Zwischen Stuhl und Bank

Die Manufaktur Stilelemente aus Freiburg (D) fertigt Sitzflächen und Tischplatten aus alten Holzböden. Bild: Stefan Hilzinger

Blickfang Basel.  Wer schöne Möbel sehen wollte, musste dieser Tage nicht unbedingt nach Mailand reisen. Auch an der Designmesse Blickfang in Basel gab es einiges zu entdecken. Unter anderem erfrischende Neuinterpretationen von Klassikern.

Pierre Jeanneret kennt kaum jemand, seinen Vetter zweiten Grades Charles-Edouard Jeanneret dagegen kennt alle Welt als «Le Corbusier». Auch Pierre Jeanneret war Architekt und Entwerfer, die beiden Cousins haben sogar viele Jahre zusammengearbeitet. An Pierre Jeannerets Stuhl aus den 1950ern hat sich Finn Kessler orientiert. «Beim ursprünglichen Entwurf war die Sitzfläche aus Wienergeflecht», sagt Kessler. Der gelernte Schreiner aus Hamburg ist einer der vier jungen Gestalterinnen und Gestalter, die an der Messe Blickfang in Basel ihre Entwürfe dem Publikum vorstellen durften. Eben erst hat Kessler seinen Abschluss als Interior-Designer in Hamburg gemacht.

«Ich mag Eiche», sagt er. Sein minimalistischer Entwurf ist gänzlich aus massiver deutscher Eiche, ohne Metallschrauben, dafür mit Holzdübeln und Lamellos. «Für den Stuhl habe ich das Restholz verwertet, das bei meinem Gesellenstück, einem Sideboard, übrig blieb.» Nun hofft er auf Resonanz aus dem Publikum oder von anderen Ausstellern. «Mein Ziel ist es, eine Kleinauflage herstellen zu können.» Dass er in Basel ausstellen kann, freut ihn besonders, denn er ist in der grenznahen Region Lörrach (D) aufgewachsen.

Mode, Schmuck und Möbel

Rund 11 500 Personen besuchten laut den Organisatoren die Designmesse in der Halle 1 der Messe Basel vom vergangenen Freitag bis Sonntag. Von den 130 Ausstellerinnen und Ausstellern springen zunächst die Mode- und Schmuckdesigner ins Auge. Doch auch Möbelmanufakturen und Schreinereien gehören traditionell zum Bild der Verkaufsmesse. Die Ausstellenden werden von einer Jury ausgewählt. Der Veranstalter, die Blickfang GmbH aus Stuttgart, betont, dass es sich um eine kuratierte Messe handelt. Ausgewählt wurde auch Christoph Schütz aus Freiburg (CH). Zehn Jahre arbeitete der visuelle Gestalter und Fotograf an seiner geschwungenen «Arvobench». Sein Ansporn: «Es gibt so viele hässliche Sitzbänke in der Öffentlichkeit.» Fläche und Lehne sind aus dampfgebogenem Massivholz, das Gestell aus Chromstahl. Das Modell ist in verschiedenen Holzarten erhältlich. «Die Bank begeistert. Viel fragen mich, ob es auch eine für draussen gibt», sagt Schütz. Eine solche sei in Planug.

Mit einem besonderen Stuhl zeigte sich der Schreiner und Gestaler Michael Wyss aus Neuenegg BE. Die Stabelle «Ina» ist massiv, leimfrei und ohne Metallverbindungen. Gefertigt wird der Entwurf bei Lindauer in Steinen SZ. Als Gewinner des «Future Forward»-Designpreises kam Wyss in den Genuss einer «Wildcard» für die Blickfang. Stühle (und Tische) sind auch die Themen der Manufaktur Stilelemente aus Freiburg (D) und der Schreinerei Pozsgai aus Heitersheim (D). Während Stilelemente die Flächen von Tischen und Stühlen aus dem Holz alter Fussböden fertigt, sorgt Schreinermeister Raphael Pozsgai mit einer Neuinterpretation des Tübinger Stuhls für Aufmerksamkeit. Der Stuhl ist ein Entwurf Adolf Gustav Schnecks (1883 bis 1971) und wurde von der Firma Schäfer in Tübingen hergestellt. «Ich habe viel zu diesem Stuhl recherchiert, der auch als Wirtshausstuhl bekannt ist», sagt Pozsgai. Seine Stühle, Hocker und Tische akzentuiert er mit pastellfarbenen Belägen aus Linoleum, den er bei Forbo in der Schweiz bezieht. «Linoleum ist als Werkstoff total im Kommen.»

Wandelbarer Couchtisch

Auch Nadine Werner wurde als Jungdesignerin von der Jury nach Basel eingeladen. Die Deutsche aus Bielefeld studiert Objektdesign an der Hochschule Luzern. Sie stellte unter anderem ihren Tisch «X-tend» vor. Das Gestell lässt sich als Scherengitter auseinanderziehen und mit unterschiedlich breiten Einlagen bestücken und so in Tische unterschiedlicher Grösse verwandeln. «In Luzern darf ich in der Werkstatt selbst an die Maschinen. An meinem früheren Studienort in Deutschland war das kaum möglich», sagt sie.

www.blickfang.comwww.arvobench.comwww.michaelwyss.chwww.stilelemente.netwww.pozsgai.dewww.werniture.design

Stefan Hilzinger

Veröffentlichung: 27. April 2023 / Ausgabe 17/2023

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