Unlösbar verhängte Fäden

In der Mischtrommel vereinigen sich weisse und schwarze Petfasern. Bild: Andreas Brinkmann

Filz.  Mit Wolle, Wasser, etwas Seife und reibenden Händen schaffen schon Kinder kompakte Filzgebilde. Professionell hergestellter Filz gehört zu den wichtigen Elementen in der Industrie und bietet dem, der die Zusammenhänge kennt, Chancen für den Möbel- und Innenausbau.

Viele Menschen kennen das Material in Form von Hüten, warmen Finken oder auch zum Basteln. Schreiner verwenden es oft als harte, schützende Gleiter unter Möbelfüssen oder neuerdings als dicke, weiche Auflagen auf Holzbänken. Filz ist ein Produkt, das sich an solch unterschiedliche Anforderungen anpassen lässt. Damit hat das Material viel Potenzial für nicht ganz Offensichtliches.

Nicht immer bekannte Anwendungen

In der Metallindustrie werden besonders harte Wollfilze für Polierarbeiten verwendet oder sie übernehmen Schmierfunktionen bei Fahrzeugen wie Zügen oder Autos. Die Glasindustrie braucht tiefschwarze Woll- oder Nadelfilze für die Zuschnitt-Tische, denn jeder Splitter oder Diamantstaub, der beim Zuschneiden anfällt, muss sofort erkannt werden können.

Die Firma Fissco AG im bernischen Enggistein ist der letzte Filzhersteller, der in der Schweiz produziert. Er ist auf technische Textilien, vor allem für die Industrie, spezialisiert. Die Firma stellt sowohl Woll- als auch Nadelfilze her. Letztere werden mit Polyesterfasern aus rezyklierten Petflaschen produziert. Viele dürften das Material von früher, als es vor allem als Teppichboden ausgelegt wurde, im Bewusstsein haben. Effektiv sind die haptischen Eigenschaften beider Materialien ähnlich.

Die Fertigungstoleranzen für die Industrie sind sehr eng. So weist Niklaus Sägesser, der Inhaber der Fissco AG, darauf hin, dass beispielsweise die Tischauflage bei den Glasschneidmaschinen eine Dickentoleranz von plus/minus 0,3 Millimeter hat. Diese wird bei ihnen schon mit den verwendeten Nadliermaschinen erreicht.

Wollfilz aus verhakenden Fasern

Die Schafwollfaser hat eine Oberflächenstruktur mit kleinsten Widerhaken, die sich beim Ineinanderfilzen gegenseitig derart verhaken, dass sie unlösbar so bleiben. Die Wolle wird anschliessend gewalkt, das heisst zusammengeschlagen, wodurch sie noch tiefer ineinandergreift und bedeutend fester wird. Filz aus anderen tierischen Haaren muss immer einen hohen Anteil an Schafwolle aufweisen, um wirklich zu halten, denn nur diese Fasern verhaken derart. Presst man anschliessend den Wollfilz, dann verhärtet er sich noch weiter. Eine wirklich hart gepresste Platte erinnert schliesslich eher an den Holzwerkstoff MDF als an Wolle. Diese Platte lässt sich dann stanzen, fräsen oder auch mit Schleifgeräten bearbeiten. So entstehen präzise kleine Teile, wie beispielsweise die Hammervorderseiten für die Klaviermechanik im Instrumentenbau. Die Pressung hat einen Nachteil, wenn Nässe mit ins Spiel kommt: Denn dann quillt dieser Bereich wieder leicht auf. Was aber einmal gewalkt wurde, bleibt auf Dauer zusammen.

Eine losere Form von Filz sind Matten aus Wolle, die zur Dämmung von Gebäuden verwendet werden und ebenfalls verschiedene Dichten aufweisen können.

Nadelfilz durch aufgeraute Fasern

Der Blick in die raumhohe Mischtrommel zeigt Fasern aus tiefschwarz und hochweiss durchgefärbten rezyklierten Petflaschen. Das Mischverhältnis bestimmt den späteren Grauton, der durch das maschinelle Verfahren sehr farbtreu und gleichmässig ausfällt.

