Sozial erfolgreich und wirtschaftlich


Die Stiftung Brändi bietet rund 20 Ausbildungsplätze in der Schreinerei an. Bild: Fotosolar


Die Stiftung Brändi bietet rund 20 Ausbildungsplätze in der Schreinerei an. Bild: Fotosolar
Stiftung. «Brändi Dog» ist ein Verkaufsschlager, das taktische Gesellschaftsspiel hat Kultstatus erworben. Das Brettspiel ist in der Stiftung Brändi entwickelt worden, einer Institution, die sich für die Integration von psychisch, geistig und körperlich beeinträchtigten Menschen einsetzt.
Die Stiftung Brändi setzt sich für Menschen ein, die es ohne Hilfe nicht in den Arbeitsmarkt schaffen oder die aufgrund einer Beeinträchtigung aus dem Arbeitsmarkt gefallen sind und eine strukturierte und begleitete Arbeits- oder Wohnumgebung benötigen. «Wir sind die letzte Masche im System», sagt Pius Koch. Er ist gelernter Schreiner, Arbeitsagoge und leitet die Schreinerei der Stiftung in Kriens LU.
Die Stiftung Brändi gibt es seit 50 Jahren und umfasst heute 15 Unternehmen an 9 Standorten. In diesen werden zurzeit 220 Lernende in 14 verschiedenen Branchen ausgebildet. Die Ausbildungen in der Schreinerbranche finden am Standort Kriens statt. Derzeit werden hier 23 Lernende ausgebildet. Sie absolvieren entweder die vierjährige Schreinerlehre EFZ, die zweijährige Ausbildung zum Schreinerpraktiker EBA, die vereinfachte Anlehre zum Schreinerpraktiker PrA oder ein Vorlehrjahr. Betreut werden alle von zwei Berufsbildnern und einem Jobcoach.
Jimi Zsolnai ist 16 Jahre alt und absolviert die Ausbildung zum Schreinerpraktiker. Anfänglich stockt er ein bisschen beim Sprechen. Doch als sich seine Nervosität gelegt hat, erzählt er gerne über seine Lehre. «Ich erhalte hier Einblicke in die verschiedenen Bereiche wie Bohren, Fräsen, Lackieren, Hobeln und Schleifen.» Am liebsten mag er Aufgaben, bei denen er nachdenken, planen und skizzieren kann. Er hat bereits eine Anstellung in einem Betrieb ausserhalb der Stiftung gefunden.
Zusätzlich zu den Ausbildungsplätzen bietet der Standort 25 geschützte Arbeitsplätze. Diese sind für Mitarbeitende, die im Arbeitsmarkt nicht mehr Fuss fassen können. Sie sind hier fest angestellt. «Die häufigsten Beeinträchtigungen sind Lernbehinderungen, ADHS, Burnouts oder Depressionen», erklärt Koch. Menschen mit einer körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung arbeiten nicht in der Schreinerei. Sie sind in anderen Betrieben der Stiftung Brändi untergebracht.
Koch, der schon seit über 25 Jahren für die Stiftung arbeitet, beobachtet einen Trend. «Es stossen immer mehr jüngere Menschen zu uns. Sie sind dem Leistungsdruck und der Erwartungshaltung der Gesellschaft nicht gewachsen und entwickeln psychotische Auffälligkeiten.» Wenn junge Erwachsene sich an die Stiftung wenden, erfolgt zuerst eine eingehende Abklärung, während der Eignung und Neigung beobachtet werden. Diese Phase dauert zwischen drei Wochen und drei Monaten.
Die Erfolgsaussichten, dass diese jungen Menschen nach dem Lehrabschluss in die Wirtschaft integriert werden können, sind hoch. 60 bis 80 % von ihnen schaffen den Schritt in den Arbeitsmarkt.
Was Koch an seinem Job besonders fasziniert, ist der Spagat zwischen wirtschaftlichem und sozialem Auftrag. Das flexible Umorganisieren und spontane Umdisponieren fordert ihn täglich heraus. Dann etwa, wenn Mitarbeitende ausfallen oder aufgrund ihrer Tagesverfassung nicht die notwendige Leistung erbringen können, aber der Kunde trotzdem auf die Auslieferung seiner bestellten Ware wartet. Dann kann es zuweilen hektisch werden, und Koch muss zusammen mit seinem Team selbst mit anpacken und den letzten Schliff machen. Der Arbeitsagoge geht auf in der Rolle des Coachs. Seine Geduld und seine Ausdauer, gemischt mit seiner sozialen Ader, bilden die perfekten Voraussetzungen dazu.
