Tod aus der Regenwolke

Beregnete Oberflächen verschiedener Hölzer und Beschichtungen im Freilandversuch. Bild: Holzforschung Austria

Forschung.  Wie lange eine Beschichtung Wind und Wetter standhält, ist eine zentrale Frage beim Einsatz von Holz im Aussenbereich. Im Rahmen einer dreijährigen Untersuchung haben Forscher eine Grundlage entwickelt, um die Lebensdauer von Holzbeschichtungen vorauszusagen.

In Europa besteht der Bedarf, Holz als nachhaltiges Material im Bauwesen verstärkt zum Einsatz zu bringen. Im Sinne einer optimalen Ressourcennutzung ist es dabei von grosser Wichtigkeit, die Nutzungsdauer von beschichteten Holzbauteilen wie etwa Fenstern, Aussentüren und Fassaden zu optimieren. Durch regelmässige Wartung kann deren Haltbarkeit deutlich erhöht werden. Die Lebensdauer einer Beschichtung, beziehungsweise die Zeit bis zum ersten Wartungsanstrich (Nutzungsdauer), ist dabei von einer Vielzahl an Faktoren abhängig. Neben der Art der Beschichtung (deckend, lasierend) spielt auch die Einbausituation (vollflächig bewittert oder vor direkter Bewitterung geschützt, zum Beispiel durch Vordächer) sowie die Wahl der Holzart eine grosse Rolle.

Je nach Kombination dieser Faktoren ergibt sich eine höchst unterschiedliche Dauerhaftigkeit, die bisher nur relativ grob abgeschätzt werden konnte. Von zentraler Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch die Quantifizierung des Einflusses der verschiedenen Faktoren. So ist beispielsweise die Südseite eines Gebäudes im Vergleich zur Nordseite einer deutlich höheren UV-Belastung ausgesetzt. Eine quantitative Bestimmung des dadurch bedingten Lebensdauerunterschieds wurde bisher noch nicht durchgeführt.

Um diese Herausforderungen zu bewältigen, wurde das europäische Projekt «Servowood» ins Leben gerufen. Daran waren insgesamt 15 Partner aus Europa beteiligt. Das Konsortium bestand aus Vertretern der Beschichtungsindustrie, der Holz verarbeitenden Industrie und aus mehreren renommierten Forschungsinstituten. Unter der Koordination des Europäischen Dachverbandes der Farben-, Druckfarben- und Künstlerfarbenhersteller (Cepe) waren auch die Forschungsinstitute Empa (Schweiz), Holzforschung Austria (Österreich), FCBA (Frankreich), PRA (Grossbritannien) und Catas (Italien) beteiligt.

So realitätsnah wie möglich

Das Hauptziel von «Servowood» war die Entwicklung eines praxistauglichen Modells zur Bestimmung der voraussichtlichen Nutzungs- beziehungsweise Lebensdauer von Holzbeschichtungen im Aussenbereich. Basierend auf den im Rahmen des Projektes sowie von Vorprojekten erhaltenen Daten erwies sich hierfür ein Faktorenmodell nach ISO 15686-8 als am besten geeignet. Grundlage für dieses Modell ist eine Referenzlebensdauer RSL (Reference Service Life), die mithilfe von Langzeiterfahrungen eines Beschichtungssystems in einer bestimmten Einbausituation erhalten wird. Durch Multiplikation der Referenzlebensdauer mit einer Reihe von Faktoren wird schliesslich die Lebensdauer bei einer bestimmten Anwendung ermittelt. Massgebliche Fakto- ren für die Berechnung der Lebensdauer sind Beschichtungseigenschaften, Holzuntergrund, Ausführung, Witterungsbedingungen und Wartung. Die modifizierenden Faktoren wurden aufgrund von Dosis-Wirkungs-Beziehungen, basierend auf den Versuchsdaten sowie auf den Ergebnissen von vorangegangenen Projekten und der Literatur, entwickelt.

