Tücken im geplanten Chaos


Das Wohnquartier «Telli» in Aarau wird energetisch saniert und verbessert. Bild: RWD Schlatter AG


Das Wohnquartier «Telli» in Aarau wird energetisch saniert und verbessert. Bild: RWD Schlatter AG
Organisation. Wohl die meisten Produkte aus Schreinereien sollen entsprechend des Bauverlaufs in Gebäude eingebaut werden. Die Schreinerzeitung wollte wissen, wie das gehandhabt wird, wenn es sich um Grossbaustellen und industriell gefertigte Elemente handelt.
Sobald mit einem Kunden über einen Auftrag gesprochen wird, kommt bei jedem Handwerker irgendwann der Punkt, an dem er daran denkt, wie dann die fertige Ware an den gewünschten Ort gelangt. Bei Produkten, die fest eingebaut und zu einem Bestandteil des Gebäudes werden, braucht das eine sehr frühzeitige Planung. Die Komponenten sollen zum richtigen Zeitpunkt auf den Bau kommen, wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Die Teile dürfen vor Ort keinen Schaden nehmen, und auch die Zufahrt muss so weit gerichtet sein, dass der Transport und die Anlieferung ohne Gefährdung der Fracht erfolgen können.
Jeder Bau oder Umbau ist ein grosses Produkt, das in einem klar vorgegebenen Ablauf elementweise entsteht. Stimmt dieser Ablauf und wird er auch in seiner Abfolge eingehalten, ist ein nahtloses Vorankommen aller Beteiligten sicher – bei geringstmöglichen Kosten und ohne Schäden. Stockt es in einem Bereich, muss eine befugte und sehr kompetente Bauführung diesen Ablauf wiederherstellen.
Das hört sich so weit ganz einfach an und sollte bei kleineren Baustellen auch kein Problem sein, soweit es diesen Bauführer gibt und Zeit nicht die oberste Priorität hat. Doch was ist bei der Montageplanung eines industriell fertigenden Betriebes massgebend, der vor allem Grossbaustellen beliefert? Die Schreinerzeitung ist dem Thema auf den Grund gegangen und hat dazu in der Praxis nachgefragt. Bei einem Treffen mit Urs Franz, Leiter Objektgeschäft, und dem Montageleiter Marcel Härter, beide von der RWD Schlatter AG aus Roggwil TG, und dem Projektleiter für Türen, Christoph Schefer, von der Firma Dietsche Montageprofis AG aus Kriessern SG, zeigte sich, wo auch einmal der Schuh drückt.
Beide Firmen arbeiten bei Grossprojekten sehr oft und eng zusammen. Sie haben viele gemeinsame Erfahrungen bezüglich Abläufen auf Grossbaustellen. Da vieles, auch bezüglich der grundlegenden Montageorganisation, vom Türenhersteller geleistet wird, ist es ein Vorteil, sich gut zu kennen. Sobald es um die ausführenden Arbeiten vor Ort geht, übernimmt die Montagefirma bis zur Abnahme mittels Protokoll.
Jede Planung beginnt spätestens mit der ersten Offertstellung. Während bei kleinen Projekten noch gerne die fachkundige Meinung des Handwerkers gewünscht wird, laufen grössere und vor allem grosse Projekte über eine Ausschreibung. Diese ist leider oft fehlerhaft und muss überprüft sowie korrigiert werden. Da es sich dabei aber noch gar nicht um einen Auftrag handelt, wird diese Fachplanung nicht bezahlt. Natürlich könnte man auf Mängel hinweisen und eine externe Fachplanung verlangen, wie sie ja beispielsweise bei Sanitärarbeiten üblich ist, nur weiss die ausschreibende Seite, dass diese Planung normalerweise gratis geliefert wird. Für den Anbieter ist es von Vorteil, wenn bei der Ausschreibung die genauen Funktionen im Gebäude und die Mieter noch nicht bekannt sind. Dann lässt es sich eine günstige Offerte machen, weil Unterteilungen, Schallabgrenzungen, Zutrittsberechtigungen und Fluchtwege noch nicht im vollen Umfang definiert sind. So kommt es nach der Auftragsvergabe zu «Bestellungsänderungen». Unter diesem Begriff erlaubt die revidierte Vertragsnorm SIA 118, dass dann neu gerechnet werden kann. SIA 118 beinhaltet die Allgemeinen Bedingungen für Bauarbeiten und ist die wichtigste Werkvertragsgrundlage der Schweizer Bauwirtschaft.