Jeden Morgen dreht er seine Runde durch den Betrieb, grüsst jeden Mitarbeiter per Handschlag und hält Augenkontakt. «Ich spüre sofort, wenn es jemandem nicht gut geht. Dann spreche ich das gleich an.» Er macht eine kurze Pause und sinniert: «Ich freue mich an den kleinen Dingen im Alltag. Es befriedigt mich, wenn ich sehe, dass ein Mitarbeiter am Ende des Tages einen kleinen Schritt weitergekommen ist.»
«Wir ziehen die Sicherheit im Betrieb strikt und rigoros durch», sagt Koch beim Rundgang durch die 1500 m2 grosse Schreinerei. Eine CNC-Maschine bohrt Löcher in Fichtenplatten. Daneben sortiert ein Mitarbeiter die Teile und gibt sie weiter in die Lackiererei. «Die Maschinen sind so gerüstet, dass es kaum zu Fehlern kommen kann. Instruktionen werden schriftlich dokumentiert.» Gehörschutz, Schutzbrille, Sicherheitsschuhe, T-Shirt in den Hosen, Haare zusammengebunden – die Sicherheitsvorschriften werden strikt eingehalten. Seit er hier arbeite, sei es zu keinem gravierenden Unfall gekommen, sagt Koch. Jeden Monat macht der Sicherheitsbeauftragte Checks. «Ich behaupte, die Kontrolle ist bei uns grösser als bei vielen konventionellen Schreinereien.»
Koch zeigt auf das nächste Produkt, das in der Schreinerei hergestellt wird. «Das ist vielleicht ein wenig makaber, aber wir produzieren auch Urnen.» Im Rahmenpalett stapeln sich achteckige Behälter aus Fichtenholz. Die Produkte, die in dieser Schreinerei entstehen, sind vielfältig: von Gartenbänken über Grappa-Ständer, Insektenkästen, Lampenringen, Holzspielzeugen bis hin zu Werkzeugkisten. Doch eines haben sie alle gemein. Sie werden alle aus Schweizer Holz hergestellt. Gerechnet wird mit marktüblichen Preisen.
Weiter geht der Rundgang, vorbei an einem Mitarbeiter, der Löcher in eine Holzplatte bohrt. «Das ist ein Spielteil von ‹Brändi Dog›, unserem Erfolgsschlager.» Koch präsentiert einen Holzhocker. «Der Ulmenhocker ist sehr beliebt. Wir produzieren ihn für ein bekanntes Möbelhaus.» Daneben steht ein hübsches Taburett. «Von diesen stellen wir jährlich rund 1500 Stück her.» In seiner Stimme schwingt eine leise Spur von Stolz mit. «Unser Betrieb ist für grosse und kleinere Produktionsgrössen und Serienproduktionen eingerichtet.»
Koch marschiert weiter zur Lehrwerkstatt. «Das ist die kleine Schreinerei in der Schreinerei.» Hier können sich Lernende austoben und ihre ersten Gehversuche machen. Im Bankraum baut ein Mitarbeiter gerade einen Einlasskasten zusammen und lackiert ihn später mit feuerhemmendem Lack.
Obwohl die Stiftung über den Kanton und die IV finanziert wird, erwirtschaftet sie einen grossen Teil selbst. Der Eigenfinanzierungsgrad liegt bei über 52 %. Als Besucher ist man nicht nur von der Grösse, Professionalität und Wirtschaftlichkeit der Schreinerei beeindruckt, sondern auch von der hohen Wiedereingliederungsquote.
Die Stiftung Brändi mit Sitz in Horw LU ist eine privatrechtliche Non-Profit- Organisation. Seit 50 Jahren fördert sie die berufliche und gesellschaftliche Integration von psychisch, geistig und körperlich beeinträchtigen Menschen. In 15 Betrieben bietet die Stiftung im Kanton Luzern 1100 Arbeits- und Ausbildungsplätze und 340 Wohnmöglichkeiten an. Mit rund 1800 Beschäftigten gehört sie zu einem der grössten Arbeitgeber der Zentralschweiz. Finanziert wird sie durch Beiträge des Kantons, der Invalidenversicherung (IV) und mit Erträgen aus Produktion und Dienstleistungen.
www.braendi.chVeröffentlichung: 30. August 2018 / Ausgabe 35/2018
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