Unterwegs im Labeldschungel


Das Herkunftszeichen Schweizer Holz mischt seit einigen Jahren den Zertifizierungsmarkt auf. Bild: Lignum


Das Herkunftszeichen Schweizer Holz mischt seit einigen Jahren den Zertifizierungsmarkt auf. Bild: Lignum
Kennzeichnung. Zertifikate, Labels und Gütezeichen spielen eine wichtige Rolle im täglichen Geschäft, weil sie dem Konsumenten Orientierung geben und den Anbieter auszeichnen. Wenn aber ein Stempel neben dem anderen steht, dann wird es schwierig für alle Beteiligten.
«Ein Label hilft dem Konsumenten bei seiner Kaufentscheidung.» – «Die Kennzeichen sorgen bei vermehrtem Auftreten für Desorientierung beim Kunden.» – «Ein Gütezeichen sichert fachliche Standards in der Wertschöpfungskette.» Oder: «Die Zertifikate halten nicht, was sie versprechen.» Viele Stimmen zu einem Thema. Wobei ein Label, eine Kennzeichnung, ein Gütesiegel oder ein Zertifikat nicht einerlei ist. Was es aber auch nicht einfacher macht. Selbst Fachleute geraten in Schwierigkeiten, wenn sie erklären sollen, wofür welches optische Signal wirklich steht. Wie soll dies aber dann dem Nichtfachmann, dem Konsumenten gelingen? So verhält es sich in der Holzbranche wie in anderen auch. Hand aufs Herz: Auf welches Siegel sollte man achten, wenn man Fisch ohne den üblen Beigeschmack von massenhaftem Beifang durch den Produzenten einkaufen möchte? Genau: Im Zweifel googelt man das Thema schnell, wenn man vor der Fischtheke steht und hat dann Informationen dazu. Ob diese stimmen oder nicht, sei dahingestellt. Beim Thema geht es natürlich auch um Marktmacht für die Labelgeber. Denn das wichtigste Kapital der Urheber von Siegeln ist deren Glaubwürdigkeit. Die untermauert man am besten durch einen gewissen Verbreitungs- und Bekanntheitsgrad. Dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich um Kennzeichnungen von Nichtregierungsorganisationen oder solchen aus der Branche selbst handelt.
Der Schreiner sieht sich täglich inmitten des Labeldschungels. Sowohl als Kunde als auch als Überbringer der Botschaft an seine Kunden. Seine Mittlerposition zwischen den Urhebern von Labels und deren Konsumenten verschafft ihm aber auch die Chance, einen klaren Blick auf Sinn oder Unsinn der bunten Vielfalt an Stempeln, Aufklebern und Sprühschablonen walten zu lassen. Viel schwieriger stellt sich die Situation für die Konsumenten dar. Regelmässig mit Halbinformationen aus Werbung und Medien gefüttert, können diese sich sodann inhaltlich damit auseinandersetzen. Auch indem sie zum Beispiel den Schreiner ihres Vertrauens zum Thema befragen. Weshalb seine Bedeutung im ganzen Prozedere nicht zu unterschätzen ist, auch wenn Schreinereien im Vergleich zu anderen Akteuren wie dem Handel, den Sägewerken oder auch den Holzbauern selbst eher seltener zertifiziert sind. Will heissen, der Schreiner ist eher Konsument, wenn es um Labels geht, als aktiver Teilnehmer, aber gleichzeitig wichtiger Ansprechpartner für die Konsumenten. Für viele Schreinereien ist es wichtig, Holz aus der Region zu verwenden. Holz, welches eine Geschichte erzählen kann, die der Kunde gerne hören möchte. Von Arvenholz aus den Höhenlagen des Engadins bis hin zur Zypresse vom Ufer des Genfersees – und damit über jeden Zweifel bezüglich Legalität, Qualität und Nachhaltigkeit erhaben. Denn: «Der Schweizer Wald muss nach den Prinzipien der Nachhaltigkeit bewirtschaftet werden», so das Bundesamt für Umwelt (Bafu).
Vor diesem Hintergrund hat die Branche das noch relativ junge Herkunftszeichen Schweizer Holz (HSH) ins Leben gerufen. Es soll die mit der Schweiz positiv verbundenen Werte transportieren und das ökologische Material Holz noch besser machen als es ohnehin schon ist. Denn Holz der kurzen Wege braucht weniger graue Energie, und vor allem ist Holz aus der Schweiz im Windschatten der nachhaltigen Erzeugung durch die Absicherung des Schweizer Waldgesetzes zudem über jeden Zweifel an Nachhaltigkeit und Ökologie erhaben. Also eine gute Sache für den verantwortungsbewussten Konsumenten. Nun muss aber Holz mit dem Zeichen HSH nicht unbedingt nach dem Forest Stewardship Council (FSC) oder dem Programme for Endorsement of Forest Certification Schemes (PEFC) zertifiziert sein (etwa der einzelne Stamm der solitären Zypresse aus der Genferseeregion).
