt Schmid. Besonders während der Corona-Zeit entdeckten viele Menschen ihr Zuhause neu und mit ihm auch den Reiz alter, oft handgefertigter Möbel. Restaurierte Stücke gelten heute zudem als bewusster Gegenpol zur Wegwerfmentalität oder zu Billigprodukten. Der Markt entwickelt sich daher zunehmend weg von schnelllebiger Billigmöblierung hin zu langlebigen, oft multifunktionalen Unikaten. Marco Böckli, Möbelrestaurator und Inhaber der Böckli Antiquitäten und Restaurationen GmbH aus Seegräben ZH, sieht eine stabile Nachfrage mit leichter Zunahme seit Corona. Auch das Thema Upcycling spielt eine immer grössere Rolle, wenn es um Restaurierungen geht. Restaurierte oder kreativ umgestaltete Möbelstücke erfreuen sich zunehmend auch bei jüngeren Käuferschichten grösserer Beliebtheit. Damit geht nicht nur ein wachsendes ökologisches Bewusstsein einher, sondern auch das Bedürfnis nach Individualität und traditionellem Handwerk.

Zwischen Emotion und Nachhaltigkeit

Laut Beat Voellmy, Leiter der Holzmanufaktur Voellmy bei der Tschudin AG aus Münchenstein BL, zeigt sich eine Veränderung bei den Absichten der Kundschaft: «Vornehmlich sind es immer noch Kunden im mittleren Lebensabschnitt. Eine Veränderung zeigt sich aber im Punkt, dass ältere Generationen alte oder antike Möbel vermehrt für ihre Grosskinder instand setzen lassen und ihnen so eine Erinnerung hinterlassen wollen», sagt Voellmy und meint weiter, dass gleichzeitig aber auch das Interesse junger Menschen wachse, die gezielt nachhaltiger wohnen wollen und den Erhalt alter Substanz bewusst fördern. Böckli sieht diese Entwicklung ebenfalls: «Sehr oft werden Möbelstücke oder Objekte in der Familie an die jüngere Generation weitergegeben.» Zudem beobachtet er eine Zunahme an Kunden, die neu in die Schweiz gezogen sind und einen besonderen Bezug zu Antiquitäten mitbringen.

Qualität statt Preisfokus

Möbelrestaurierungen sind zeit- und kostenintensiv. Der finanzielle Aufwand ist deshalb für viele ein Entscheidungskriterium. Dennoch beobachtet Voellmy, dass die Qualität immer mehr im Vordergrund steht: «Ist der Preis zu hoch, verzichtet der Kunde eher ganz auf die Ausführung, als einen Kompromiss einzugehen.» Entscheidend ist hier immer die transparente Kommunikation. Wenn der Aufwand und die Leistungen klar erklärt werden und der Kunde versteht, welches Wissen und Handwerk notwendig sind, steigt auch die Akzeptanz für einen realistischen Preis. «Der individuelle Restaurationsaufwand bedingt, dass dem Kunden genau aufgezeigt wird, was gemacht werden muss und was nicht unbedingt notwendig ist. Manchmal reichen auch eine gründliche Reinigung und eine Pflegebehandlung», sagt Voellmy. Schmid gibt weiter zu bedenken, dass eine Restaurierung aus drei Hauptbereichen besteht, die es abzudecken gilt: «Zuerst wird in der Bestandsaufnahme ein Restaurierungskonzept erstellt, dann kommt die eigentliche handwerkliche Umsetzung, und in einem weiteren Schritt erfolgt die Dokumentation des Objekts sowie der ausgeführten Arbeiten.» Durch das Aufzeigen von Qualität und Kompetenzen kann die Kundschaft überzeugt werden. Auch Böckli sieht die Qualität und die emotionale Bindung als zentrale Entscheidungsfaktoren. Durch verschiedene Ausführungsvarianten, etwa zwischen Konservierung und umfassender Restaurierung, lässt sich eine preisliche Staffelung anbieten: «Wir arbeiten in einem spezialisierten Handwerk, in dem viel Fachwissen und Erfahrung erforderlich sind. Dieses Spektrum sollte sich auch in der Beratung widerspiegeln.»

Mit Leidenschaft auf Materialsuche

Die Materialbeschaffung ist heute meist gut lösbar. Traditionelle Leime, passende Hölzer, alte Beschläge oder Zierschilder sind mit etwas Geduld und Know-how über Onlineplattformen oder Flohmärkte auffindbar. Voellmy betont: «Eine mit Leidenschaft arbeitende Möbelrestauratorin hat immer und überall die Augen offen und findet die passenden Materialien.» Die Suche nach den passenden Materialien und Beschlägen ist ein zentraler Arbeitsschritt und gehört zum Alltag im Bereich der Möbelrestaurierungen. Zudem ist es ein Teil der Faszination dieses Berufs. Auch Marco Böckli sieht dank seiner langjährigen Tätigkeit und einem umfangreichen Fundus kaum Engpässe: «Der Materialbedarf ist bei einer Konservierung oder Restaurierung eher gering. Zudem arbeiten wir mit spezialisierten Lieferanten und auch anderen Handwerkern, wie beispielsweise Schmieden, zusammen.»

