Vom Lattenriss zum CAD

Das Zeichnen war noch ein Handwerk: Zeichenunterricht auf dem Bürgenstock im Jahr 1945. Archivbild: VSSM

75 Jahre Bürgenstock.  1:1- und 1:10-Zeichnungen sind heute noch allen bestens bekannt. Aber wer weiss noch, was ein Lattenriss ist? Ein Streifzug durch die Geschichte der Zeichentechniken auf dem Bürgenstock – und welche Rolle dabei horrend teure Taschenrechner spielten.

Bis gegen Ende der 1960er-Jahre wurde das Fachzeichnen in der Schweiz unterschiedlich gelehrt. Je nach Berufsschule machte man alles naturgetreu 1:1 mit einer 1:10- Zeichnung als Übersicht, nur mit den Hauptmassen versehen. Überstiegen die Objektmasse die Papiergrösse (Packpapier ab Rollen) und die Zeichentischgrösse von etwa 200 × 120 cm, so wurde bei symmetrischen Objekten eine Mittelachse erstellt und nur die eine Hälfte gezeichnet. Oder es wurde auf einer Sperrholzplatte ein Horizontal- oder Vertikalschnitt einer Schrankfront oder Haustür als naturgrosse Zeichnung erstellt (man nannte dies einen Lattenriss). So konnte man die einzelnen Masse mit dem Doppelmeter herausmessen und aufs Holz übertragen.

Taschenrechner für 350 Franken

In den Kursen auf dem Bürgenstock wurde dann die 1:10-Zeichnung mit genauer Vermassung lanciert, dazu waren allerdings Taschenrechner vorteilhaft, die erst Mitte der 1970er-Jahre auf den Markt kamen. Ein Taschenrechner mit einer Speichertaste und den vier Grundrechenarten sowie den Funktionen für die Trigonometrie kostete anfänglich um 350 Franken. Parallel dazu wurde die 1:1-Zeichnung vereinfacht. Anfänglich noch mit allen Verbindungen erstellt, wurde im Laufe der Zeit immer mehr weggelassen und reduziert. Noch mussten aber alle Schnitte geordnet beieinander bleiben. Der Streit unter den Fachlehrern war gross, nicht alle übernahmen die neue Zeichenmethodik. Die aus den verschiedensten Kantonen hergereisten Kursteilnehmenden merkten plötzlich, dass sie in der Berufsschule nicht so zu zeichnen gelernt hatten, wie dies der Bürgenstock verlangte. Anlage- und Konstruktionsstudien waren weitgehend unbekannt. Anders ausgedrückt: Zuerst musste eine einheitliche «Zeichensprache» vermittelt werden. So prägte ab 1970 der Bürgenstock unter Josef Mäder das Fachzeichnen in der ganzen Deutschschweiz und die Fachzeichen-normen des VSSM.

Parallel dazu änderten sich die Zeichengeräte. Viele Jahre lang waren es Reissschiene und Winkel, später wurde das Ausbildungszentrum mit Parallelogramm- und Laufwagenzeichenmaschinen ausgestattet. Um 1993 wurden die ersten CAD-Programme angeschafft und bald darauf im Unterricht eingesetzt. Ebenfalls um 1993 entwickelte Linus Schweizer vom VSSM eine Lern-CD mit den CAD-Grundlagen. Heute hat jede Berufsfachschule Computer mit CAD-Software, die Lernenden werden früh ins CAD eingeführt.

Die Zeichenrichtlinien mussten logischerweise der Zeichentechnik angepasst werden. 2001 hat der VSSM die Zeichennormen mit CAD-Richtlinien ergänzt. 2006 sind dann neue VSSM-Fachzeichen-normen herausgegeben worden. Im Vorwort heisst es, dass sie auf die Bedürfnisse einer modernen 2D-CAD-Zeichnung ausgerichtet seien und die Neuerungen programmneutral gestaltet würden. Heute sind an der HF Bürgenstock auf den Schulcomputern das CAD-Programm von AutoCAD installiert, die Studentinnen und Studenten arbeiten nach den Einführungstagen jedoch in der Regel auf ihren eigenen Laptops mit selber gewählten Programmen, meist mit Studentenversionen. Auch an den eidgenössischen Prüfungen können die Studierenden mit einem selber gewählten Programm zeichnen.

Episoden aus der Geschichte

Während des diesjährigen 75-Jahr-Jubiläums der Höheren Fachschule Bürgenstock (HFB) blickt die SchreinerZeitung mit einer losen Serie auf die Geschichte der VSSM-eigenen Bildungsstätte zurück. Interessierte können im Wettbewerb auf der Jubiläumsseite der HFB attraktive Preise gewinnen.

www.75-jahre-hfb.ch

RR, sz

Veröffentlichung: 14. März 2019 / Ausgabe 11/2019

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