Die Labels sind aber in der Schweiz populär, und das selbstbewusste Auftreten der Akteure um das HSH-Siegel ist den NGOs natürlich ein Dorn im Auge. So wird etwa die derzeitige finanzielle Förderung des Herkunftszeichens durch die Umweltschutzorganisationen, die den FSC unterstützen, entsprechend kritisiert. Diese können sich ihrer Sache auch sicher sein, denn ohne sie geht es nicht. Was beim Bauholz noch gut funktioniert, das klappt im Innenausbau und der Möbelproduktion schon nicht mehr. Denn Fichte und andere Nadelhölzer, die von der hiesigen Sägeindustrie aus heimischen Wäldern verarbeitet werden, sind (noch) ausreichend vorhanden, während der Mode entsprechende Laubhölzer, allen voran das der Eichen, allein aus der Schweiz bei Weitem nicht ausreicht.
Also kommt der Schreiner mit dem HSH-Zeichen allein nicht hin. Er braucht auch die anderen Labels, vor allem das FSC-Siegel, bei dem die Herkunft wiederum keine Rolle spielt. Und in diesem Spannungsfeld muss er seinen Kunden beratend zur Seite stehen, weil es natürlich immer zur Frage kommen kann: Entweder das eine oder das andere.
Neben den rein hölzigen nationalen und internationalen Labels muss ein Schreinerbetrieb sich noch mit vielen weiteren Kennzeichnungen auseinandersetzen und seine Kunden beraten. Bei Energieeffizienzklassen für elektrische Geräte angefangen bis hin zu Öko-Siegeln für Halbfertigprodukte vor allem aus dem europäischen Ausland. Eine Herkulesaufgabe, deren Ausmass anhand von Beispielen schnell deutlich wird. So ist der Schweizer Parketthersteller Bauwerk durchaus mit Grund stolz auf sein «Cradle to Cradle Certified»-Label. Nicht jedes Parkett ist aber FSC-zertifiziert, und da auch das Schweizer Herkunftszeichen einen Anteil von 80 Prozent an Holz aus der Schweiz fordert und die Menge an Decklagen so gar nicht aus der Schweiz kommen können, ist das Unternehmen beim HSH trotz der umfänglichen Nachweise mit den internationalen Zertifikaten in Sachen HSH etwas aussen vor. Denn beim produzier- ten Zweischichtparkett stammen zwar die Fichtenunterlagen meist aus der Schweiz, das Holz für die Eichendecklagen kann aber nicht aus Schweizer Wäldern bezogen werden. Und im europäischen Ausland, woher ein grosser Teil des in der Schweiz verarbeiteten Laubholzes kommt, ist das FSC-Label nicht so präsent wie in der Schweiz. PEFC dagegen ist in Europa stark, spielt aber in der öffentlichen Wahrnehmung der Schweiz nicht die erste Geige. In dieses Spannungsfeld hat das HSH seinen Fuss hineinbekommen.
Das Ringen um die Vorherrschaft der rein hölzigen Labels FSC und PEFC ist so alt wie die Zertifikate selbst. Anfang der 90er- Jahre entstanden, kämpften die Vertreter von PEFC bei ökologisch interessierten Akteuren als «Selbstzertifikat» der Forstwirtschaft schon immer mit Glaubwürdigkeitsproblemen.
So kam es zum Siegeszug des FSC. Als auch diese Organisation trotz prominenter Unterstützung etwa durch WWF und Greenpeace auch in die Kritik geriet, war der Markt wieder etwas «geöffnet».
Mit Eintritt des HSH-Zeichens werden die Karten wiederum neu gemischt. Denn die Frage muss erlaubt sein, ob es für die Schweizer Volkswirtschaft sinnvoll ist, dass Coop Bau + Hobby den grossen Outdoor-Tisch «Roma» samt Edelstahl-Kufen und Längsbeplankung mit vietnamesischer Akazie massiv für 699 Franken anbieten kann. Das Ganze ist dann auch eine Kooperation des WWF mit Oecoplan inklusive FSC-Zertifizierung, obwohl Vietnam massive Probleme mit illegalem Holzimport aus den Regionen der waldreichen Nachbarländer hat. Was soll der Schweizer Schreiner dazu sagen?
Veröffentlichung: 31. August 2017 / Ausgabe 35/2017
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