Trotz Spannungen innig verbunden


Blum bietet seinen Kunden zwar keinen Klebstoff an, aber eine Lehre zum exakten Platzieren der Bänder. Bild: Blum


Blum bietet seinen Kunden zwar keinen Klebstoff an, aber eine Lehre zum exakten Platzieren der Bänder. Bild: Blum
Glasbeschläge Kleben. Eine kleine, aber auf wahren Gegebenheiten beruhende Episode aus dem Leben des frei erfundenen Schreiners Beat Kipfer veranschaulicht die Herausforderungen, denen sich der Handwerker beim Kleben von Metall auf Glas gegenübersieht.
Als der Schreiner Beat Kipfer am Morgen ins Auto steigt und die Tür zuschlägt, fällt ihm der Rückspiegel von der Windschutzscheibe direkt in den Schoss. Sein Auto ist schon älter, und der Spiegel war mit der Metallgrundplatte mittels eines Klebefilmes auf der Windschutzscheibe angebracht. Der Film verblieb auf der Scheibe, die Haftung auf dem Metall jedoch war durch die jahrelange Sonneneinstrahlung und die kalten Winternächte in diesem Fall die Schwachstelle der lang andauernden Verbindung. Zwar war Kipfer die Sachlage sofort klar, trotzdem sah er sich nochmals um, ob nicht doch irgendwo eine versteckte Kamera sei, die diese unfreiwillig komische Szene heimlich aufgezeichnet hat.
Für das Kleben unterschiedlichster Materialien auf Glas sind mehrere Varianten möglich. Jede hat ihre Stärken und Schwächen, und diese Arbeit ist heikel, weshalb nicht wenige Anbieter von Glasbeschlägen doch eher bei der mechanischen Befestigung mit vorangehender Glasbearbeitung bleiben. Auch gab es schon Beschläge, die als Neuheit an den einschlägigen Messen präsentiert, dann später doch nicht als Produkt erhältlich waren. Mutmasslich weil die vorgesehene Klebeverbindung für das Handwerk nicht wirklich praktikabel war.
Es gibt aber auch regelmässig Fälle, in denen einzig und allein das Kleben eine vernünftige und machbare Lösung darstellt. So auch im Beispiel des Rückspiegels. Weil dieser im Verhältnis zur Klebefläche ein durchaus ansehnliches Gewicht aufweist, überlegt sich Kipfer, was er überhaupt für Möglichkeiten hat, das wichtige Hilfsmittel wieder anzukleben, und vor allem, mit welcher Art von Klebstoff es möglich ist, das Utensil über Kopf anzubringen. Bei der Recherche fällt Kipfer schnell auf: Wer Metall auf Glas kleben möchte, muss ziemlich viele Punkte beachten, was das ganze Prozedere doch recht mühsam erscheinen lässt. Eine wichtige Erkenntnis: Metall und Glas verhalten sich abhängig von der Temperatur recht unterschiedlich. Der deutlich höhere Wärmeausdehnungskoeffizient von Metall gegenüber Glas sorgt für Spannungen in Form von Scherkräften innerhalb der Klebefuge.
Dieser Aspekt spielt im Innenausbau keine entscheidende Rolle, wo die Raumtemperatur nur in vergleichsweise engen Grenzen schwankt. Dort wiederum ist die zu verklebende Flächengrösse ein wichtiger Punkt bei der Wahl des richtigen Klebstoffes sowie die möglicherweise nötige Feuchtebeständigkeit der Klebstoffverbindung.
Beim Befestigen von Beschlägen auf Glas kommt meist ein zweikomponentiger Acrylat-Klebstoff zum Einsatz, früher wurden dafür auch Epoxidharz-Kleber verwendet. Beide bilden jedoch eine starre Klebefuge, die dem unterschiedlichen Verhalten der Materialien wenig zuträglich ist.
Vorteilhaft sind Acrylat-Klebstoffe wegen ihrer Alterungs- und Temperaturbeständigkeit sowie ihres recht unempfindlichen Verhaltens gegenüber UV-Strahlung und Oxydation. Deshalb werden diese auch für die Aufbringung von Folien auf Glasflächen, etwa zum Sichtschutz, eingesetzt.
Eine weitere, wichtige Gruppe zum Verkleben von Glas sind die UV-Klebstoffe. Dauerhaft stabil, auch unter der Einwirkung von Sonne, Feuchtigkeit oder Reinigung, weisen diese eine hohe Transparenz auf. Die Lichtbrechung entspricht nahezu dem Floatglas, weshalb die Klebeverbindung gerade bei Glasvitrinen praktisch unsichtbar bleibt.
Zu beachten gilt, dass manche UV-Klebstoffe für Gläser mit hoher UV-Absorption wie etwa Verbundsicherheitsglas (VSG) oder auch farbiges Glas nicht geeignet sind, weil diese die UV-Strahlung abschirmen. Dann braucht es zusätzlich einen Aktivator, der die Lichtempfindlichkeit für die Reaktion erhöht. Denn: Für die Aushärtung ist zwingend eine UV-Lampe erforderlich, die als Punkt-, Linien- und Flächenstrahler erhältlich ist. Und auch hier zeigt sich die Tücke im Detail: Es müssen je nach Klebstoff die relevanten Faktoren wie Distanz der Lampe zum Klebstoff, Schichtstärke, Zeit der Einwirkung oder die UV-Absorption des Glases genau berücksichtigt werden.