Nachhaltigkeit als zentrales Argument

Kaum ein Aspekt wird in Kundengesprächen so häufig genannt wie die Nachhaltigkeit. Möbelrestaurierung bedeutet auch, die bestehenden Ressourcen zu nutzen, das Handwerk zu bewahren und Erinnerungen weiterzugeben. «Die Nachhaltigkeit ist definitiv ein wichtiger Faktor geworden. In unserer Wegwerfgesellschaft bekommt der Erhalt von antiken oder auch nur alten Möbeln eine immer wichtigere Bedeutung. Auch der Respekt für den Erhalt von altem Handwerk wird immer bedeutungsvoller», so Voellmy. Neben dem Nachhaltigkeitstrend zeichnet sich eine Entwicklung hin zu multifunktionalen, modularen Möbeln und Einbauten ab. So können beispielsweise auch alte oder antike Stücke durch neue, moderne oder digitale Komponenten unsichtbar aufgerüstet werden. So können aus antiken Werkstücken moderne, multifunktionale, zeitgemässe und nachhaltige Werkstücke entstehen. Trotz dieser neuen Entwicklungen bleibt der Restaurierungsmarkt eine Nische. Das zeigt sich, wenn man einen Blick auf die Arbeitsmarkt- und Fachkräftesituation wirft.

Zwischen Mangel und Motivation

Das Finden der richtigen Fachkräfte stellt für viele Unternehmen eine Herausforderung dar. Zwar gebe es laut Voellmy insbesondere bei den jungen Berufsleuten ein vermehrtes Interesse, sich nach einer EFZ-Ausbildung in diese Richtung weiterzubilden. Einen Grund sieht er darin, dass die Möbelrestauration nicht unter dem gleichen Termindruck steht wie das Projektgeschäft und sich daher flexiblere Arbeitszeitmodelle besser gestalten lassen. Diese benötigte Flexibilität auf beiden Seiten sieht Armin Schmid aber auch als Herausforderung: «Wenn man in diesem Bereich arbeiten will, ist es fast unerlässlich, dass man bereit ist, Kompromisse bezüglich des Arbeitswegs einzugehen oder den Wohnort zu wechseln.» Laut Böckli hat das vorhandene Ausbildungsprogramm, beispielsweise die Weiterbildung zur Handwerkerin oder zum Handwerker in der Denkmalpflege, dazu beigetragen, dass sich die Situation verbessert hat. «Wir nutzen nationale und auch internationale Weiterbildungsangebote regelmässig für den Austausch oder zur Weiterbildung», sagt Böckli.

Stabile Zukunftsaussichten

Mit Blick auf die Zukunft sieht Böckli eine stabile Entwicklung: «Wir gehen davon aus, dass die Nachfrage im jetzigen Bereich bleibt oder sich noch leicht steigern wird. Denn Möbelstücke oder Objekte aus früherer Zeit bringen auch immer Wärme und Geschichte in die oft kalten Neubauten.» Auch Voellmy sieht eine gleichbleibende Entwicklung: «Die intensiven Kosten halten junge Leute oftmals von einer Möbelrestaurierung ab. Hier könnten dann aber wieder die Grosseltern einspringen.»

Die Erschliessung neuer Märkte ist ebenfalls herausfordernd. Kooperationen mit Museen, Architekten oder Innenausbauern sieht Böckli eher selten, obwohl sie neue Impulse bringen könnten. Er arbeitet jedoch regelmässig mit der Denkmalpflege, Innenarchitekten und bei Schadensfällen auch mit Versicherungen zusammen. Diese Kooperationen beobachtet auch Armin Schmid: «Besonders bei grösseren Restaurierungen im Bereich der Innenausbauten ist eine abgestimmte Zusammenarbeit unter den Handwerkern selbst, aber auch mit der Denkmalpflege, den Planern und der Bauherrschaft unerlässlich.»

www.boeckli-antiquitaeten.chwww.tschudinag.ch

Weiterbildung

Wie viele handwerkliche Berufe leidet auch die Restaurierung im Fachbereich Innenausbau und Möbel unter einem zunehmenden Fachkräftemangel. Zwar interessieren sich Lehrabgängerinnen und Lehrabgänger zunehmend für die Spezialisierung «Handwerk in der Denkmalpflege», jedoch setzen die Ausbildung und Berufstätigkeit viel Flexibilität voraus. Die Ausbildung ist anspruchsvoll, ermöglicht aber gleichzeitig weniger Termindruck, mehr Gestaltungsfreiraum und eine sinnstiftende Tätigkeit.

Angepasste Weiterbildung

Eine besonders praxisnahe Möglichkeit zur Spezialisierung ist die Weiterbildung zur Handwerkerin oder zum Handwerker in der Denkmalpflege mit eidgenössischem Fachausweis. Die Weiterbildung richtet sich in erster Linie an Berufsleute mit einer abgeschlossenen handwerklichen Ausbildung und Erfahrung an historischen Objekten. Im Lehrgang lernen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer alles Wesentliche über historische Materialien, traditionelle Verarbeitungstechniken, Dokumentation, Befundaufnah- me und die fachgerechte Umsetzung denkmalpflegerischer Eingriffe.

Acht Fachrichtungen

Mit den acht Fachrichtungen eröffnet der Lehrgang «Handwerk in der Denkmalpflege» Anwendungsbereiche für unterschiedliche Spezialgebiete. Er stärkt die Fähigkeit zur interdisziplinären Zusammenarbeit mit Architektinnen, Behörden oder anderen Restauratoren. Der Abschluss mit eidgenössischem Fachausweis ist schweizweit anerkannt, und der Lehrgang dauert zwei Jahre berufsbegleitend. Im Möbel- und Innenausbau- bereich bietet diese Weiterbildung eine Möglichkeit, sich im spezialisierten Markt mit fundiertem Wissen zu positionieren.

www.handwerkid.ch

Noah Gautschi, NJG

Veröffentlichung: 14. August 2025 / Ausgabe 33/2025

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