Scherben bringen Material

Bild: Lorenz Innenarchitektur

Glaskeramik.  Der noch junge, ökologische Werkstoff aus Glas-Ausschussmaterial zeichnet sich neben seiner Unempfindlichkeit vor allem durch seine transluzente Optik aus. Die Struktur ist durchleuchtungsfähig und kristallähnlich, was zu einer besonderen Tiefenwirkung führt.

Glaskeramik kennen die meisten von den Kochfeldern. Optisch glasähnlich, hart wie Keramik und temperaturbeständig, ist das Material mit entsprechenden Eigenschaften versehen. Neben dieser technischen Anwendung gibt es auch dekorative Glas-keramik, auch Schollenglas genannt, das visuell und haptisch völlig anders daherkommt.

Aus Scherben wird Material

Solche Glaskeramik wird fast ganz aus Ausschussmaterial der Industrie- und Flaschenglasproduktion hergestellt. «Wir zerbrechen dabei das Glas im Produktionsprozess nach einem definierten Raster, so dass wir Scherben mit einer bestimmten Grössensortie-rung, einem Mischungsverhältnis und einem Anteil Staub erhalten. Dann wird das Glasgemisch angeschmolzen, bis es eine lavaähnliche Konsistenz hat. Ohne irgendwelche Zusätze von Harzen oder Bindemitteln entsteht lediglich unter Einsatz von Hitze und Zeit ein Werkstoff, der sich so selbst wieder vollständig recyceln lässt», sagt Uwe Wobith, General Manager der deutschen Magna Glaskeramik GmbH, des derzeit einzigen Produktionsunternehmens von Glaskeramik in dieser Form. Lediglich prozessrelevante Sinteradditive sollen noch bei- gemischt werden. Der amerikanische Vertriebspartner verkauft das Produkt deshalb auch unter dem Markennamen «Bioglass». Die beiden in Europa eingeführten Markennamen «Decoran» und «Structuran» weisen lediglich auf ihre Anwendungsgebiete hin. «Die Produkte sind technologisch identisch», sagt Uwe Wobith.

Die Farbe des Materials wird zunächst von der Farbe des Rohglases bestimmt. Da relativ wenig blaues oder rotes Glas als Rohstoff anfällt, könne eine gewünschte Farbe auch durch den Zusatz von Farbpigmenten erzielt werden, so Wobith.

Wo und wie eingesetzt

Das Material gibt es mit zwei Oberflächen: hochglanzpoliert und strukturiert bei einer Standarddicke von jeweils 21 mm. Neben der Verwendung im Innenausbau als Küchen- abdeckungen, Badezimmeranwendungen, Tischplatten oder Lichtwände wird das Material wegen seiner Witterungsbeständigkeit auch für die grossflächige Fassadenverkleidung verwendet. In der Regel wird Glaskeramik werkseitig konfiguriert, eine Nachbearbeitung sei mit diamantbestückten Werkzeugen beschränkt möglich. Neben flachen Platten sind auch gebogene und geschwungene Geometrien möglich. Wie beim Glas auch werden Ausschnitte, das Fasen und Schleifen der Kanten festgelegt und werkseitig erstellt.

«Die Montage der Elemente erfolgt grundsätzlich ähnlich wie bei Floatglas. Stösse werden in der Regel mit Silikon oder Glasklebstoff ausgebildet», erklärt Wobith. Allerdings muss man beachten, dass das Material schwer und spröde ist. «Bei der Montage gerade von grossen Elementen muss man deshalb ziemlich aufpassen, damit alle Ecken heil bleiben.» Auch winklige Bauteile, etwa auf Gehrung fertig verklebt, werden werkseitig gefertigt. «Auf den Transport und die Montagemöglichkeit ist dann besonders zu achten. Die Verpackung für den Transport und auch die Montage von räumlichen Gebilden ist aufwendig, weil die Teile dann empfindlich und schwer sind», sagt Wobith.

Während im Innenraum üblicherweise geklebt wird, erfolgt die mechanische Befestigung der Platten für Aussenanwendungen mit mehreren Systemlösungen. Eigens entwickelt wurde von der Firma Fischer Be-festigungssysteme hierfür ein Hinterschnitt- anker zur Befestigung.

Mit Licht noch spannender

Interessant ist bei der Glaskeramik der Einfluss von Licht. Die «Schollen» kommen je nach Winkel des auftreffenden Lichts unterschiedlich zur Geltung. Beim transluzenten Material ist, anders als beim Floatglas, «eine Einspeisung von Licht über die Kante aber wenig sinnvoll, denn dabei werden aufgrund der vielen Reflexionen lediglich die ersten Zentimeter im Material durchleuchtet», erklärt Wobith. Es braucht eine flächige Durchleuchtung, bei der die Struktur der Glaskeramik je nach Abstand der Leuchtmittel zum Werkstoff und dessen Farbe recht unterschiedlich zur Geltung kommt. Hier muss man schon etwas tüfteln mit der Anzahl, der Platzierung und der Leistung von LED, um den gewünschten Effekt erzielen zu können.

Kein einheitlicher Preis

Während das Material in Weiss durchaus als Leuchte eingesetzt werden kann, benötigt es bei Grün oder Blau schon sehr viel Energie, um eine gleichmässig leuchtende Fläche zu erhalten. Hält man zum Beispiel eine LED-Leuchte mit 12 × 1,5 Watt und 769 Lumen bei gut zwei Zentimetern Abstand vor ein grünes Musterstück von zehn Zenti-metern Kantenlänge, ist dieses dann gerade ausreichend durchleuchtet. Bei polarweisser Glaskeramik reicht dafür die halbe Leuchtkraft aus. «Der Preis unserer Produkte hängt stark vom Verschnitt der Rohtafeln, von der Farbe und von der Oberfläche ab und liegt zwischen umgerechnet Fr. 300.– und 600.– pro m2», so Wobith – je nach Konfiguration und Transportaufwand.

Eine Schweizer Vertretung für den Werkstoff gibt es bislang nicht. «Langfristig sind wir aber auf der Suche nach entsprechenden lokalen Partnern», sagt Wobith.

www.magna-glaskeramik.comwww.rosskopf-partner.com

Steckbrief

Eigenschaften von Glaskeramik

  • Masse: max. 2780 × 1250 mm
  • Stärke: 21 mm
  • Spezifisches Gewicht: zirka 2,4 g/cm3
  • Gewicht pro m2 bei 21 mm Dicke: zirka 50,4 kg
  • E-Modul: zirka 57 kN/mm2
  • Biegezugfestigkeit: zirka 35 MPa
  • Ausreissfestigkeit Befestigungspunkt: zirka 3,2 kN (Fischer-Anker 15 mm Setztiefe, Keil-Hinterschnittanker 13 mm Setztiefe)
  • Härte: 5 GPa (nach Mohs)
  • Wasseraufnahme: < 0,1 %
  • Oberflächen: hochglanzpoliert oder patiniert
  • Rutschhemmung: R9 (patinierte Oberfläche) nach DIN 51130
  • Oberflächenverschleiss: Klasse II, 300 Umdrehungen nach DIN EN 154
  • Wärmeleitfähigkeit bei 64 °C: 1,04 W/m2K
  • Fleckenbeständigkeit: Klasse I nach DIN EN 122
  • Chemische Beständigkeit: Klasse AA, Säureklasse AA, Laugeklasse A, jeweils nach DIN EN 122

ch

Veröffentlichung: 27. August 2015 / Ausgabe 34/2015

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