Sichere Hülle des Bekannten


Ganz spezielle Möbel sind nicht unbedingt praktisch, helfen aber, eine eigene kleine Welt zu erschaffen. Bild: SZ, Andreas Brinkmann


Ganz spezielle Möbel sind nicht unbedingt praktisch, helfen aber, eine eigene kleine Welt zu erschaffen. Bild: SZ, Andreas Brinkmann
Spezialmöbel. Als Leitmesse bot die Internationale Möbelmesse in Köln (IMM Cologne) viel Spezielles, was dem Endverbraucher ein sicheres Gefühl in seiner individualisierten Wohnwelt bieten kann. Bei einigen Innovationen lohnt es sich, sie bewusst wahrzunehmen.
Was nicht einem konkreten Nutzen zuzuordnen ist oder nicht den üblichen Gebrauchsvorstellungen entspricht, wird gerne als speziell angesehen. Es sind die Dinge, mit denen man sich die eigene Welt definiert, Unterschiede zu allgemein üblichen Zusammenstellungen macht und so etwas Einzigartiges für sich hat.
Soeben ist mit der IMM Cologne eine der beiden wichtigsten Möbelmessen in Europa zu Ende gegangen – und dies mit einem Rekord von über 150 000 Besuchern aus der ganzen Welt. Gezeigt wurden an der internationalen Möbelmesse in Köln vom 16. bis am 22. Januar die neusten Einrichtungsprodukte von Herstellern aus 102 Ländern. Aus der Schweiz waren 35 Aussteller vertreten. Sie alle haben ihre Produkte entsprechend ihrer Erfahrung gezielt den Kundenbedürfnissen angepasst, sie weiterentwickelt und in diesem Sinne auch Neues kreiert. Was hat sich also verändert seit der letzten gros-sen Präsentation?
Neues wollte entdeckt werden. Es fand mehr im Detail statt als im Offensichtlichen. Und so wirkten viele Kollektionen auf den ersten Blick vertraut; Altbekanntes schien Vorrang zu haben. Es wurde nach Sicherheit gestrebt, und so waren nach wie vor ältere Designs sehr beliebt. Sie bestimmten in der Grundlage die Kollektionen. Aber es fanden sich auch immer wieder Spezialitäten wie kleine Tische, deren Blätter aus Baumscheiben bestanden und die, um rissfrei zu werden, nach dem Trocknen in drei Segmente geschnitten und neu zusammengefügt wurden – was auf den ersten Blick kaum zu sehen war. Massivholz war immer noch sehr wichtig. Da zeigte sich dann auch wahres Können. Während ein grosser Teil der Anbieter ihre Holzzusammenstellung bei Flächen in Brettoptik machte, gab es auch Hersteller wie beispielsweise die deutsche Firma Scholtissek oder die Girsberger AG aus Bützberg BE, die Bildaufbauten mit Massivholz schufen und deren Möbel dadurch einen noch stärkeren Unikatscharakter erhielten.
Der Kundenwunsch nach Komfort und Sicherheit zeigte sich speziell bei den Sitzmöbeln: Ausserordentlich viele Essstühle wurden mit gepolsterten Schalen angeboten. Dabei bildeten die Sitz- und Rückenteile meist eine Einheit, die den Körper schalenförmig aufnahmen. Überhaupt fand das Wohnzimmer immer mehr Einlass ins Esszimmer, denn an die Tische wurden regelrechte hochbeinige Sofas gestellt. Zusatzkissen oder ausgeprägte Seitenteile luden zu gemütlichen Tischrunden ein. Noch ausgeprägter zeigte sich dieses umarmende Sitzgefühl bei den Polstermöbeln, die einen sicheren Rückzugsort versprachen.
Was sich vor einem Jahr schon zaghaft angedeutet hatte, konnte nun bei verschiedensten Anbietern wiederentdeckt werden: Eine Renaissance der runden Tische. Viele Jahre wurden sie nicht mehr angeboten, und nun standen sie wieder da. Dabei waren auch einige Tische mit sehr grossen Durchmessern und zentralen Drehscheiben im Blatt zu finden.
Der Vorteil der runden Form liegt auf der Hand: Jeder am Tisch kann jeden direkt ansehen und auch ansprechen. Wie gross dabei die Distanz zueinander sein darf, hat mit persönlichen Vorlieben, aber auch mit dem verfügbaren Platzangebot zu tun. Kleine Tische wurden daher, wie bei der Luzerner Tisch & Stuhl Willisau AG, auch mit Ausziehmöglichkeit gezeigt.
Auch andere Tischformen scheinen wieder zu kommen. So wurden unter anderem Bootsformen und Ellipsen gezeigt.
Interessant waren aber auch die Proportionen: Tischblätter aber auch Korpusse gab es vermehrt auch in dickeren Materialstärken mit eher grober Wirkung. Die Kombination mit feinen Untergestellen aus Stahl oder Holz entschärfte diese Wirkung wieder etwas.
Bei den Korpusmöbeln dominierten gerade im gehobenen Bereich sehr feine Linien und dünn wirkende Materialien mit klar gegliederten Flächen. In diesem Stil präsentierte sich auch die neue Kollektion der Team by Wellis AG, die in Köln Premiere feierte. Ausser der Korpuslinie wurden auch Polstermöbel sowie Teile aus der bestehenden Kollektion gezeigt.
An Oberflächen bot die Branche so ziemlich alles, was das Herz begehrt. Sehr vieles ist heute industriell umsetzbar, und so scheint es logisch, dass die Hersteller weitgehend auf Kundenwünsche eingehen.
Auch wer das Ausgefallene suchte, wurde an der Messe fündig. So zeigte die öster- reichische Firma Buben & Zörweg leder- verkleidete Hochsicherheitsmöbel für den Heimbereich mit integrierten Safes und Uhrenbewegern, welche bewirken, dass wertvolle Armbanduhren mit automatischem Antrieb weiterlaufen, wenn sie nicht getragen werden. Die speziellen Tresore wurden in freistehender wie auch einbaubarer Version gezeigt.
Ebenso einzigartig dürfte auch das Ange- bot der japanischen Firma Kikuchi Gohan Mokko Co. sein. Sie bot modular aufgebaute, in der Grösse wählbare traditionelle japanische Räume mit Tatamiboden und Papierschiebewänden an. Das Modul wird in ein Zimmer platziert und wirkt als Raum im Raum.
So definieren sich Spezialmöbel nach dem, was der Kunde für sich als ganz persönlich bereichernden Wunsch hat.
www.scholtissek.dewww.girsberger.comwww.willisauag.chwww.teambywellis.chwww.buben-zorweg.comwww.kikuchi-japan.comVeröffentlichung: 26. Januar 2017 / Ausgabe 4/2017
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