Einer der grössten Vorteile dieses Modellierungsansatzes besteht darin, dass jeder Faktor unabhängig von den anderen ermittelt und modifiziert werden kann. Somit ist eine fortlaufende Präzisierung und Validierung der Faktoren auch in zukünftigen Projekten möglich. Darüber hinaus können bei Bedarf weitere Faktoren hinzugefügt werden, die bisher noch nicht berücksichtigte Variablen miteinbeziehen.

Regen aus neun Richtungen

Um die Variation der Bewitterungsdosis, wie sie an den verschiedenen Seiten und Fassaden eines Hauses auftrifft, zu untersuchen, wurde ein mehrseitiger Bewitterungsstand (MFER, multi-faceted exposure rig) für Freilandbewitterungen entwickelt. Dieser erlaubt die Bewitterung von beschichteten Proben in neun verschiedenen Richtungen: vertikal und 45° geneigt in jede Himmelsrichtung sowie horizontal auf der Oberseite des Bewitterungsstandes. Drei dieser Bewitterungsstände wurden zusätzlich mit einer Sprüheinrichtung, einer Heizung oder einer Kombination aus beidem ausgestattet, um auch die Dosis von Feuchtigkeit und Wärme zusätzlich zum Effekt der Himmelsrichtung in der natürlichen Bewitterung zu variieren.

Auf diesen Bewitterungsständen wurden zahlreiche Unterschiede in der Dauerhaftigkeit der Beschichtungen beobachtet. Die grössten Veränderungen der Beschichtungen zeigten sich an den horizontalen Oberflächen, gefolgt von den südlich und westlich ausgerichteten, 45° geneigten Flächen. Pilzbewuchs trat verstärkt an Oberflächen auf, die in Richtung Norden exponiert waren. Die geringsten Veränderungen wurden an vertikal bewitterten Proben festgestellt. Die Bewitterungsstände mit variierender Feuchtigkeit und Wärmeeinwirkung zeigten Unterschiede in der Schadenentwicklung der Beschichtungen. Insbesondere die feuchten Bedingungen führten zu intensiverem Pilzbewuchs der Proben. Die Ergebnisse beschreiben sehr gut die Variationen in der Abwitterung von Holzbeschichtungen, die auf den verschiedenen Seiten eines Hauses und in unterschiedlichen Neigungen der Oberflächen von Holzbauteilen auftreten, und sind eine wichtige Grundlage für das Lebensdauer-Vorhersagemodell.

Aus den Ergebnissen konnte gefolgert werden, dass die relative Leistungsfähigkeit von Beschichtungssystemen in der Freilandbewitterung sehr stark durch Faktoren wie die Orientierung beeinflusst wird. Die Daten werden zur weiteren Entwicklung der EN 927- verwendet, in der eine Einteilung nach dem Effekt der Bewitterungsbedingungen und -orientierung hinsichtlich der Beschichtungsqualität getroffen wird.

Holzart ist mitentscheidend

Der Einfluss der Holzart und Jahrringlage auf die Lebensdauer von Beschichtungssystemen wurde untersucht, indem ausgewählte Beschichtungen auf unterschiedliche Holzarten (Kiefer, Europäische Lärche, Fichte, Eiche und Meranti) mit variabler Jahrringlage (0°, 5 – 45°) appliziert und an den Standorten Wien und Bordeaux bewittert wurden. Die frühesten Schäden wurden dabei bei den Holzarten Kiefer und Eiche festgestellt. Fichte als Holzuntergrund zeigte erst zu einem späteren Bewitterungszeitpunkt Schäden in der Beschichtung. Die längste Nutzungsdauer erreichten die Holzarten Lärche und Meranti. Hinsichtlich der Jahrringlage wurde bei den Nadelholzarten eine deutlich höhere Nutzungsdauer bei 5 – 45° im Vergleich zu 0° Jahrringlage beobachtet. Bei den Laubhölzern wurde dagegen kein Einfluss der Jahrringlage auf die Nutzungsdauer festgestellt.