Die Verarbeitung ist anfangs gleich wie beim Wollfilz. «Polyesterfasern sind aalglatt», gibt aber Niklaus Sägesser zu bedenken. «Sie können sich somit auch nicht ineinander verhaken.» Das übernimmt eine Doppelnadliermaschine, die von oben und unten ein dichtes Feld langer Nadeln durch das vorgepresste Vliespaket stösst. Die Widerhaken an den Nadeln ziehen dabei die Fasern ineinander, verschlaufen sie und verdichten die entstehende Filzmatte auf die gewünschte Härte und Dicke – und das mit einer Toleranz von 0,3 Millimeter plus oder minus, ohne jegliche Zusatzstoffe.

Noch härter und steifer

Der Prozess mit den Nadeln reicht aus, um dickere Matten genügend zu verdichten, dass sie standfest werden. Das wird gerne auch in der Raumakustik verwendet, da die schon recht festen Platten mit ihrer immer noch offenen Oberflächenstruktur optimal Schall zu brechen vermögen.

Wird mehr Festigkeit verlangt, um beispielsweise eine nutgeführte Schiebefront in einem Sideboard zu realisieren, lassen sich Zusatzstoffe in den Filz einarbeiten. Bei Fissco wird dann Naturlatex eingepresst und in einem Ofen das Wasser entzogen, wodurch etwas wie eine Leimversteifung entsteht. Latex ist öl- sowie hitzebeständig, aber im Gegensatz zur Polyesterfaser nicht wasserfest. Das dürfte im Wohnbereich allerdings weniger eine Rolle spielen.

Aus dem Akustikbereich

Die deutsche Firma Recytex GmbH ist in der Raumakustik tätig und bietet Petfilz in 20- und 25-Millimeter-Stärke in Grautö- nen und Weiss an. Die festen und doch haptisch angenehmen Platten eignen sich als Trenn- oder Stellwände, Schreibtischaufsatz, Schranktüren sowie -rückwände, Akustikmöbel, Wand- oder Deckenpaneele.

Berücksichtigt man, dass sich das Material auch laminieren, bedrucken oder einfärben lässt, bleibt eigentlich nur noch die Frage nach der Bearbeitung. Die sollte laut Hersteller unbedingt bei ihm liegen. Nur dort sind die Fertigungsmöglichkeiten und das notwendige Wissen vorhanden.

Perfekte, sorgenfreie Bearbeitung

Dieser Meinung ist auch Sven Erni. Mit seiner Firma Echojazz AG in Kriens LU bietet er die Petfilzplatte «EchoPanel» sowie deren gesamte Bearbeitung an. Platten aus chaotisch sortierten Polyesterfäden lassen sich nur mit einem sehr hohen Vakuum auf einem CNC-Bearbeitungstisch halten und beim Fräsen, wie in Schreinereien üblich, wird es zu heiss. Die Bearbeitung wird somit unsauber. Auch beim Wasserstrahlschneiden unterscheiden sich die Schnittkanten von der Plattenfläche.

Bei Echojazz wird mit einem CNC-Schneidplotter mit oszillierenden Messern oder Schleppmessern geschnitten. Und auch da braucht es Spezialklingen, um eine vernünftige Standzeit zu erreichen.

Die «EchoPanel»-Platten haben nicht nur eine sehr offen wirkende Oberfläche. Die Platten gibt es standardmässig 12 Millimeter dick in 20 Farben und 24 Millimeter dick in 10 Farben. Die dünnere Platte ist zudem etwas dichter, damit sie als Deckensegel steifer ist und nicht durchhängt. Neben vielen Anwendungen kann durch das Einschneiden von V-Nuten auch eine Rollladenfront verwirklicht werden.

Filz ist wie Glas oder Metall ein bereicherndes Zusatzprodukt, das eine enge Zusammenarbeit mit dem Produzenten erfordert, aber gut vom Schreiner geplant und integriert werden kann.

www.fissco.chwww.recytex.dewww.echojazz.ch

ab

Veröffentlichung: 22. Februar 2018 / Ausgabe 8/2018

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