Die Verklebung von Metall auf Glas ist mit UV-Klebstoffen generell nur ratsam, wenn die Klebefläche die Grösse einer Handfläche nicht übersteigt, denn auch die UV-Verklebung ist eine relativ harte Verbindung.
Gewichtiger Vorteil der UV-Verklebung von Beschlägen ist die Lösbarkeit. Mittels Hitze durch eine Heissluftquelle lassen sich kleinflächig verklebte Beschläge wie ein Edelstahlträger von einer Glasplatte wieder entfernen. Das Lösen der Verbindungen von Glas mit Glas dagegen soll kaum mehr möglich sein. Aber nichts von all den Erkenntnissen löst das Problem des Rückspiegels an der Windschutzscheibe.
Nahezu jeder Klebstoff braucht saubere, fettfreie und trockene Oberflächen. Beim Kleben von Beschlägen auf Glas sind die Ansprüche je nach Klebstoff noch deutlich höher. Reiniger sollen frei von Tensiden und Trennmitteln sein. Im Zweifel also besser das Produkt gemäss den Angaben des Klebstoffherstellers verwenden.
Auch auf augenscheinlich trockenen Oberflächen befindet sich meist noch Feuchtigkeit. Diese vermindert ein dauerhaft hohes Haftungsvermögen der Verklebung. Deshalb sollten die Klebeflächen unmittelbar vor dem Auftrag des Klebers erwärmt werden, damit das Wasser verdunsten kann. Hilfreich ist es auch, wenn sowohl Klebstoff als auch die zu verklebenden Teile Raumtemperatur aufweisen, um mögliche Spannungsschäden zu vermeiden.
Daneben gibt es weitere Verfahren zur Vorbereitung der Oberflächen für eine Steigerung der Klebefestigkeit und Haltbarkeitsdauer. Bei der sogenannten Pyrosil-Vorbehandlung werden die Oberflächen durch eine Gasflamme erwärmt, auf denen dabei eine siliziumhaltige Substanz aufgetragen wird. Dabei bildet diese so benetzte Oberfläche eine Struktur im Nanometerbereich aus, die aber zu einer wesentlich vergrösserten Klebefläche und so zu einer besseren chemischen Anbindung führt.
Solche und ähnliche Sonderbehandlungen, wie auch die Vorbehandlung mittels einfachen Primers, werden durchaus empfohlen, wenn die Metalloberfläche es erfordert. So lässt sich blanker Edelstahl recht gut und einfach auf Glas kleben, während unbehandeltes Aluminium, verchromte oder vernickelte Oberflächen ohne zusätzliche Haftbehandlung nur bedingt geeignet sind. Wichtig auch: Pulverbeschichtete Oberflächen sind für die Verklebung auf Glas nicht geeignet.
Nicht wenige Hersteller von Beschlägen geben dem Schreiner keine besonderen Angaben für das Verkleben von Beschlägen auf Glas mit an die Hand. Bei Möbelscharnieren etwa kommen dabei auch wenigstens 2-K-Acrylatklebstoffe und der UV-Kleber in Betracht. «Da es eine Vielzahl von Klebstoffen gibt, können wir keine genaueren Aussagen über den Halt machen und keine Garantie für jeden einzelnen Klebstoff übernehmen», erklärt Lukas Lässer, zuständig für den Verkauf bei Blum in Österreich. Die gängige Methode sei, die Verklebung durch einen Glasverarbeiter vornehmen zu lassen. Für Schreiner, die selbst verkleben, bietet das Unternehmen eine Stangenlehre für die Scharniere, mit deren Hilfe die Positionierung auf dem Glas einfacher zu bewerkstelligen ist.
Hersteller von Beschlägen für Raumabschlusstüren in Glas setzen oft ganz auf die Klemmtechnik, bei der die Gläser zwischen zwei Druckplatten gespannt werden. Bei schwereren Elementen kommt noch zusätzlich der Klebstoffauftrag hinzu. Bei Dormakaba arbeitet man mit dieser Kombination. Dem geklemmten Schiebebeschlag wird nach der Montage über die vorgesehenen Zuführbohrungen ein 2-K-Kleber appliziert. Dieser verteilt sich zwischen Glas und Beschlag in den vorgesehenen Hohlräumen. Vorteil hierbei ist, dass die Kraft zum Klemmen relativ gering ausfallen kann, weil durch den Klebstoff eine starre Verbindung hergestellt wird.
Weniger beanspruchte Beschläge können auch mittels eines Klebestripes aufgebracht werden. So auch die Planet-Absenkdichtung für Glastüren von Assa Abloy. Die doppelseitig klebende Alufolie gehört genauso wie der 2-K-Klebstoff bei Dormakaba mit zum Lieferumfang der Beschläge.
Auch Beat Kipfer hat sich beim Rückspiegel für ein transparentes Klebestripe entschieden. Er hat allerdings lange suchen müssen, bis er ein geeignetes Produkt gefunden hat. Angaben über die Haltekraft des doppelseitigen Klebebandes gibt es nicht. Doch ursprünglich wurde diese Variante werksseitig angewandt. Für Kipfer ist klar: Wenn der Spiegel danach wiederum 20 Jahre an der Scheibe hält, ist diese einfache Lösung perfekt.
www.blum.comwww.opk-europe.dewww.assaabloyopeningsolutions.chwww.salice.comwww.dormakaba.com
Veröffentlichung: 04. März 2021 / Ausgabe 10/2021
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