Je älter, desto härter

Eine Reihe von neuen Methoden wurde ange- wandt, um Veränderungen in der chemischen Zusammensetzung und den mechanischen Eigenschaften von Beschichtungsfilmen wäh- rend der Bewitterung zu charakterisieren. Dies ermöglichte die Untersuchung von frühen Veränderungen in den chemischen und physikalischen Eigenschaften, lange bevor diese als Defekte in der Beschichtung visuell erkennbar waren.

Eine dieser neuartigen Untersuchungen stellte der zerstörungsfreie Pendelhärtetest nach Persoz dar. Dieser lieferte wichtige Erkenntnisse hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen Filmmechanik und Rissentwicklung. Der Test ist einfach durchzuführen und kann direkt auf Beschichtungen auf Holzuntergrund angewendet werden, ohne dass freie Beschichtungsfilme benötigt werden, deren Herstellung sehr schwierig oder manchmal unmöglich ist. Es zeigte sich, dass alle Beschichtungen während der Alterung einen Anstieg der Härte aufwiesen. Das Mass der Härtesteigerung war hingegen stark vom Bindemittel sowie von der Lackformulierung abhängig. Je höher dabei der Härteanstieg ausfiel, desto höher war auch die beobachtete Rissbildung.

Pigmente machen unelastisch

Zugversuche an freien Beschichtungsfilmen wurden bei drei Temperaturen durchgeführt. Diese wurden so gewählt, dass die Bandbreite an Temperaturen jener entsprach, die üblicherweise bei der Nutzung auftritt. Beschichtungen mit duktilen Eigenschaften zeigten dabei die besten Ergebnisse hinsichtlich ihrer Dauerhaftigkeit. Der Einfluss der Beschichtungsformulierung auf den Elastizitätsmodul (E-Modul; Materialkennwert aus der Werkstofftechnik) und die Dehnung beim Bruch wurden aufgezeigt. Abhängig vom Anteil an Pigmenten und Füllstoffen wurde ein dramatischer Rückgang der mechanischen Eigenschaften von Beschichtungen beobachtet, der schliesslich zu starker Rissbildung während der Bewitterung führen kann. Eine höhere Pigmentvolumenkonzentration (PVK) führte zu einem Anstieg des Elastizitätsmoduls und zu einer geringeren Dehnung bis zum Bruch. Dies korrespondiert mit einer erhöhten Neigung zur Rissbildung während der Bewitterung.

Mit der erfolgreichen Modellierung der für die Dauerhaftigkeit massgeblichen Faktoren hat das Projekt «Servowood» einen wesentlichen Grundstein zur Abschätzung der Nutzungs- beziehungsweise Lebensdauer von Beschichtungen für Holz im Aussenbereich geleistet. Verbesserungen des entwickelten Modells sind durch den modularen Charakter des Lebensdauer-Vorhersagemodells dabei auch in Zukunft möglich.

Zu den Autoren

Boris Forsthuber (BF) arbeitet bei Holzforschung Austria im Bereich Oberfläche sowie Papier und Zellstoff und beschäftigt sich unter anderem mit der UV-Stabilisierung von Holzoberflächen. Er studierte Holztechnologie und Management an der Universität für Bodenkultur in Wien.

Martin Arnold (MA) ist Leiter der Arbeitsgruppe Holztechnologie/Oberflächentechnologie in der Abteilung Angewandte Holzforschung an der Empa in Dübendorf ZH. Ein Arbeitsschwerpunkt liegt auf dem Witterungsverhalten von Holz und Holzbeschichtungen.

www.holzforschung.atwww.empa.ch

bf/ma

Veröffentlichung: 12. November 2017 / Ausgabe 44/2017

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