Wege in die digitale Zukunft


Rund 120 Frauen aus den Sparten Holzbau, Innenausbau und Architektur nahmen am Branchenforum teil. Bild: Sandra Depner


Rund 120 Frauen aus den Sparten Holzbau, Innenausbau und Architektur nahmen am Branchenforum teil. Bild: Sandra Depner
Frauenforum. Im norditalienischen Meran hat zum 14. Mal der Internationale Kongress für Frauen aus der Holzbranche stattgefunden. Ein Themenschwerpunkt waren dabei die Herausforderungen, die sich den Unternehmen durch die Digitalisierung stellen.
Rund 120 Teilnehmerinnen, 16 Fachvorträge und ein dominierendes Thema: die Geschäftswelt von morgen. Das sind die wichtigsten Eckdaten des 14. Internationalen Branchenforums für Frauen (IBF) im südtirolischen Meran. An zwei Konferenztagen tauschten sich Frauen des mittleren und höheren Kaders in der Holzbau-, Schreiner- und Architekturbranche aus und nutzten die Gelegenheit zum Netzwerken. Zwei der Referentinnen widmeten sich im Themenblock «Wie sich unsere Geschäftswelt ändert» speziell dem digitalen Wandel und dem Bruch mit traditionellen Prozessen.
Wie entsteht eine Online-Schreinerei? Diese Frage erläuterte Geschäftsfrau Birgit Gröger in ihrem Vortrag. Sie erzählte, wie sie die traditionelle Familienschreinerei Schips im süddeutschen Köngen in die digitale Welt führte. Der Betrieb fertigt seit der Gründung 1925 individuelle Möbel auf Mass. 2011 nutzte Gröger den digitalen Umbruch zur Umfirmierung in «Meine Möbelmanufaktur». Der grösste Wandel ist im Verkauf der Möbel vollzogen worden.
Am Anfang stand folgende Frage im Zentrum: Was möchte der Kunde, was ist er bereit, dafür zu bezahlen? «Um dem Kunden einen optimalen Preis und Service bieten zu können, haben wir alle Prozesse hinterfragt und – wo möglich – durch Digitalisierung und Automatisierung optimiert», sagt Gröger. Das bedeutet: Der Schreiner kommt nicht mehr wie früher zum Kunden, nimmt die Masse auf, bestellt Material, bespricht sich erneut mit dem Kunden und setzt dann Änderungen um. Die Masse für das Möbelstück kommen jetzt direkt zum Schreiner: Ähnlich wie bei den grossen Möbelhäusern kann der Kunde über den digitalen Möbelkonfigurator sein gewünschtes Möbelstück kreieren und, unterstützt durch eine Anleitung, die Masse nehmen.
In der Podiumsdiskussion interessierten sich die Teilnehmerinnen vor allem dafür, wie sich die Digitalisierung und Automatisierung auf die Mitarbeitenden ausgewirkt hat. Laut Gröger konnte die Zahl der Mitarbeitenden von 20 auf 30 gesteigert werden.
Anne Nyffeler ist jung, gut ausgebildet und eine Expertin für digitale Prozesse. Sie arbeitet als Verantwortliche Bim (Building Information Modeling) und Digitalisierung im Schweizer Holzbauingenieurbüro Pirmin Jung. Sie hat ein klares Ziel vor Augen: «Die Zukunft ist digital. Für Veränderung braucht es aber Veränderungsbereitschaft, und der Mensch ist nun einmal ein Gewohnheitstier.» Nyffeler will bei Pirmin Jung Ingenieure gewohnte Strukturen aufbrechen und ausgetretene Pfade verlassen. Am Branchenforum erläuterte sie, wie sie das machen möchte, und erklärte den Teilnehmerinnen die Geschäfts- und Projektentwicklung durch Digitalisierung in interdisziplinären Ingenieurbüros. Die gelernte Hochbauzeichnerin studierte zwischen 2011 und 2016 berufsbegleitend Architektur und machte 2015 ein Diplom für Digitales Bauen. Neben der Tätigkeit bei Pirmin Jung arbeitet sie als Architektin und ist Dozentin für Digitales Planen und Bauen an der Berner Fachhochschule.
Doch bevor sich Nyffeler den Details der Digitalisierung zuwandte, nahm sie die Teilnehmerinnen mit auf eine Reise durch die Veränderungen im Bauwesen, gezeigt anhand der Prozesse beim Zeichnen: von Hand über das CAD-Zeichnen mit der Funktion, zu löschen oder zu kopieren, bis schliesslich zu den Visualisierungen aus den 3D-Zeichenprogrammen. Nach der Visualisierung gehe es jetzt um den nächsten Schritt: Die Bauteile selbst tragen Informationen auf sich, die auf einer interaktiven Plattform abrufbar sind. «Bim ist kein Programm, sondern eine Methode, virtuell zu planen. Doch dafür müssen wir erst einmal unsere bisherigen Prozesse hinterfragen und Strategien über den Haufen werfen.»
Nyffeler sieht vor allem im Bereich der Produktivität Steigerungspotenzial. «In Sachen Produktivität stagniert unsere Branche seit 20 Jahren. Es gibt also noch Luft nach oben.» Wie andere Branchen bereits vorgemacht hätten, könne die Digitalisierung hierbei helfen. Doch es komme kein Wandel, ohne dass sich neue Aufgaben stellen. «Auch Gesetzgebung und Behörden stellen uns vor grosse Herausforderungen», sagte Nyffeler. «Gesetze, Normen und Vorgaben sind nicht auf eine modellbasierte Arbeitsweise ausgelegt.» Es sei schon deshalb momentan kaum möglich, die Bim-Methoden vollständig auszuschöpfen.
Grosses Potenzial sieht die Bim-Expertin darin, die Digitalisierung in der Planung, im Bau und im Betrieb von Gebäuden weiter voranzutreiben. Ein grosser Vorteil sei dabei, dass die junge Generation schon bereit sei für die Prozesse von morgen: «Die virtuelle Realität ist Alltag geworden. Die jungen Leute wollen das und suchen nach funktionaler Digitalisierung.»
www.forum-holzbau.com/IBFVeröffentlichung: 24. August 2017 / Ausgabe 34/2017
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