Üblicherweise werden von den Bauherren schon bei der Offertstellung Angaben zur Montage- beziehungsweise Baulogistik gefordert. Der Offertsteller tut dies vorerst blind aufgrund der erhaltenen Pläne, denn die Situation vor Ort wird sich ja erst noch entwickeln. «Auf den Plänen sehe ich noch schnell, ob ein Haus hoch ist und es weite Transportwege gibt», sagt Urs Franz. «Da muss man mit einer mittelmässigen Zufahrt rechnen. Am meisten Kopfzerbrechen machen uns aber die Etappierungen.» Es ist praktisch nicht mehr möglich, dass die Charge an Türen, die abgerufen wird, auch tatsächlich geliefert und gleich montiert werden kann. Effektiv können dann von vielleicht 50 Türen nur gerade 10 montiert werden, und man muss dann unterbrechen. «Die Baustellensituation ist in der Regel so chaotisch, dass diese Effizienz nicht mehr gewährleistet ist», sagt Franz. Die Folge ist, dass die restlichen 40 Türen in frei zugänglichen Räumen eingelagert werden müssen und nicht klar ist, welche Schäden beim nächsten Mal anzutreffen sind.
Es besteht keine Möglichkeit, in der Kalkulation viele Etappierungen einzurechnen, denn die Vorgabe lautet immer: Etappierungen sind in die Einheitspreise einzurechnen. Nach SIA wird von 3 bis 4 Etappen ausgegangen. Tatsächlich gibt es teilweise 10 bis 20 Etappen, bis fertig eingebaut ist. Offenbar ist der Begriff Etappe für die Türen auch gar nicht umfassend definiert, was einiges offenlässt.
Inzwischen gibt es Grossbaustellen mit eigener Logistikstelle. Die umfasst allerdings nur den Empfang und die Verteilung der Elemente auf die richtigen Etagen. Bei RWD Schlatter unterstützt ein mobiler Montageleiter mehrere Teams vor Ort.
Bei schlecht organisierten Grossbaustellen wird auch mal ein Montageleiter fix eingesetzt und allenfalls sogar mit einer wöchentlich erscheinenden Sekretärin verstärkt, um die immer umfangreicheren Formulararbeiten zu erledigen. Dann können die Monteure das tun, was sie am besten können: montieren.
Bei all den terminlichen Verschiebungen durch nicht ausführbare Arbeiten ist es schwierig, auch wirklich mit den Personen arbeiten zu können, die als zutrittsberechtigt für die Baustelle angemeldet sind.
Das Entsendegesetz regelt die minimalen Arbeits- und Lohnbedingungen für in die Schweiz entsandte Arbeitnehmer. Damit das kontrollierbar ist, wird besonders auf Grossbaustellen von allen eine Zutrittsberechtigung gefordert. Arbeiter müssen rund eine Woche im Voraus angemeldet und es muss eine Gebühr bezahlt werden.
Wenn man also sieht, dass eine Arbeit endlich möglich ist, kann kurzfristig kein Team von einer nahegelegenen Baustelle abgezogen und dort eingesetzt werden. Wird ein angemeldeter Mitarbeiter krank, muss der Ersatz schon vorher angemeldet und natürlich auch bezahlt sein. Durch diese Umsetzung des Entsendegesetzes ergibt sich für die Montagefirmen ein zusätzlicher Aufwand. Zudem müssen aus Sicherheitsgründen mehr Leute angemeldet und bezahlt werden, als je diese Baustelle betreten. Ansonsten könnte der immer fixe Endtermin kaum je eingehalten werden, was dann Strafzahlungen zur Folge hat.
Bezüglich Hierarchien hat sich vieles verändert und der Architekt eines Gebäudes darf zwar immer noch Wünsche äussern, verbindliche Anweisungen gehören aber immer seltener zu seinen Kompetenzen. Es ist daher wichtig, sind sich alle drei Fachleute einig, sich immer wieder zu vergewissern, wer die notwendigen Kompetenzen hat. Das gilt dann natürlich auch für die Abnahme fertig eingebauter Elemente. Eine Teilabnahme muss laut SIA 118 möglich sein. Notfalls kann dort ein E-Mail mit Abnahmefrist an den Bauleiter genügen.
www.rwdschlatter.chwww.montageprofis.chVeröffentlichung: 05. November 2020 / Ausgabe 45/2020
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